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7 Kunst-Filme fürs Wochenende

Das Beste aus den Mediatheken und von Streaminganbietern: Die Filme aus unserer Empfehlungsliste dieser Woche spielen in Paris, Italien, Spanien und den USA

Die kleinen Würfel

Vier junge Männer in Paris um 1900: zwei Künstler, ein Dichter, ein Kaufmann. Mit ihnen und durch sie wird sich die Kunstwelt komplett verändern und allen Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts den Weg bereiten. Sie sind noch keine 30 Jahre alt, werfen sich hinein in die brodelnde Hauptstadt der Künste, die soeben die erste Weltausstellung zeigt und in der die erste Untergrundbahn fährt. Ihre Namen – Pablo Picasso, Georges Braque, Guillaume Apollinaire und Daniel-Henry Kahnweiler – kennt heute jeder und vor allem den Namen jener Kunstrichtung, die sie erschufen. Im Grunde entstand der Kubismus zunächst aus einer Beleidigung des Braques durch Henri Matisse, sah der doch in den Gebäuden des Gemäldes "Häuser in L'Estaque" seines Malerkollegen lediglich petits cubes, also "kleine Würfel". Zum Zeitpunkt der Braque-Ausstellung, die Kahnweiler im November 1908 in seiner frisch eröffneten Kunstgalerie nahe dem Place de La Madeleine organisierte, war der Kubismus allerdings noch nicht einmal ein Konzept, geschweige denn eine Bewegung. Es war ein ungewöhnliches Bündnis, in dem sich die visuelle Revolution Picassos und Braques auf das literarisch-kritische Genie Apollinaires und den hervorragenden Geschäftssinn Kahnweilers stützte. So wurden Picasso und Braque mit den "kleinen Würfeln" zu visionären Taktgebern eines tiefgreifenden Kunstwandels: Sie entwickelten die Identität der neuen Richtung, begeisterten und faszinierten die Elite der Pariser Kunstszene. Schließlich schworen die frühen jungen Wilden komplett dem traditionellen Kunstschaffen ab und der Kubismus wurde – nicht zuletzt 1920 durch Kahnweilers legendäres Buch "Der Weg zum Kubismus" – unsterblich. Sammler in Europa, Russland und Amerika erwarben ihre ihre Werke; die "kleinen Würfel" reüssierten international.

"Picasso, Braque & Co - Die kubistische Revolution", Arte Mediathek, bis 13. April 2020

Notorious RBG

Ruth Bader Ginsburg steht wie keine andere für die Gleichstellung der Geschlechter. "Ich verlange keine Bevorzugung für mein Geschlecht; alles, was ich verlange, ist, dass unsere Brüder ihre Füße aus unseren Nacken nehmen“, das ist wohl der bekannteste zitierte Satz der heute 87-Jährigen. Sie wurde 1933 in Brooklyn geboren, war eine von nur neun Studentinnen an der Harvard Law School und wurde 1993 als zweite Frau im Supreme Court vereidigt. Ihr lebenslanger Einsatz machte sie zu einer Ikone der Frauenrechtsbewegung. Sie erreichte wegweisende Gerichtsurteile in Präzedenzfällen, die eine Basis für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen schufen. Heute wird Ginsburg, angelehnt an den verstorbenen Rap-Star Notorious B.I.G., Notorious RBG genannt und von ihren Fans gefeiert wie ein Popstar. Die Regisseurinnen Betsy West und Julie Cohen ehren Ruth Bader Ginsburg in ihrem Dokumentarfilm und zeigen uns eine sehr kleine, unglaublich starke Frau mit großer Brille und noch größerer Macht.

"RBG - Ein Leben für die Gerechtigkeit“, ZDF Mediathek, bis 25. März



Die Supermacht der Viren

Das Coronavirus dominiert die Schlagzeilen, doch eine historische und philosophische Perspektive auf Pandemien befreit von der Hektik des Newstickers. Alexander Kluges dctp.tv bietet ein ganzes Spezial zu Viren und Bakterien, vor allem Interviews, die vor längerer Zeit in von privaten Fernsehsendern zu Verfügung gestellten Programmfenstern ausgestrahlt wurden. Es ist erhellend, hier Experten über den Ausnahmezustand sprechen zu hören, die damals noch nicht im Ausnahmezustand sind, darunter der jetzt häufig präsente Virologe Alexander Kekulé, der sich, getrieben von Kluges suggestiver Fragetechnik, gerne auf Spekulationen einlässt. 

