Streaming-Tipps

11 Kunst-Filme, die sich im August lohnen

Der Mensch hinter dem Phänomen Tom of Finland, ein moderner Klassiker der Kunstsatire und die letzte Reise eines großen Fotografen: Das sind unsere Filmtipps des Monats


Thomas Hoepker und das große Vergessen

2020 fährt der kürzlich verstorbene Thomas Hoepker zusammen mit seinen Frau Christine Kruchen aus New York los, um in einem Wohnmobil die Vereinigten Staaten zu durchqueren. Wie damals, 1963, als er für die in Hamburg erscheinende Illustrierte "Kristall" unzählige Bilder schoss, die über fünf Ausgaben hinweg gedruckt wurden. Nun hat er bereits die Diagnose Alzheimer bekommen. Für Hoepker Grund genug, um weiterzuarbeiten und sich dank der Hilfe seiner Frau den Wunsch zu erfüllen, von der Ostküste über das Hinterland bis nach San Francisco zu fahren.

Die Route ist dem Fotografen nicht unbekannt. Sie war der Grund für eine seiner ersten großen Reportage-Reisen. Danach kam der Ruhm, mit dem ikonischen Schwarz-weiß-Porträt von Muhammad Ali, Farbbildern aus Guatemala und China - oder zuletzt der Momentaufnahme am 11. September 2001, als er auf eine Gruppe junger New Yorker traf, die sich in Brooklyn zur Lunchzeit vergnügt zu unterhalten schienen, während im Hintergrund schwarze Rauchwolken aufstiegen.

Der deutsch-chilenische Filmemacher Nahuel Lopez ist 2020 von Anfang an bei Hoepkers Reise dabei. Der NDR zeigt seinen Film "Dear Memories" anlässlich von Hoepkers Tod mit 88 Jahren nun noch einmal in seiner Mediathek. Das Trio auf dem Bildschirm besucht Bekannte, ruft sich Fotos in Erinnerung. Immer, wenn Hoepker mit seiner Leica allein loszieht, spricht er mit fremden Menschen, fotografiert sie, um am Ende festzustellen, dass "gute Bilder selten sind", weswegen er von der ganzen Reise nur sechs gebrauchen könne. Ein richtig gutes Bild, sagt der unbarmherzige Selbstkritiker, gelinge mitunter nur einmal pro Jahr. Was nicht heißt, dass es sich nicht lohne, trotzdem wieder loszuziehen, es könnte ja genau der Tag sein, an dem sich dieses beste Bild ereignen könnte.

Lopez schaut nicht oft zurück ins Archivmaterial. Er zeigt das Paar im Alltag einer fordernden Reise, bei Skype-Gesprächen und dem Schießen der neuen Bilder. Hier und da hört man ein früheres Interview und Ausschnitte aus Hoepkers Essays. Wenn der Fotograf den Faden verliert und in Las Vegas die Kapelle nicht wiedererkennt, in der er Kruchen geheiratet hat, wird auch die fortschreitende Krankheit zu einem weiteren bitteren Akteur, dem die beiden aber nicht den Gefallen tun wollen, sich kampf- und humorlos zu ergeben.

"Dear Memories", NDR-Mediathek, bis 14. August

Film Still "Dear Memories"
Foto: © GRANVISTA

Szene aus "Dear Memories"


Frans Hals und das Lachen auf der Leinwand

Seit einigen Wochen ist die große Frans-Hals-Ausstellung in der Gemäldegalerie in Berlin zu sehen. Darin wird der holländische Künstler (1582/83–1666) als ein "Meister des Augenblicks" gefeiert, der es vermochte, seine Modelle in vermeintlich spontanen Gesten und Stimmungen festzuhalten. Der passende Film zur Schau findet sich derweil in der Arte-Mediathek. Da über das Leben von Hals eher wenig bekannt ist, konzentrentiert sich das Dokumentarformat "Der Maler des Lachens" auf seine Werke und deren Wirkung bis heute. Besonders wird herausgearbeitet, wie ungewöhnlich es im 16. und 17. Jahrhundert war, lachende Menschen zu malen und wie Hals' Gemälde seltene Zeugnisse der Freude aus dieser Zeit sind.

