Klaus Gerrit Friese

„Man kann nicht mehr so tun, als wäre die Welt noch so wie vor zehn Jahren.“

Den BVDG gibt es seit über 40 Jahren, und Galerien haben die letzten zwei Jahre während der Finanzkrise um ihr Überleben gekämpft. Kommt ein Leitfaden nicht etwas zu spät?
Einerseits haben die Schwierigkeiten der Galerien sehr wenig mit  dem fehlenden Leitfaden zu tun. Auf der anderen Seite ist er eine Neuformulierung dessen, was wir bereits im Jahr 2000 als BVDG artikuliert haben. Im Galeriebereich hat sich in den letzten zehn Jahren einiges dramatisch verändert. Deshalb ist die Neuformulierung, die wir in dieser Form zum ersten Mal öffentlich machen, absolut notwendig und sicher nicht zu spät.

Eine dieser Veränderungen, von denen Sie sprechen, ist die Verlagerung des Geschäftes von der Galerie auf die Messe. Gleichzeitig sollen die Galerien aber die eigentlichen Orte der Kunstwahrnehmung bleiben. Wie holen Sie das Publikum zurück in den Ausstellungsraum?
Mit der Verlagerung auf die Messe wird deutlich, wie sich die Zeitverhältnisse von Sammlern und Kuratoren verschoben haben. Das bedeutet auf der anderen Seite aber nicht, dass die Galerien nicht einer erhöhten Wahrnehmung bedürfen. Gerade in Galerien, die sich stark im Kunsthandel betätigen, sind spannende Konstellationen zu sehen. Außerdem müssen wir vermehrt darauf hinweisen, dass Galerien die Orte der Kunstproduktion im Entstehen sind und dieser Prozess auch dort gezeigt wird. Das hat eine ungebrochene Attraktivität für Sammler und Besucher.

Was können Galerien außerdem, was Messen nicht können?
Ein ganz wichtiger Pluspunkt der Galerien ist die Nähe zum Künstler und die Möglichkeit, mit dem Künstler zu sprechen. Messen können Werke außerdem nur in einer forcierten Ausschnitthaftigkeit zeigen. In den Galerien gehen Künstler auf die Räume ein, womit man das Werk in einer Art Konstellation zeigen kann. Messestände können mit einer in Bedacht zusammengestellten Ausstellung nicht konkurrieren.

Trotzdem werden Großteile des Umsatzes auf den Messen gemacht. Sie empfehlen in Ihrer Broschüre gleichzeitig eine andere Gewinnaufteilung zwischen Galerien und Künstler. Statt der Hälfte, sollen die Künstler nur noch 40 Prozent Anteil bekommen. Warum ist das nötig, wenn das Geld doch weiterhin auf den Messen eingenommen wird?
Wir empfehlen diese Aufteilung nicht als ein Modell, das für die Ewigkeit und in jeder Konstellation Gültigkeit hat. Doch jede Messebeteiligung mit Vorbereitung, Transporten etc. verschlingt unglaublich viel Geld. Mit den ständig steigenden Kosten bei einer Messebeteiligung hat sich eine Verlagerung der Erlösstruktur zu Ungunsten der Galerien ergeben. Bei dieser Verlagerung oder bei diesen schlechten Erträgen, die auf Messen gemacht werden können, und gleichzeitig extremem Preisbewusstsein der Sammler, kann man nicht mehr so tun, als wäre die Welt noch so wie vor zehn Jahren. Nur unter solchen Konstellationen geben wir zu bedenken: Es wäre doch gut, sich mit den Künstlern zu unterhalten, ob es nicht ein anderes Erlösmodell geben kann, als es bisher üblicherweise unhinterfragt praktiziert wird.

Trifft diese Regelung aber nicht vor allem junge und kleine Künstler?
Es trifft ja auch kleine und junge Galerien. Wir sind uns bewusst gewesen, dass wir mit dieser Regelung sofort einen Aufschrei provozieren, weil solche Überlegungen immer gegen die angebliche Schwäche von Künstlerpositionen gehen. Eigentlich ist aber das Gegenteil der Fall: Galerien sind in höchstem Maße daran interessiert, dass Künstler auf die bestmögliche Art und Weise überleben. Man darf aber nicht mehr davon ausgehen, dass jeder noch gut genug verdient.  Wenn wir also diese minimale Veränderung einer prozentualen Beteiligung vorschlagen, ist das im Sinne von beiden gedacht. Beide müssen überleben – das ist das wichtigste. Und nicht zuletzt profitieren doch auch die Künstler sehr von der, ihr Werk auf gute Art fördernde Repräsentation.

