Dieser Nager ist nicht putzig. Ein puscheliger Biber, groß wie eine Kirmesfigur, singt gemeinsam mit einem Baum mit Menschengesicht den Song "This Land is Your Land" und spricht über die Geschichte der Kolonisierung Nordamerikas und die überfälligen Rückgabe von Land. Ein rotes Schild neben der Installation informiert die Ausstellungsbesucher darüber, dass die Künstler dieser Arbeit, das indigene Kollektiv "New Red Order", außerdem gegen Deutschlands Unterstützung der israelischen Regierung beim Gaza-Krieg protestieren möchten.
Ein weiteres Schild an der Wand klärt darüber auf, dass Kuratoren und Museumsleitung sich wiederum von diesem Statement distanzieren. So kann es auch gehen: Der Konflikt ist offengelegt, die Besucher können sich selbst ihre Meinung bilden, weder Boykott noch Zensur finden statt. Es wäre auch tragisch gewesen, hätte man hier Positionen verbannt, denn es geht explizit um politische Kunst in der Schau "Survival in the 21st Century".
Die Kuratoren Nikolaus Schafhausen und Georg Diez probieren den Rundumschlag von Migration über Diskriminierung und Klimakrise bis zu Kriegen und springen dabei recht ehrgeizig von Thema zu Thema. Andrea Bowers zeigt einen rührenden Film über eine Party von Transgender-Kids in den USA. Leon Kahanes Fotoserie über die Frontex-Zentrale in Warschau von 2009 hat von ihrer schneidenden Kälte nichts verloren.
Strom aus Zitronen
Lawrence Abu Hamdans Film "45th Parallel" von 2022 entfaltet eine fein konstruierte Parabel über eine Bibliothek an der Grenze zwischen Kanada und USA, die von beiden Seiten frei zugänglich ist, und kommt bei der Frage an, ob ein Polizist, der von den USA aus ein unbewaffnetes Kind in Mexiko erschießt, als Mörder verurteilt wird (leider nein). Und James Bridle führt Beuys Capri-Batterie weiter und erzeugt wirklich Strom aus Zitronen.
Es ist nicht einfach, das alles im Kopf zusammen zu bringen. Aber es fällt angenehm auf, dass all diese Arbeiten nicht in plumpem Aktivismus versinken, sondern auf ihrem ästhetischen Eigensinn bestehen. Sogar Konzeptkunst-Meister Liam Gillick findet hier seinen Platz, in großen Grafiken, die die Ikonographie von Statistiken zitieren und das Verhältnis von Daten und Gesellschaft in Frage stellen. Ob all das zum Überleben im 21. Jahrhundert beiträgt? Wer weiß. Stoff zum Denken gibt es jedenfalls.