Kunstmessen-Highlights

10 Dinge, die man auf der Art Basel nicht verpassen sollte

Bei der diesjährigen Art Basel bieten 270 Galerien aus 33 Ländern ihre Werke an, und die Entdeckermesse Liste gibt es ja auch noch. Hier sagen wir Ihnen, wo sich das Hinschlendern und Stehenbleiben lohnt

 

Von Elke Buhr und Silke Hohmann
 

Trisha Baga bei Greene Naftali, Societé

Die Leinwand für diese Videoprojektion ist gar keine, sondern ein Gemälde. Trisha Baga hat die K-Pop-Band BTS bei einem ihrer Auftritte porträtiert. Die ineinander gesunkenen und verschlungenen Körper scheinen in ihrem perfekten Bildaufbau ein klassisches Gemälde nachzustellen, doch die Choreographie zielt auf etwas Moderneres: das Nachempfinden einer DNA-Doppelhelix. Auf dieses Gemälde richtet Baga einen Projektor, überzieht es mit dem weißen Licht des Starbildschirms und mit Ansichten von Desktops und Computermenus, lässt mal den einen, dann den anderen Teil des Bildes hervorblitzen. Ein einzelner Keramikfuß vor dem Gemälde verortet die hybride Installation wieder in der realen Welt. Großartig, wie sich Baga im Zwischenraum zwischen Objekt und Virtualität einrichtet und uns über Sichtbarkeit, Selbstinszenierung und Identität nachdenken lässt.

Trisha Baga "Body Clock, Greene Naftali / Societé, Art Basel 2021


Lucy McKenzie in der Sektion Unlimited

Lucy McKenzie kehrt zu den verflossenen Utopien zurück und hat das Wandgemälde aus dem zentralen Lesesaal der russischen Staatsbibliothek in Moskau abgemalt – allerdings geschehen einige Dinge auf dem Bild, die den Sowjets nicht gefallen hätten: So hebt beispielsweise eine junge Frau einer anderen durchaus lustvoll den Rock. Wenn sie dieses Gemälde ausstellt, versteckt Lucy McKenzie es hinter einer zweiten Wand, in die sie jedes Mal andere Löcher hineinschlägt – man bekommt niemals das ganze Bild zu sehen. Die aufgeklopfte, ruinierte Wand, hinter der die Kunst hervorlugt, taugt in diesem Jahr aber auch als Metapher auf einen Kunstbetrieb, der sich nach der Pandemie mühsam berappelt.

Lucy McKenzie "Giving Up The Shadows On My Face", Cabinet, Art Basel Unlimited


Österreichische Körperkunst bei der Galerie Krinzinger

Die Galerie Krinzinger feiert, genauso wie die Art Basel selbst, ihren 50. Geburtstag. Und während die Messe im vergangenen Jahr alle Partys absagen musste, veranstalten die Wiener zum Messe-Neustart ein überraschend blutiges (und mutiges) Fest: Sie erinnern an die Anfänge der Galerie im Wiener Aktionismus und zeigen unter anderem die immer noch schockierenden Penis-Verstümmelungs-Fotos von Rudolf Schwarzkogler und Marina Abramovic, wie sie sich den Davidsstern in die Haut schneidet. Lois Weinberger führt das Körper-Thema mit einer lebensgroßen Figur weiter, der Muscheln aus dem Körper wachsen. Die Österreichische Körperkunst geht unter die Haut – bis heute.

Galerie Krinzinger, Art Basel 


Rosemary Mayer und andere bei ChertLüdde

Hier passt alles zusammen. In der Mitte zieht eine prachtvolle hängende Stoffskulptur der gerade wiederentdeckten amerikanischen Avantgardistin Rosemary Mayer die Blicke auf sich, gerahmt von Werken von Ruth Wolf-Rehfeldt, die ihre Kunst nicht nur mit der Schreibmaschine erstellte, sondern auch kleinformatige Ölbilder malte. Vorn umspielen Blumen von Petrit Halilaj und Alvaro Urbano den Stand, gefertigt aus Stahl und Leinwand. Von Halilaj stammt auch die geschwungene Messingskulptur, die sich bei näherem Hinsehen als eine Einrichtung zum Füttern von Vögeln entpuppt – auf die warten wir nun in der Messehalle.