Regisseurin Frauke Schlieckau lässt Expertinnen und Experten für niederländische Malerei zu Wort kommen und begleitet die Vorbereitungen für die großen Ausstellungen im Amsterdamer Rijksmuseum und der Berliner Gemäldegalerie. Aber sie fragt auch grundsätzlicher, was uns Frans Hals heute über das Lachen in düsteren Zeiten vermitteln kann. 

"Frans Hals: Der Maler des Lachens", Arte-Mediathek, bis 12. Oktober


Wie aus dem Soldaten Touko Laaksonen der Kunst-Star Tom of Finland wurde 

Es sieht nicht gut aus für die finnischen Soldaten der Luftabwehr von Helsinki. Die Stadt wird fast jede Nacht bombardiert, außerdem soll die Einheit an die Ostfront verlegt werden, wo die Rote Armee in erdrückender Überzahl wartet. Ein Befehl, der für viele Männer das Todesurteil bedeuten wird. Nachts treffen sich einige von ihnen zu schnellem, diskretem Sex in den Parks der Stadt. In dieser prekären Situation fragt ein Hauptmann den Leutnant Tuoko Laaksonen (gespielt von Pekka Strang), von welchem Leben nach dem Krieg er träumt. Dieser muss nicht lange überlegen: Er will Klavier spielen und zeichnen. Er will Künstler sein. 

Bis diese Ambition Wirklichkeit wird, ist es jedoch ein langer Weg. Denn Laaksonen, der den Zweiten Weltkrieg überlebt, träumt von Männerkörpern und zeichnet sie in expliziten Posen und Fetisch-Outfits; und das schon in den 1940er- und 50er-Jahren, als Homosexualität unter Strafe steht und schwule Männer bei heimlichen Treffen jederzeit von der Polizei verprügelt werden können. "Ich könnte meine Bilder eher im Vatikan zeigen als in Finnland", sagt Laaksonen einmal. 

Wie der hauptberufliche Werbezeichner schließlich durch einen Umweg über die USA zur Ikone der schwulen Subkultur wird, zeigt der Spielfilm "Tom of Finland" von 2017. Die Ästhetik des Künstlers ist wenig subtil, und zuweilen bedient sich auch Regisseur Dome Karukoski einer überbordenden Camp-Ästhetik, wenn er geheime Schwulenparties in Helsinki, lederintensive Autorennen und schlüpfrige Poolnachmittage in L.A. zeigt. Dass "Toms" hypermännliches Ideal auf seine Erlebnisse als Offizier und Kontakte zu den "Waffenbrüdern" der deutschen Wehrmacht zurückzuführen ist, unterschlägt Karukoski nicht. Haben Tom of Finlands Zeichnungen ein faschistisches Männlichkeitsbild popularisiert oder das Stereotyp in der Sphäre erotischer Träumerei entschärft? Der Film enthält sich jeder Wertung, er zeigt einen Mann, der Erfahrungen von Trauma und Schuld – etwa im Fall des russischen Fallschirmspringers, den Laaksonen mit einem Messer tötet – sexuell zu bewältigen versucht.

Überwiegend ist das Porträt ein leiser Film in eher gedämpfter Atmosphäre, der den Menschen hinter dem Phänomen Tom of Finland hervorholt. Er findet in dem Tänzer "Nipa" eine große Liebe, kann sie aber nicht so leben, wie er es möchte. Auch mit seiner Schwester, mit der er lange zusammenwohnt, kann er über seine sexuellen Neigungen nicht sprechen; für sie ist das "Jungskram", von dem sie nichts wissen will. Der Künstler scheint zerrissen zwischen seinem Ruhm in den USA und der Sehnsucht nach einem normalen Leben in seiner Heimat. "Tom of Finland" endet in den 1980er-Jahren, als die Aids-Epidemie zahlreiche Opfer in der schwulen Community fordert. Laaksonen fragt sich, ob er mit seiner Arbeit, die oft als "unsittliche Propaganda" geschmäht wurde, zu den Toten beigetragen hat. Noch auf der Intensivstation will ihm einer seiner Freunde - etwas pathetisch - diese Zweifel nehmen: "Du hast mich gelehrt, was Liebe ist."

