Christian Tagliavini in Berlin

Der Renaissance-Fotograf

Wie Christian Tagliavini Kunstgeschichte, Handwerk und ­Hightech zu zeitlosen Porträts vereint

Sie wirken seltsam entrückt, wie aus einer anderen Epoche, und gleichzeitig fast futuristisch. Steif und perfekt inszeniert, posieren die Modelle von Christian Tagliavini vor der Kamera und erinnern dabei an Porträts alter italienischer Meister wie Antonello da Messina oder Agnolo Bronzino. Jedes der Bilder ist ein Gesamtkunstwerk, in dem nichts dem Zufall überlassen bleibt.

Der 46-jährige Tagliavini fotografiert nicht nur, er stellt auch alle Kostüme und Accessoires selbst her – ebenso für seine neue Serie "1406", benannt nach dem Geburtsjahr des Malers Filippo Lippi. "Ich fühle mich zur Epoche der Renaissance hingezogen, seit ich ein kleiner Junge bin", erzählt der in Lugano lebende Künstler. "Ich liebe die Kunst und die Mode dieser Zeit. Außerdem markiert die Epoche den Aufbruch vom Mittelalter in etwas Neues. In der Kunst hat sich damals einfach alles verändert. Das finde ich spannend."

Von der Idee zum fertigen Foto dauert es lange. Vor anderthalb Jahren begann Tagliavini mit ersten Zeichnungen für "1406". Dann recherchierte er die passenden Farben und Materialien – die Kleidung wurde, soweit möglich, aus alten Originalstoffen aus der Toskana hergestellt – und ließ sich Zeit, um die Atmosphäre zu definieren. Dieser Prozess kann Monate dauern. Die Kleider werden anschließend von einem Schneider gefertigt, den Rest stellt Tagliavini gemeinsam mit zwei Assistenten her. Seine Modelle findet er auf der Straße oder über Facebook. Wenn alles perfekt ist, beginnt das "Einfrieren der Arbeit", wie der Künstler sagt.

Heraus kommen Werke wie "La Moglie dell'Orefice" (Die Frau des Goldschmieds), das erste Bild der Serie "1406". Vor ockerfarbenem Hintergrund steht eine junge Frau, den Blick gesenkt, die Hände vor dem Bauch verschränkt. Sie trägt ein Kleid aus goldfarbenem Brokatstoff mit Kragen und Gürtel aus rotem Samt, einen futuristisch anmutenden Hut. Um diesen Hut herzustellen, experimentierte Tagliavini zum ersten Mal mit einem 3-D-Drucker. Als "Photographic Craftsman", wie er sich bezeichnet, arbeitet Tagliavini gerne mit den Händen und spürt den Materialien nach – er integriert aber auch immer wieder modernste Technik. Ganz im Sinne der Renaissance entsteht im Blick zurück ­etwas ganz Neues.