ChertLüdde, Art Basel


Pauline Curnier Jardin bei Ellen de Bruijne Projects

Es gibt wenige so richtig opulent eingerichtete Einzelausstellungen auf der diesjährigen Messe. Deshalb fällt die Präsentation von Pauline Curnier Jardin so positiv auf, die Ellen de Bruijne Projects als ihren Beitrag zur "Feature"-Sektion präsentiert. Vor einem pinken Vorhang sind Bildschirme installiert, die die jüngsten Filme der Künstlerin zum Thema Ritual und Ekstase zeigen, gefilmt beim Karneval in Köln oder bei verschiedenen katholischen Prozessionen und Festen in Südeuropa. Große Kerzen in der Installation komplettieren die religiöse Anmutung – hier wird der Katholizismus in seine Bestandteile auseinanderanalysiert, und mit ihm das archaische Bedürfnis des Menschen nach dem Aufgehen in der Masse.

Galerie Ellen de Bruijne Projects, Sektion "Feature", Art Basel 


Erik van Lieshout im Parcours

Wer hätte die Erfahrung dieses fürchterlichen Pandemie-Jahres besser in eine künstlerische Form bringen können als Erik van Lieshout? "Art Blasé" steht in der offiziellen Art-Basel-Typo am Eingang zu seiner Installation, die sich einem Café versteckt, als Teil der in der Basler Innenstadt verteilten Außenprojekte der "Parcours"-Sektion. Der kurze Film zeigt viele selbstironisch-verzweifelte Notizen des Künstlers, der angesichts der Covid-Krise eine neue Beschäftigung findet: Skulpturen aus Handtüchern knoten, man wäscht sich schließlich ständig die Hände. Sein Handtuch-Elefant ist recht gelungen, der Neuanfang des Messebetriebs als antikapitalistisches und ökologisches Unterfangen dagegen laut Künstler noch recht unklar. Aber er arbeitet dran.

Erik van Lieshout "Art Blasé", (Guido W. Baudach, Maureen Paley, Anton Kern, Krinzinger), Parcours, Art Basel


Kai Althoff bei Gladstone

Kai Althoff ist ein bewundernswerter Meister der Vermeidung – eine Gabe und Fähigkeit, die immer seltener wird, eigentlich fast unmöglich. Sie allein darf schon als Ausnahmekostbarkeit gelten. Genauso besteht sein Werk auf absolutem Eigensinn und widersetzt sich jeder Festlegung. Auch hier ist das Rare, Freie und auf Eigenständigkeit beharrende eine Art Schatz der Gegenwartskunst. Niemand sonst sagt eine Teilnahme bei der Documenta ab (und wird dann doch mit dem Absagebrief Teil der Ausstellung). Dieses aufregende, gekonnte Spiel mit dem Entzug, der das Begehren nur stärker werden lässt, ist eine eigene Kunstform, aber geliebt wird Kai Althoff natürlich vor allem für seine Gemälde und Skulpturen.

Wenn jetzt bei der New Yorker Galerie Gladstone neue, ganz neue Bilder von ihm ausgestellt werden, dann kann es wirklich nur einen einzigen Grund dafür geben: Er hatte gerade Lust dazu. Die Galerie hat auf ihrem Messestand eigens ein Kabinett für die fünf Gemälde eingerichtet. Das Vergnügen beginnt schon bei asymmetrischen Rahmen, die es unmöglich machen, diese Bilder zu posten, ohne dass es dilettantisch wirkt. Die Gemälde zeigen einander teils zärtlich und teils aggressiv zugewandte Figuren, die ihren Hintergrund gut in der deutschen Gegenkultur der 1970er-Jahre haben könnten. Sie sind streetsmart und zeigen Bizeps, scheinen trotzdem märchenartig Chagall-haft zu schweben. Ein pudriger Schleier liegt über ihnen, er wird niemals gelüftet werden.

