Paul Chan über Saddam Hussein

Zynismus ist relativ

Es sei, sagte der Künstler Paul Chan am Rand der Documenta 13 im Mai, einer der verstörendsten Texte gewesen, den er je gelesen habe. Ein Freund hatte dem Friedensaktivisten Chan, der in den 90er-Jahren mehrmals für eine Menschenrechtsorganisation in den Irak gereist war, die Essays des Diktators geschenkt – als Scherz. Chan fand sie wieder, nachdem Saddam hingerichtet worden war und ein Selbstmordattentäter den Buchmarkt in Bagdad zerstört hatte. Plötzlich war alldem auch nicht mehr das dunkelste bisschen Humor abzugewinnen.

Saddam Hussein hielt die hier verschriftlichten Vorträge zwischen 1977 und 1978, ein Jahr bevor er Präsident wurde. Weder versprach er Demokratie in diesen Reden, noch machte er je Anstalten, sie in seinem Land zuzulassen. Es sind eher taktische und zum Teil hinterlistige, komplett unethische Gedanken darüber, welche Vorteile ein scheinbarer Demokratisierungsprozess haben könnte, nach außen und nach innen.

„Man kann nicht gleichzeitig Krieg und Demokratie haben“, erklärte die rechte Hand, Premierminister Tarik Asis, Chans eingeschüchterter Delegation bei einem Treffen 1999. Saddams Texte selbst sind zynisch und unerfreulich zu lesen, doch das Buch ist in mehrerer Hinsicht eine Entdeckung – vor allem die Wiederentdeckung Paul Chans als politischer Künstler. Hatte er doch nach der Documenta 13 seine Fans etwas ratlos zurückgelassen mit bemalten Buchdeckeln. Am überraschendsten aber ist, wie gut er schreibt. Man wünscht sich sein Vorwort augenblicklich als längere Erzählung.

Paul Chan (Hrsg.), Saddam Hussein: „On Democracy“. Auf Englisch. Deste Foundation/ Verlag der Buchhandlung Walther König, 135 Seiten, circa 12 Euro, ab Anfang Dezember