"Tom of Finland", Amazon Prime, bis 12. August

"Tom of Finland", Filmstill, 2017
Foto: Helsinki Filmi

"Tom of Finland", Filmstill, 2017


Rihanna als Kulturbotschafterin

Welche Künstlerin kann schon von sich behaupten, in ihrer Heimat als Nationalheldin gefeiert zu werden? Robyn Rihanna Fenty landete 2005 mit "Pon de Replay" ihren ersten Hit und feiert seitdem Erfolge als Musikerin und Unternehmerin. Weniger bekannt ist, dass sie auch als Kultur- und Jugendbotschafterin ihrer Heimatinsel Barbados tätig ist. Bei der offiziellen Zeremonie der karibischen Republikgründung 2021 wurde sie von der neuen Präsidentin Sandra Mason zur Nationalheldin ernannt.

Die Arte-Dokumentation "Rihanna: Inselkind, Popstar, Nationalheldin" erzählt die Geschichte ihrer Doppelrolle als Sängerin und Repräsentantin aus der Perspektive einer Nation, die sich von einer kolonialen Vergangenheit erholt. Da darf eine Analyse ihrer Texte und Musikvideos nach postkolonialen Gesichtspunkten nicht fehlen. "Rihanna kann als Verkörperung dessen gesehen werden, was mit Menschen geschieht, wenn sie sich mental aus einem System der Unterdrückung befreien", heißt es in der Dokumentation. Zwar hat die Sängerin sich nie öffentlich zu den Forderungen der Republik Barbados nach Reparationszahlungen geäußert, aber mit ihrem Song "Bitch Better Have My Money" doch eine inoffizielle Hymne produziert.

"Rihanna: Inselkind, Popstar, Nationalheldin", Arte-Mediathek, bis 10. Oktober

Popstar und Kulturbotschafterin: Sängerin Rihanna
Foto: dpa

Popstar und Kulturbotschafterin: Sängerin Rihanna


Der moderne Klassiker der Kunstsatire

Christian ist ein ebenso attraktiver wie reflektierter Kurator an einem Stockholmer Kunstmuseum. Für eine neue Ausstellung hat er das Projekt "The Square" ersonnen. Ein abgestecktes Bodenquadrat als "Zufluchtsort, an dem Vertrauen und Fürsorge herrschen. Hier haben alle die gleichen Rechte und Pflichten" – so erklärt Christian seine Idee. "The Square" ist auch der Titel der Kunstsatire des schwedischen Filmemachers Ruben Östlund, der in einer Reihe von Episoden rund um den glatten Kurator das böse und provokante Porträt eines Milieus zeichnet, das zwischen Kunst und Leben zu laborieren gewohnt ist. 

In der inzwischen wohl berühmtesten Szene performt ein Künstler bei einem VIP-Dinner im Museum in Affenmanier, um das wohlhabende Publikum zu provozieren. Bald gerät die Situation außer Kontrolle, als der "Tiermensch" über eine Frau herfällt und schließlich von Helfern verprügelt wird. Wie auch andere Östlund-Filme handelt "The Square" von männlichen Rollenmustern, die hier vor allem am Beispiel von Christian durchdekliniert werden: Er ist der Vater, der Citoyen, der Chef, der Kurator, der Gastgeber, der Arbeitgeber. 

Darüber hinaus scheint der Film einen Abgesang auf das Avantgarde-Projekt einer Überführung von Kunst ins Leben anzustimmen. Östlund spielt durchaus mit Ressentiments über die zeitgenössische Kunstszene, wobei in der Schwebe bleibt, ob der Regisseur diese Szene adressiert oder die biederen bis reaktionären Kreise, die solche Ressentiments hegen.