Der innovative Künstlernachwuchs ist von der öffentlichen Ausstellungslandschaft in die Galerien und kleineren Institutionen gewandert, welche das ohne strukturelle Unterstützung finanzieren müssen. Und die deutsche Kulturförderung nimmt immer weiter ab. Sollten Forderungen also nicht eher an die Politik, statt an die Künstler gerichtet werden?
Unser größter Stolz und unsere Unabhängigkeit als Galerie sind, dass wir der einzige Bereich der wirklichen Kulturförderung und der Entstehung von Kultur sind, der sich eben nicht in der öffentlichen Förderung befindet. Trotz ökonomischer Grundstruktur passiert hervorragende Kulturarbeit, und das möchte ich weiterhin in Anspruch nehmen.  Dort gleich nach Subventionen von öffentlicher Hand zu rufen, erscheint mir absolut der falsche Weg zu sein. Es gibt immer noch Möglichkeiten eine relevante Zahl von 1000 Galerien in Deutschland so zu organisieren, dass wir nicht für jede dieser Galerien öffentliche Förderung in Anspruch nehmen müssen und wollen. Neben der sehr üblichen Künstlerförderung durch Bund und Länder, ist es trotzdem möglich sich für Galerieförderung im künstlerischen Bereich einzusetzen. Wir legen Wert darauf selbstständige Unternehmen zu sein, die aber in ihren Unternehmen eine andere Hinterfragung ihrer bisher üblichen Geschäftsressourcen brauchen.

Sie sind Anfang des Jahres von Köln nach Berlin gezogen, um ihre Lobbyarbeit zu vereinfachen. Was ist seitdem passiert?

Die Arbeit hat sich total vereinfacht. Köln hatte diese klassische Struktur für den BVDG, weil dieser eben auch die Art Cologne in die Messelandschaft hinein erfunden hat. Doch ein Verband, der sich für die Gesamtinteressen seiner Mitglieder einsetzen will und muss, ist natürlich viel stärker auch in die politischen Gespräche eingebunden. Diese Gespräche finden eben nicht mehr nur im Staatsministerium für Kultur statt - sondern auch im Wirtschaftsministerium, wo bestimmte Rahmenbedingungen, wie z.B. die internationale Messeförderung, festgelegt werden oder im Finanzministerium, wo es um die Erhaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes geht. Und wir merken deutlich: Wenn ein Verband vor Ort ist, wird er von den Politikern als Gesprächspartner viel selbstverständlicher aufgesucht.

Sie setzen sich außerdem für die Etablierung eines Masterstudiengangs Kunsthandel ein. Was erhoffen Sie sich von so einem Abschluss?
Wir glauben nicht, dass es nur den einen Königsweg gibt Galerist zu werden. Wenn wir also eine universitäre Ausbildung vorschlagen, bedeutet das nicht, dass wir alle anderen Wege nicht gutheißen. Es gibt in unserem Gebiet aber viele sinnvolle Kenntnisse. Bedenkt man alleine die betriebswirtschaftlichen und juristischen Voraussetzungen, in die man mit der Eröffnung als Galerie unmittelbar eintritt, wird klar, dass vieles auch lehrbar ist. Außerdem sind die vielbeschworenen Netzwerke in solchen Zusammenhängen einfacher durchschaubar. Wenn die Kultur- und Medienmanagementstudienzweige nur einen kleinen Teil von vielleicht zehn Studienabgängern pro Jahr im Bereich des Kunsthandels herausbrächten, wäre das sicherlich eine wunderbare Ergänzung für dieses ganze Modell.

Wären Sie Dozent in so einem Studiengang: Was würden Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?
Galerist zu sein, steht unter dem ideologischen Gewand des schärfsten Individualismus: Nichts sei lehrbar, nichts wirklich vermittelbar, der gute Galerist ein Instinktmensch. Wir wollen zusammen mit den Studierenden erkunden, welche allgemeinen Voraussetzungen es gibt, wie mit den Rahmenbedingungen wie beispielsweise dem Folgerecht umzugehen ist, welche Fragen des Urheberrechts sie einfach kennen müssen etc. In drei Semestern entlassen wir sie dann in die ihnen gut bekannt gemachte Realität der Kunstwelt. Und ich bin mir sicher, dass die ihnen vermittelte Systematik in der doch allgemeinen gesetzten folgenden Kunstwelt wesentlich nutzen wird.

Sie arbeiten bereits an der nächsten Publikation. Ein weiterer Leitfaden?
Wenn man die aktuelle Publikation zuspitzen will, beschäftigt sie sich ja mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Galeristen-Daseins in der Zusammenarbeit mit dem Künstler. Es gibt aber unheimlich viele Punkte, die dort nicht bedacht werden konnten: Was bedeutet das Folgerecht? Welche inhaltliche Bedeutung hat Galeriearbeit? Was ist eigentlich die Struktur einer Galerie? Wie hat sich Galeriearbeit in den letzten Jahren verändert? Alles das werden wir in einer breiter ausgelegten Publikation im März nächsten Jahres darlegen.