Fiona Banner bei Barbara Thumm (Art Berlin)
Was zeichnet ein Buch aus? Die ISBN-Nummer. Jedenfalls nach Meinung der Künstlerin Fiona Banner. Sie hat sich nämlich ihre eigene ISBN-Nummer auf den Rücken tätowieren lassen. Am Stand der Galerie Barba Thumm zeigt Banner ein Ensemble, das sich ganz um ihre Buchstaben-Obsession dreht.
Ihr großes "Portrait as a Book" mit der Ansicht des nackten Rückens mit der ISBN-Nummer hat sie auf einen großformatigen Teppich gemalt, dazu kommt ein skulpturales Selbstporträt als Buchstabe I, gemalt auf das Rotorblatt eines Helicopters, und eine naturalistische Meeres-Ansicht mit einem auf den Wellen schwimmenden Satzzeichen: Sie macht 'nen Punkt! Komplettiert wird der Stand durch wunderschöne Zeichnungen mit weißer Kohle auf blauem und schwarzem Papier von Chloe Piene und einem "Engel" von Valérie Favre.
Nicola Martini bei Dittrich und Schlechtriem (Art Berlin)
Dittrich und Schlechtriem brechen das klassische Kojenformat entschlossen auf, verweigern den messetypischen Gemischtwarenladen und präsentieren auf der ganzen Länge der Halle eine Reihe abstrakter Skulpturen von Nicola Martini. Die transparenten Kunststoff-Behälter bekommen extra Credits für den Mitmach-Effekt: Der Künstler füllt Pigmente, die durch das Zermahlen älterer Arbeiten entstanden, in die darin befindliche transparente Flüssigkeit, und wenn man möchte, dass die farbige und die transparente Flüssigkeit sich neu mischen, kann man kurz schütteln, dann ist wieder für ein paar Monate eine andere Farbe an der Wand.
Christian Hoosen bei Achenbach Hagemeier (Art Berlin)
Christian Hoosens halb abstrakte, halb surreale Gemälde bohren sich eigentlich mit ihren Knallfarben recht selbstbewusst ins Auge. Bei seiner Solo-Schau bei der Galerie Achenbach Hagemeier guckt man aber erst mal nur auf den lustigen Kirmesautomaten, bei dem man für Klimpergeld versuchen kann, Hoosen-Häschen zu greifen. Oder gleich den Hauptbewinn: Ein Gemälde, das auf die Rückseite geklebt ist! Für Ungeduldige: Man kann auch gleich die ganze Installation kaufen.
Conny Maier bei Ruttkowski 68 (Art Berlin)
Es macht Spaß, wie dreist und expressiv die junge Malerei sich gerade präsentiert. Conny Maier bei Ruttkowski 68 zum Beispiel: Feist wie von Botero erdacht, fläzen sich ihre Figuren über die Bildflächen, die Münder rund aufgerissen wie bei Sexpuppen. In ihrer neuen Serie bei Ruttkowski 68 umgeben sich diese Figuren mit Ästen, Pflanzen, Farnen, es geht um das was gerade alle bewegt: die Interaktion mit der Natur.
Claude Viallat bei Galerie Kajetan (Art Berlin)
Kunst aus Textil ist seit Jahren so etwas wie ein Trend, das alte Stigma des Kunsthandwerks ist längst vergessen, geblieben ist die Freude an der verführerischen Materialität. Der 1936 Franzose Claude Viallat ist ein hierzulande viel zu wenig bekannte Pionier in diesem Bereich, er präsentiert seine Malerei schon seit Jahrzehnten auf Textil. Bei der Galerie Kajetan hat man nun die seltene Gelegenheit, mehrere seiner feinen Abstraktionen zu sehen, die er beidseitig auf Stoffe malt.
Christopher Meerdo bei Exgirlfriend (Positions)
Bei der Erstürmung von Osama bin Ladens Anwesen in Abbottabad, bei der der Terror-Anführer und vier weitere Personen erschossen wurden, entdeckten die Spezialeinheiten der US-Navy Seals auch zehntausende auf Computern und DVDs gespeicherte Dateien. 2017 wurde das Material, insgesamt 470.000 Dateien, von der CIA veröffentlicht. Der Künstler Christopher Meerdo hat 70.000 Bilddateien - Kriegsfotos, Propaganda Material, Waffen, politische Anführer, aber auch Cartoons und Hollywoodfilme - in ein sogenanntes Generative Adversarial Network eingespeist.
