Gilbert und George, Ihre neue Berliner Ausstellung versammelt Bilder, die aus Postkarten bestehen. Eines der Motive zeigt die Kutsche der britischen Königsfamilie vor dem Buckingham-Palast. Sie haben dabei nicht an die Hochzeit von William und Kate gedacht, oder?
Nein. Für die Auswahl der Motive gab es zwei Kriterien. Das eine: In jeder Postkarte musste eine englische Flagge vorkommen. Dadurch haben wir ein riesiges Repertoire an Motiven erhalten, die Künstler normalerweise nicht beachten würden, sondern eher Touristen oder gewöhnliche Menschen. Zweitens: Es durften keine langweiligen Bilder sein.
Wären Sie gerne bei der Hochzeit dabei?
Es wäre eine Ehre, eingeladen zu werden – auch wenn wir hätten absagen müssen, da wir ja nicht einmal in London sind, sondern unsere Ausstellung in Berlin eröffnen. Aber wir freuen uns schon sehr darauf, zur Coming-out-Party von Prinz Harry eingeladen zu werden. Wir wissen nicht, ob sie in Westminster Abbey stattfinden wird. Aber es wird sicher ein rauschendes Fest.
Werden Sie die Hochzeit von William und Kate am Fernseher verfolgen?
Selbstverständlich. Es wird eine sehr glamouröse Veranstaltung. Es gibt verschiedene Spielarten des Glamours: den Glamour des Kinos, des Theaters oder der Kleidung, und es gibt den Glamour einer Hochzeit. Ganz England steht Kopf. Gerade auch die jungen Leute interessieren sich für die Hochzeit – es ist „in“. Als wir jung waren, musste man gegen das Establishment sein, inklusive den Royals. Heute aber heißt Anti-Establishment, dass man gegen teuflische Regime in Iran oder Libyen protestiert. Die Monarchie dagegen wird als etwas Positives gesehen, sie gilt nicht mehr als Teil des Establishments.
Früher haben die Adelsgeschlechter untereinander geheiratet. Kate Middleton stammt aus der Mittelklasse. Ist der Preis für die steigende Beliebtheit beim Volk abnehmender Glamour?
Ein niederländischer Bekannter erzählte uns neulich ganz stolz, dass Königin Beatrix zu dem gleichen Supermarkt gehe wie er selbst. Wir sagten: Mach die keine Sorgen, wir werden niemandem davon erzählen, dein Geheimnis ist bei uns sicher. Aber er hatte es ganz ernst gemeint. Wir würden niemals im gleichen Supermarkt wie die Queen einkaufen wollen. Und glücklicherweise herrscht in Großbritannien nach wie vor eine beachtliche Distanz zum Königshaus. Und das trotz der massiven Skandale der letzten Jahre.
Das war Stoff für eine Daily Soap.
Diana im Bett mit einem Ägypter! Abgehörte Sex-Telefonate von Charles! Aber auf eine verquere Art hat sie das noch berühmter gemacht.
Haben Sie einen Lieblingsroyal?
Prinz Harry und natürlich Charles.
Warum Charles?
Er ist ein komplexer Mann. Er hat mit Pflanzen gesprochen, als die Umweltbewegung noch in den Kinderschuhen steckte. Er interessiert sich für Architektur …
Ein großer Freund der Moderne ist er nicht.
Natürlich, aber man muss das differenziert betrachten. Es ist ja wirklich nicht jeder zeitgenössischer Bau gut. Wir haben Sir Norman Foster neulich gefragt: Wie gestaltet man eine moderne Stadt, in der Menschen sich tatsächlich bewegen und Zeit verbringen wollen. Die meisten versprühen ja den Charme einer Autobahn. In London gibt es diesen neugebauten Stadtteil Canary Wharf – wir würden da niemals hingehen.
Sie haben vor vielen Jahren beklagt, dass man in der Kunstwelt kein Konservativer sein dürfe. Sie sagten: „Links gleich gut. Kunst gleich links. Popstars und Künstler sollen originell sein. Aber wie kommt es dann, dass alle die gleiche Meinung haben? Wir bewundern Margaret Thatcher. Sie hat eine Menge für die Kunst getan.”
Margaret Thatcher hat die freie Marktwirtschaft in Großbritannien eingeführt. Vor ihr konnte niemand Kunst kaufen, mit ihr etablierte sich ein System, dass es Menschen erlaubt, Kunst zu kaufen. Hinzu kommt: Es gab vor unserer Generation kaum Künstler in England. Die waren alle als Lehrer angestellt, gingen dann in Rente und wurden Alkoholiker. Künstler kamen ausschließlich aus kapitalistischen Ländern wie den USA.
Ihre Anfänge fallen in die späten 60er-Jahre, als sie entschieden, sich zu „lebenden Skulpturen“ zu erklären, ihre Existenz zum Kunstwerk zu machen. Das war die Zeit von Fluxus und Happenings, von Performance- und Konzeptkunst …
… und wir haben sie alle überlebt!
Sie haben sich nie als Teil dieser Bewegungen gefühlt?
Das war uns alles zu formalistisch. Wir wollten Emotionen in die Kunstwelt holen. Und wir glauben auch nicht, dass diese Kunst – trotz ihres Anspruches – sehr demokratisch war. Du konntest diese Arbeiten nicht deiner Mutter zeigen. Du konntest sie nicht in Asien oder Afrika zeigen. Sie sprach nur einen winzigen Zirkel Eingeweihter in New York, Paris, Düsseldorf an. 99 Prozent der Weltbevölkerung war ausgeschlossen – wir wollten mit unserer Kunst stets möglichst alle Menschen erreichen.
Sie haben damals auch gesagt: „Der Sozialismus will, dass alle gleich sind. Aber wir wollen anders sein.” Braucht eine Gesellschaft eine Elite? Und ist der Adel diese Elite, oder glauben Sie an die moderne Idee der Kunst als Avantgarde?
Kunst ist in erster Linie ein Weg, sich selbst zu befreien. Und darüber verändert Kunst die Welt, oder nicht? Ein Künstler hat das Privileg zu äußern, was er der Welt von heute sagen will. Die Kirche hat die Welt nicht geändert, die Politik nicht, sondern die Möglichkeit, kreativ zu sein.
Dann müssten Sie es doch mit dem Fluxus-Protagonisten Joseph Beuys halten: Jeder Mensch ein Künstler.
Daran glauben wir nicht. Wir glauben an Talent und Begabung. Schon deshalb, weil sie in der Bibel nicht erwähnt sind. Jesus mochte niemanden, der intelligent oder clever war. Er umgab sich mit den Blinden, Tauben, Stummen – da ist doch was verkehrt. Intelligenz ist wichtig. Junge Menschen haben Talente, aber ihnen muss gezeigt werden, wie sie sie umsetzen können.
Ihr Motto wäre eher: Jeder Mensch ein Gentleman?
Sich zu benehmen, ist die einzige Religion.
Galerie Arndt, Berlin, 30. April bis 27. August, Eröffnung am 29. Apri, 16-21 Uhr. Bis zum 22. Mai ist auch in den Deichtorhallen in Hamburg die Ausstellung „Jack Freak Pictures“ zu sehen