"The Square", auf Mubi

Foto: Festival de Cannes
Foto: Festival de Cannes

Szene aus "The Square"


Andy Warhol zum Binge-Watchen 

Andy Warhol war niemals out, die "Warhol-Mania" ist längst nicht versiegt. Gerade ist eine große Ausstellung über die erotische Seite des Künstlers in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen, im Museum Brandhorst in München wird seine Beziehung zu Keith Haring aufgearbeitet. Wer dazu noch Vor. oder Nachbereitung braucht, kann die Netflix-Serie "The Andy Warhol Diaries" zu Rate ziehen, die dem Superstar schon vor zwei Jahren ein Comeback attestieren wollte. Diese geht von den Tagebucheinträgen aus, die die Pop-Art-Ikone von 1976 bis 1987 täglich einer Freundin diktierte. Dabei hangelt sie sich an Textpassagen entlang, die von einer emotionslosen, vermeintlich Andy Warhols Stimme imitierenden K.I. nachgesprochen werden. Unterlegt sind die Worte mit einem Konvolut aus Bild- und Videomaterial aus den Archiven der Andy Warhol Foundation, von deren Nutzung jedes Museum nur träumen kann.

Warhols Platz in der Kunstgeschichte ist heute gesichert, vor allem aber ist er ein popkulturelles Phänomen, eine Symbolfigur der USA: vervielfältigt, in alle Welt verschifft und tausendfach konsumiert. In "The Andy Warhol Diaries" sehen wir Warhols Hadern damit, nur als das gesehen zu werden: als popkulturelle Referenz, und nicht als vollwertiger Künstler wie etwa Jasper Johns oder Robert Rauschenberg. 

Der Versuch der Filmemacher, Warhol nahbar erscheinen zu lassen, scheitert allerdings an der Computerstimme. Die nachgestellten Szenen sind kitschig und wirken etwas überflüssig. Die Hälfte der Zeitzeuginnen und -zeugen erzählen wahlweise, wie wichtig Warhol ihnen oder wie wichtig sie Warhol gewesen seien und flimmern wie Motten im Scheinwerferlicht ihres Idols. Nur einer der Interviewten spricht offen von Warhols Dunstkreis als "Versailler Hofstaat", er erwähnt Intrigen und Missgunst.

Trotz alldem bleibt die etwas überhypte Serie sehenswert, nicht zuletzt wegen der originalen Privataufnahmen. Und weil zwischendurch Warhols eigene Stimme auftaucht, die süffisant betont, dass all das Maskerade ist. Auch 37 Jahre nach seinem Tod hat Warhol noch die Erzählung über sein Leben in der Hand.

The Andy Warhol Diaries", auf Netflix

"The Andy Warhol Diaries", zu sehen auf Netflix
Foto: Andy Warhol Foundation / Netflix

"The Andy Warhol Diaries", zu sehen auf Netflix


Franz Erhard Walther und die Kunst als Handlung 

Ende Juli ist der deutsche Konzeptkünstler Franz Erhard Walther 85 Jahre alt geworden, und fast gleichzeitig ging seine große Retrospektive in der Bundeskunsthalle in Bonn zuende. Wer seine Werke noch einmal in Aktion sehen will, kann das jedoch auf dem Youtube-Kanal des Ausstellungshauses tun, auf dem der Film zur Schau noch zu sehen ist. Darin zeigt sich auch, dass Walthers oft textile Skulpturen nicht nur im Museum, sondern auch in der Natur funktionieren. In der Rhön nahe seines Wohnorts Fulda haben der Künstler und sein Team noch einmal Werke aus vergangenen Jahrzehnten aktiviert. Der Film zeigt Ausschnitte der Reinszenierung mehrere Freiluftaktionen aus seinem "Ersten Werksatz" und der Serie "Handlungsbahnen": Eine Gruppe Menschen trägt eimerartige, rote Stoffbehälter über dem Kopf, Performerinnen sind durch Bänder zu einem Quadrat verbunden oder stehen in leuchtend orangefarbenen Zeltkonstruktionen auf saftigem Grün. 