"Viren und Bakterien" Ein Themenspezial von dctp.tv, unbegrenzte Zeit verfügbar



Markenzeichen: grazile Menschen

Er wurde 1541 als Domenikos Thoetokopoulos geboren, bekannt und bis heute berühmt und gewürdigt als einer der bedeutendsten und teuersten Alten Meister jedoch ist er unter dem Namen "El Greco" (Der Grieche). Er begann an seinem Geburstort Kreta als Ikonenmaler, wirkte in Venedig und später in Rom und machte schließlich in Spanien als Hofmaler unter Philipp II Karriere. Allerdings entwickelte er einen höchst individuellen Malstil und interpretierte religiöse Themen oft eigenwillig, so dass es immer wieder Auseinandersetzungen mit Auftraggebern und Zeitgenossen gab. Er entwickelte eine neue Bildsprache für bekannte Motive: Seine dünnen, in die Länge gezogenen, verzerrten Darstellungen der Menschen, seine ungewöhnlich grelle Farbgebung – heute sein Markenzeichen – sorgten damals für Skandale, ließen ihn in Ungnade fallen, so dass nach seinem Tod 1614 sein Werk wenig Wertschätzung erfuhr; seine Kirchenbilder wurden weithin ins Ausland verkauft. Es dauerte nahezu drei Jahrhunderte, bis er, von Kunsthistorikern wiederentdeckt und zum Idol für Avantgarde-Künstler wurde, etwa für Pablos Picasso. Auch August Macke, Franz Marc und Max Beckmann ließen sich von ihm und seiner "modernen Auffassung von Malerei" inspirieren – ein Vorbild für die Expressionisten.

"El Greco und die Moderne“, 3 Sat Mediathek, 7. März 2021

Modernistische Bauten von Adolf Loos

Adolf Loos (1870-1933) war ein Revolutionär in der Architektur. "Form follows function" war das Motto, unter dem der Österreicher die Moderne in seiner Architektur und Design sichtbar machte. In Heinz Emigholz' Film "Loos Ornamental" werden 27 Bauwerke und Innenräume in der Chronologie ihrer Erbauung gezeigt, die aufzeigen, was zum architekturtheoretischen Streitfall wurde: seine Abwendung von Ornamenten als Verzierungen von Gebäuden. Die Entwicklung seines "Raumplanes" setzte ein neues Denken über die zu bauenden Räume in Kraft.

"Loos Ornamental“, Mubi, bis 27. März


Die Zukunftsweisende

Editorials in denen die Models wie ölverschmierte Vögel mit verklebten Flügeln am Strand posieren oder in OP-Sälen auf einen verschönernden Eigriff warten - dafür war Franca Sozzani bekannt. Die ehemalige Chefredakteurin der italienischen "Vogue" thematisierte in ihrer Darstellung von Mode auch immer gesellschaftskritische Themen, verknüpfte das Schöne mit dem Weltgeschehen und veröffentlichte so (mode-)systemkritische, skandalöse Editorials. Die italienische Ausgabe der "Modebibel" wurde so zu der progressivsten. "Vielleicht bin ich der ganz großen Liebe nie begegnet, aber ich hätte nie ohne meine Unabhängigkeit leben können", erzählt die Italienerin in dieser Dokumentation, die ihr Sohn Francesco Corrazzini kurz vor ihrem Tod gefilmt hat.

"Franca - Chaos and Kreation“, Netflix


Brüder in der Kunst

Ans Kreuz genagelt eine nackte Madonna, blutüberstömt, in fahlem Gegenlicht inszeniert, fotografiert von einem dunkelhaarigen Mann mit schwarzer Brille. Schnitt. Ein Weißhaariger mit Nickelbrille, Strubbelfrisur und warmem Lächeln dirigiert das Berner Symphonieorchester, droht grinsend jenen Schläge an, die nicht "alle Noten" spielen". Mario Venzago, der Dirigent, und Alberto, Fotograf und Filmemacher, sind Brüder, die erzverschieden scheinen und die – in seltenen, gemeinsamen Momenten – doch ein starkes Band brüderlicher Vertrautheit verbindet. Im ersten Teil der sechsteiligen Dokumentationsreihe "Kunst hoch 2", die bekannte Künstler "im Doppelpack" porträtiert, spricht der eine über den anderen Bruder und umgekehrt. Beide sind als Migrantenkinder (der Vater katholischer Italiener, die Mutter jüdische Deutsche) in der Schweiz direkt nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen und haben sich stets in unterschiedlichen Kulturen und Traditionen bewegt. Ihre Freude an der Vielfalt haben sie bis heute bewahrt und sind in ganz unterschiedlichen Kunstrichtungen erfolgreich – aber die Liebe zur Musik verbindet sie. Schon als Kinder spielten sie Trio mit dem Vater, wobei Alberto sich mit dem Rücken zum Publikum stellte, weil er immer lachen musste, "wenn das Publikum vor Rührung weinte". Disparate Charaktere, charismatische Künstler.

"Kunst hoch 2 - mit Mario und Alberto Venzago, 3sat Mediathek, bis 2. April