Diese künstliche Intelligenz verarbeitet Bin Ladens Bildarchiv zu einem fortlaufenden, sich weiterentwickelnden Bilderstrom, der auf einem großen Screen den gesamten Stand der Galerie Exgirlfriend ausfüllt: 18 Jahre nach 9/11 löst das immer noch ein klammes Gefühl der Bedrohung aus, und die böse Ahnung, dass der Terror noch ungreifbarere Formen angenommen hat.
Jim Lambie bei Konrad Fischer (Art Berlin)
Sprayen heißt eigentlich: die Umgebung gestalten, selbst anonym bleiben. Jim Lambie dreht diese Logik um. Auf seinen Screens ist er selbst zu sehen, wie er eine Sprühdose auf die Kamera richtet und nach und nach hinter einer monochromen Wand verschwindet: ein sehr hübscher Crossover von Minimal und Street Art.
Dass der Schotte auch als DJ und Musiker tätig ist, verdeutlichen seinen anderen Arbeiten am Stand von Konrad Fischer: Kolorierte, schmuckvoll arrangierte Sonnenbrillengäser tragen die Titel bekannter Pop Songs wie "Beginning to see the light"; und seine zu Skulpturen zusammengeschnittenen Türen weisen den Weg vom Sonnenuntergang bis zum Morgengrauen.
Academy-Sektion auf der Positions
Gute Nachwuchsarbeit leistet die Positions mit der Academy-Sektion, in der Arbeiten von Absolventen deutscher und polnischer Kunsthochschulen aus Berlin, Breslau, Danzig, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt am Main, Halle, Leipzig, München, Nürnberg, Offenbach, Stuttgart und Weimar gezeigt werden. Spannend sind hier etwa die körnigen, an Nan Goldin oder Wolfgang Tillmans erinnernden Fotodrucke von Max Broda: sehr körperliche und intime, aber dabei diskrete Aktaufnahmen.
Merlin Reichart bei Conradi
Merlin Reichart führt mit seinem Triptychon aus drei Aluminium-Panelen von Himmel zur Hölle des Digitalzeitalters. Auf den industriell-kalten Leinwänden des 28-Jährigen, der bei Simon Denny an der HFBK Hamburg studiert hat, findet sich ein funktionstüchtiges Handy-Aufladekabel, doch natürlich kommt die perfekte Dienstleistung trotz des freundlichen Smileys nicht ganz umsonst, sondern wird mit Überwachung bezahlt.
Unbedingt sehenswert ist ebenfalls bei Conradi die feministische-humorvolle Malerei von Cordula Ditz: Auf ihre Leinwände ist historisches Material der Frauenbewegung und vor allem der Frauendomestizierung gedruckt: Texte, frühe Anzeigen für Nasen-OPs oder ein Foto von einem Schönheitswettbewerb am Strand, bei dem die Modells weiße Masken überm Kopf tragen. Sollte wohl vor der Sonne schützen, lässt die Bikini-Schönheiten aber aussehen wie KuKluxKlan-Mitglieder. Und Nein: auch Ditz` abstrakt-wilde Malereigesten sind nicht durchweg ernst gemeint.
Paolo Cirio bei Nome (Art Berlin)
Fotos von Tatverdächtigen, sogenannte Mugshots, erfreuen sich in den USA schon länger großer Beliebtheit. Das Digitalzeitalter hat den Voyeurismus verstärkt - und so versammeln Internetseiten wie mugshot.com (bitte nicht klicken!) Zehntausende Fotos von Verdächtigen. Ohne Rücksicht auf Privatsphäre, ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass die Beschuldigten oft unschuldig sind. Der Künstler Paolo Cirio nimmt solche Fotos und verfremdet die Gesichter, zumindest symbolisch gibt er den Menschen ihre Privatssphäre zurück.
Cirio versteht sich als Aktivist, Kunst mit großen K ist nur eine Zwischenstation seiner aktivistischen Arbeit: mit mugshot.org gründete er eine eigene Webseite, um Aufmerksamkeit zu schaffen für einen krassen, alltäglichen Datenmissbrauch.