Kunstmesse in Turin

10 Highlights der Artissima

Die Artissima, Italiens größte Messe für zeitgenössische Kunst, hat eröffnet. Zehn Tipps für die diesjährige Ausgabe

1. Cyrus Kabiru - Smac, Stellenbosch/ Kapstadt/ Johannesburg
Mit seinen phantastischen Brillen aus gefundenen Materialien hat es der 1984 geborene Kenianer Cyrus Kabiru zu einem der bekanntesten Vertreter des Afrofuturismus gebracht. 2015 waren seine "C-Stunner" unter anderem in Amelie Kleins und Okwui Enwezors Ausstellung "Making Africa" im Vitra Design Museum in Weil am Rhein zu sehen. Auf der Artissima sind zwei seiner Brillen als Editionen zu haben – inklusive großer Fotos.

 

2. Wael Shawky - Sfeir-Semler, Beirut/ Hamburg
Der 1971 in Alexandria geborene Wael Shawky erzählt mit seinen "Cabaret Crucades" mit phantastischen Marionetten die grausame Geschichte der Kreuzzüge aus arabischer Perspektive. Eine seiner kunstvoll aus Muranoglas gefertigten Puppen kann man am Stand der Sfeir-Semler Gallery erwerben. Wer  mehr von seinem Werk sehen möchte, sollte unbedingt einen Abstecher ins Castello di Rivoli unternehmen, das ihn soeben mit einer von Carolyn Christov-Bakargiev grandios in Szene gesetzten Einzelausstellung würdigt.

 

3. Anahita Razmi - Carbon12, Dubai
Das Verhältnis zwischen orientalischer und westlicher Kultur nimmt auch die 1981 geborene Künstlerin Anahita Razmi aus Berlin unter die Lupe – allerdings aus popkultureller Sicht. Auf 150 Zentimeter hohen Fotodrucken aus Reispapier posiert sie lasziv in T-Shirts, die sie in Städten entlang der historischen Seidenstraße gekauft hat und die vor Rechtschreibfehlern strotzen: "Stop making sence" heißt es etwa auf einem Top aus Istanbul. Reißenden Absatz bei den Messebesuchern findet vor allem ihre selbst entworfene Mode: Ihr "Middleeastpack" ist für 400 Euro zu haben. Ein Kunde habe gleich ein ganzes Set für seine Familie gekauft, erzählt Galerist Kourosh Nouri, "für die nächste Art Basel."

 


4. Sybren Renema - Dürst Britt & Mayhew, Den Haag
"Totenmaske eines durchschnittlichen Romantikers" heißt der 3D-Druck, den der 1988 geborene Sybren Renema aus den Gesichtern 33 berühmter romantischer Schriftsteller, Komponisten und Künstler zusammengestellt hat. Aus den Totenmasken Achim von Arnims, Ludwig van Beethovens, Walt Whitmans und vieler weiterer Genies hat er am Computer das Mustergesicht einer Epoche errechnet. Das Verblüffende: Während die einzelnen Vorbilder durchaus markante Züge trugen, kommt Renemas Maske aus dem 3D-Drucker recht unscheinbar daher weil sich die Physiognomien gegenseitig aufheben. "Man könnte vielleicht sagen, dass der durchschnittliche Romantiker eine etwas große Nase und sinnliche Lippen hat", so der Galerist Alexander Mayhew. Er und sein Kollege Jaring Dürst Britt dürften hingegen vielen Besuchern im Gedächtnis bleiben – mit ihrer Koje gehören sie zu den  Entdeckungen in der Sektion "New Entries".

5. Jong Oh - Marso, Mexiko-Stadt
Bei einer Kunstmesse setzen viele Galerien auf Knalleffekte. Wunderbar leise  hingegen sind die Arbeiten des in New York lebenden 35-jährigen Koreaners Jong Oh am Stand der Galerie Marso. Aus Fäden und Glasscheiben hat er drei hauchzarte Installationen entwickelt, die fein wie Spinnennetze in der Luft schweben. Wer eine der Installationen kaufen möchte, erhält übrigens Besuch vom Künstler: Jong Oh installiert seine Werke stets eigenhändig vor Ort.

6. Klaus Lutz - Rotwand, Zürich
Ebenfalls wunderbar filigrane Arbeiten findet man bei der Zürcher Galerie Rotwand. Sabina Kohler und Bettina Meier-Bickel präsentieren in ihrer Koje Miniatur-Radierungen des 2009 verstorbenen Schweizer Künstlers Klaus Lutz. Ausgehend von der Vorstellung, dass das geschriebene Wort früher oder später wieder völlig von einer Bildsprache verdrängt werden würde, entwickelte Lutz ein eigenes visuelles Zeichensystem. Eine wichtige Inspirationsquelle stellten Texte für ihn dennoch dar: Viele seiner kleinformatigen Leporellos sind Werken Robert Walsers gewidmet.


7. David Medalla- Enrico Astuni, Bologna
So schön können Blasen am Kunstmarkt sein: Der humorige Filipino David Medalla, der heute in London, Paris und New York lebt, experimentierte Mitte der 60-Jahre als einer der ersten Künstler mit autokreativen Maschinen und entwarf Apparate, die geometrische Schaumskulpturen produzieren. Seine verspielten "Cloud Canyons" begeistern auch noch 2016 durch ihre herrliche Leichtigkeit.

8. Renato Leotta - Fonti, Neapel
Lust auf ein Bild vom Mond? Der 34-jährige Turiner Künstler Renato Leotta erzeugt seine neblig weichen Schwarz-Weiß-Bilder, indem er Fotopapier nachts unter freiem Himmel in Wasser taucht und es vom Schein des Mondes belichten lässt. Mit seiner romantischen Konzeptkunst schaffte er es bis ins Finale des Present Future Preises der Messe.


9. Kasia Fudakowski - Chert Lüdde, Berlin
Die Berliner Galeristin Jennifer Chert tritt auf der Artissima das erste Mal gemeinsam mit ihrem neuen Partner Florian Lüdde auf, der sich bisher als Direktor bei Esther Schipper einen Namen gemacht hat. Dass die beiden Messe-Profis sind, merkt man ihrer Koje an: Unter dem Titel "Are you eating well" serviert die 1985 geborene Kasia Fudakowski dem Publikum einen übergroßen Hummer aus Plexiglas und Kabeln. Ob da jemand wohl eine Ahnung hatte, wie übersichtlich die Portionen im VIP-Restaurant ausfallen?

 

10. Cécile B. Evans - Barbara Seiler, Zürich
Der beste Platz für einen Rückzug vom Messerummel? Die Galeristin Barbara Seiler hat ihren Stand in ein geschlossenes Kino verwandelt, in dem man sich liegend das 42-minütige Video "What the heart wants" der Amerikanerin Cécile B. Evans ansehen kann, das unter anderem dieses Jahr bereits auf der Berlin-Biennale gezeigt wurde. Eine künstliche Intelligenz namens Hyper in Frauengestalt führt uns darin durch eine Welt, in der Kinder von Robotern aufgezogen werden und konfrontiert uns mit der Frage, was einen guten Menschen eigentlich ausmacht. Von der Messe gab es für die Arbeit den Present Future Preis, den die Artissima jährlich in Kooperation mit Illy verleiht. Und das Castello di Rivoli hat das Werk bereits für seine Sammlung erworben.