Die Verbindung von Körpern, Natur und Objekten hat etwas Poetisches und wird heute selbstverständlich als wegweisende Erweiterung des Kunstbegriffes rezipiert. Dass das zu Beginn seiner Karriere ganz anders war, erzählt Walther ohne jede Bitterkeit und eher verschmitzt vergnügt im Interview.

"Behind the Art – Franz Erhard Walther 'Bilder im Kopf, Körper im Raum'", Bundeskunsthalle Channel, auf Youtube


Der "Kunst-Popstar" des 18. Jahrhunderts 

Angelika Kauffmann, ein "Kunst-Popstar" des 18. Jahrhundert, gehört nicht nur zu den erfolgreichsten, sondern auch zu den meistkopierten Künstlerinnen der westlichen Kulturgeschichte. Die Werke der schweizerisch-österreichischen Malerin zeichnen sich durch ihren präzisen Pinselstrich sowie die Fähigkeit aus, Porträts mit einem unverkennbaren Ausdruck zu versehen. Ein Paradebeispiel hierfür ist ihr Bildnis der italienischen Dichterin Teresa Bandettini.

Die Dokumentation "Das Geheimnis der Meister: Angelika Kauffmann" gibt nun einen tiefgehenden Einblick in die Herangehensweise und das Werk dieser faszinierenden Künstlerin. Die Sendung ist ein Muss für alle, die sich für Kunstgeschichte und die Herausforderungen des Kopierens und Interpretierens klassischer Werke interessieren. Der Maler Tim Ernst wagt sich selbst an die Herausforderung, das "Porträt Teresa Bandettini" nachzumalen. Ob ihm das gelingt? 

"Das Geheimnis der Meister: Angelika Kauffmann", 3sat-Mediathek, bis 22. Juli 2026

3satMediathek "Geheimnis der Meister: Angelika Kauffmann"
Foto: © ZDF, Vanessa Auktor

Szene aus "Geheimnis der Meister: Angelika Kauffmann", 2024


Glamour und Geister mit Kristen Stewart und Hilma af Klint 

Maureen, gespielt von Kristen Stewart, ist in Olivier Assayas' gleichnamigen Spielfilm ein "Personal Shopper" – eine Avatarin und Modeeinkäuferin für einen Popstar namens Kyra. Maureen gibt sich zu allem, distanziert, auch zu ihrer Arbeitgeberin, klammheimlich schlüpft die Protagonistin aber – verbotenerweise – in Kyras Kleidung, übernachtet und masturbiert in deren Bett. Assayas, der 2016 in Cannes den Regiepreis für seine vielschichtige Erzählung um fragile Identitäten bekam, behandelt Medien in zweifacher Bedeutung. Während die zeitgenössische Pop- und Celebrity-Kultur die Story rahmt, sind menschliche Medien im Sinn von Empfängern jenseitiger Botschaften zentral für den Film.

Teil einer Kulturgeschichte des Geistersehens, die parallel zur Handlung aufgerollt wird, ist die zu postumer Berühmtheit gelangte schwedische Künstlerin Hilma af Klint (1862–1944), die davon überzeugt war, Stimmen aus dem Jenseits hätten ihre abstrakten Zeichnungen und Gemälde in Auftrag gegeben. Maureen glaubt, selbst ein Medium zu sein. Ihr Zwillingsbruder starb vor Kurzem an einem Herzfehler; die Geschwister hatten sich versprochen, im Todesfall einander "ein Zeichen" zu übermitteln. Leben wirklich Geister unter uns Lebenden? Auch Maureen ist gewissermaßen ein Gespenst – als Mittzwanzigerin im saturierten Westen steht ihr die Welt offen, doch sie wirkt orientierungslos. "Personal Shopper" ist nicht zuletzt das schillernde Porträt einer Generation.