Kai Althoff, Gladstone Gallery, Art Basel 


Bronwyn Katz bei Blank auf der Liste

Die Objekte auf dem Stand der südafrikanischen Galerie Blank auf der Liste Art Fair sind so zart, dass man sie zwischen vielen lauten bunten anderen Eindrücken übersehen könnte. Aber sie haben auch eine Anziehungskraft oder Aufladung, die sich durchsetzt. Sehr dünner Kupferdraht und Wollfaden, das ist es auch schon, woraus das Werk "kx‘a" besteht. Die Drähte sind oben und unten an eine horizontale Schnur geknüpft wie ein Gewebe, das noch auf seinen Schussfaden wartet. Doch zugleich ist es eindeutig eine Skulptur, mit der wir es hier zu tun haben. Eine weitere Arbeit bewegt sich genau so gekonnt und genauso präzise im Dazwischen: Ein rötlicher Wollfaden ummantelt einen rechtwinklig gebogenen Metallstab. Als habe die Minimal Art plötzlich ihre rigorose Seite abgelegt und Verletzlichkeit zugelassen.

Bronwyn Katz, Jahrgang 1993, lebt zwischen Johannesburg und Kapstadt und ist Gründungsmitglied von iQhiya, einem Künstlerinnenkollektiv, das auch an der letzten Documenta in Athen und Kassel mitgewirkt hat. Ihre erste Ausstellung mit Blank hatte sie bereits 2016, und man kann sehen, wie sie ihre Praxis seitdem unbeirrt vertieft.

Bronwyn Katz, Liste Art Fair, Basel


Pol Taburet bei Balice Hertling auf der Liste

Pol Taburet ist 1997 in Frankreich geboren und studiert Kunst in Paris. Seine Malerei zeichnet sich durch einen surrealen Taumel aus, der entsteht, obwohl seine Bildelemente eher klar und sparsam sind als wild und verwirrend. Seine Motive kreisen oft um abstrahierte Schwarze Körper in existenziellen Verdrehungen und Verformungen, vor leuchtenden monochromen Hintergründen in Primärfarben. Sein Maluntergrund hat eine erdige Körnigkeit, im krassen Kontrast dazu stehen sparsam gesetzte Highlights, die er mit Airbrush aufträgt. Ohne überfrachtet zu sein, senden seine Gemälde erstaunlich viele Signale gleichzeitig aus, und werden zurückgeworfen aus den Tiefen der eigenen Schemata. Figuration? Abstraktion? Graffiti? Francis Bacon? Voodo? Trap Music? Alles da, alles zugleich. Taburet hat karibische Wurzeln, auch diese Mythologie hat ihren Platz in seiner absolut zeitgenössischen Erzählung.

Galerie Balice Hertling, Liste Art Fair, Basel


Jonathan Lyndon Chase bei der Company Gallery

Eine schwarze Transperson, die ihre Kämpfe in großformatige Malereien fasst: Es klingt ein bisschen nach Diversity als gut vermarktbarer Trend, was die Company Gallery aus New York auf den Statements, der Sektion für die jungen Galerien, zeigt. Aber das, was Jonathan Lyndon Chase hier zeigt, strahlt so eine Kraft und so eine Wut aus, dass man sofort mitgerissen ist. Und die kissenartigen Skulpturen – darunter ein fantastischer Kronleuchter – sind auch noch ziemlich lustig.

Jonathan Lyndon Chase, Company Gallery, Statements, Art Basel


Über die Highlights der Art Basel und das Wiedererwachen des Messebetriebs spricht Elke Buhr auch im Radio bei Detektor FM: