Im Rücken der Alten Pinakothek ein Bauzaun mit Namenszügen in weißen Großbuchstaben: Dürer, Poussin, Rubens, Rembrandt. Philipp Messner stand kürzlich davor und erzähle Bernhart Schwenk, Kurator an der Pinakothek und Mitglied jener Jury, die für sein Projekt stimmte, was er vorhat: Unmittelbar vor dem Bauzaun wird er drei Schneekanonen installieren lassen. "Clouds" nennt er sein Experiment.
Der Künstler will - auf Anregung des Münchner Kulturreferats - ein Schneefeld anlegen, mitten im Münchner Kunstareal: nicht ganz in Weiß, sondern blau, gelb, rot. Lebensmittelfarben wird er dem Wasser-Druckluft-Gemisch beimengen. "Als ich das Projekt erstmals in den Dolomiten getestet habe, war ich völlig perplex von dem Ergebnis", erzählt Messner.
"Ich war umgeben von einer völlig beschneiten Landschaft, und als ich dort mit farbigem Schnee arbeitete, hatte ich das Gefühl, jetzt wird dieser Kunstschnee als solcher echt, weil er sich jetzt neben dem Naturschnee voll und ganz als künstlich zeigt, völlig unverstellt. Diese beiden unterschiedlichen Schneefelder unmittelbar nebeneinander – das fühlte sich an wie Wechselstrom. Das hat mich fasziniert."
Wie das Feld als liegendes und zu drei Seiten von Asphalt – mehrspurigen Straßen – gerahmtes Schneebild am Ende aussehen wird, wie sich die Farben mischen werden, hängt von vielen Faktoren ab. Vor allem von unberechenbaren: woher der Wind weht und wie kalt es sein wird. Denn das Experiment funktioniert nur bei höchstens drei Grad über dem Gefrierpunkt und gleicht daher einer Versuchsanordnung mit völlig offenem Ausgang. Falls es zu warm ist, stehen im Januar also nur drei ebenso martialische wie stumme Maschinen auf der grünen Wiese. Kalkulierter Kontrollverlust. Trotz aller technischen Finessen legt das Projekt Grenzen menschlicher wie technischer Möglichkeiten offen, ähnlich wie auch die alpine Wintersportindustrie die Fährnisse der Natur zwar zu beherrschen versucht, aber dennoch von den Naturgesetzen abhängig bleibt.
Mit ausgestrecktem Arm fährt Messner eine Kante der Wiese entlang, wo die Zufuhr von Elektrizität und Wasser verlaufen soll. Dass die Leitungen sichtbar bleiben, ist Teil des Projekts, meint Bernhart Schwenk: "Es gehört zur Aktion, zu sehen, dass es hier auch um Arbeit geht, um eine Arbeit des Bedienens von Maschinen und des Produzierens."
Philipp Messner, geboren 1975 in Bozen, hat bei den Arte-povera-Meistern Michelangelo Pistoletto und Giuseppe Penone studiert. Als Künstler interessiert er sich dafür, wie das Virtuelle unsere Wahrnehmung ändert, er sieht künstlerische und wissenschaftliche Forschung als Einheit.
In seiner Heimat, den Dolomiten, wurden im Lauf der 90er- und Nullerjahre so viele Beschneiungsanlagen installiert, dass man mittlerweile vom Gipfel komplett über artifiziellen Schnee ins Tal fahren kann. Zurück im Atelier, klickt sich der Künstler im Internet durch den Folder einer Firma, die maßgeblich die Pisten in Südtirol bestückt. Mit ihr verhandelt er gerade. Stößt er mit seinem Konzept in Zeiten von Klimakonferenzen und Energiewende bei seiner Anfrage auf Widerstände, wie es etwa Ai Weiwei jüngst beim dänischen Spielzeughersteller Lego erlebte, als er ankündigte, mit den Spielsteinen die Porträts von Bürgerrechtlern nachzubauen? "Die wussten genau, was ich vorhabe, also auch um die kritische Komponente. Aber ich denke, die überlegen auch, ob sie die Idee für sich oder die Touristiker nutzen könnten." Verständlich, denn wie die Fotos aus den Dolomiten dokumentieren, lebt das farbgetränkte Schneefeld auch von einer sehr poetischen Dramaturgie. Auf den ersten Blick jedenfalls.