"Personal Shopper", Yorck on Demand zum Leihen und Kaufen

Kristen Stewart in "Personal Shopper", 2016
Foto: Courtesy Weltkino Filmverleih

Kristen Stewart in "Personal Shopper", 2016


Kunst zwischen den Kulturen 

In Deutschland leben heute rund 3,2 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln - in der Kultur der Mehrheitsgesellschaft kamen diese jedoch lange nicht vor, was sich nur langsam ändert. Gerade nehmen sich Ausstellungshäuser wie das Frankfurter MMK oder das HKW in Berlin - endlich - der Kultur der sogenannten Gastarbeiter an, die das Land seit den 1960er-Jahren in Ost und West geprägt haben. Auch der Dokumentarfilm "Kültür für Deutschland", der auf Deutsch und Türkisch in der ZDF-Mediathek abrufbar ist, zeigt, wie die Migrations-Erfahrungen ihrer Familien auch noch die Kinder und Enkel dieser Generation beschäftigen. In der Produktion von Regisseur Nuray Şahin werden Künstlerinnen und Künstler vorgestellt, die das Gefühl einer geteilten Heimat und die Frage nach Zugehörigkeit in ihren Werken verarbeiten. Zu Wort kommen unter anderem die Sängerin Elif, der Rapper Eko Fresh und der Fotograf Sedat Mehder, der sich in seinen Bildern mit Stereotypen, Zuschreibungen und Rassismus auseinandersetzt. 

Auch Shermine Langhoff, in der Türkei geborene Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, gehört zu den Protagonistinnen des Films und berichtet vom Ankommen in Deutschland, der künstlerischen Verarbeitung der rassistischen Brandanschläge der 1990er-Jahre und die politischen Baustellen von heute. Gezeigt wird auch ihre Arbeit mit der kurdischen Aktivistin und Künstlerin Zehra Doğan, die in der Türkei im Gefängnis saß und währenddessen Arbeiten aus Haaren, Essensresten und Druckerfarbe schuf. 

"Kültür für Deutschland", ZDF-Mediathek, bis 28. Oktober

Sängerin Elif im Film "Kültür für Deutschland"
Foto: Courtesy 3Sat

Sängerin Elif im Film "Kültür für Deutschland"


Männlichkeit zwischen Zartheit und Gewalt

Peinlicher Fehler: Bei den Oscars 2017 wurde zunächst "La La Land" als Gewinner ausgerufen, weil der falsche Umschlag gereicht wurde. In Wahrheit hatte die Academy Barry Jenkins Coming-Of-Age-Drama "Moonlight" zum besten Film gekürt. Tatsächlich ist der Film ein Meilenstein, nicht nur in der afroamerikanischen Filmgeschichte. In drei Kapiteln wird von dem Schwarzen Jungen Chiron erzählt, von einem Neunjährigen im Miami der 1980er, von dem Heranwachsenden an der Highschool und schließlich von dem muskelbepackten erwachsenen Dealer, der mit Mitte 20 in Atlanta lebt und seine Homosexualität versteckt. 

Er nennt sich jetzt Black, hat eine Jugendstrafe abgesessen und sucht in Miami seinen Schulfreund Kevin (André Holland) auf, dem er sein erstes sexuelles Erlebnis verdankt. In seinem zweiten Spielfilm nach dem Low-Budget-Werk "Medicine for Melancholy" besetzte Jenkins die Hauptfigur mit drei sehr unterschiedlichen Darstellertypen und betonte damit die fragile Identität eines (wie Jenkins selbst) aus desolaten Verhältnissen stammenden Mannes, der sich extrem wandeln muss, um nicht unter die Räder zu kommen. Neben den drei Chiron-Darstellern Ashton Sanders, Alex R. Hibbert und Trevante Rhodes überzeugen Naomie Harris als drogenabhängige Mutter Paula und Mahershala Ali, der für seine Performance als Chirons Ersatzvater Juan einen Oscar als Bester Nebendarsteller gewann.

"Moonlight", auf Mubi

"Moonlight", Filmstill, 2017
Foto: Courtesy Mubi

"Moonlight", Filmstill, 2017