Mode-Ausstellung: Alexander McQueen

Wiederauferstanden in New York

Man hätte ihn für eine Mischung aus Damien Hirst und Vivienne Westwood halten können: einen Briten, der mit viktorianischem Zinnober, Totenköpfen und Sadomaso die Reflexzonen des Modepublikums (Empire! Sex! Tod!) massierte. Dann nahm Alexander McQueen sich, nur 40-jährig, 2010 das Leben. Im Frühling erstand er engelhaft wieder auf, das Brautkleid von Kate Middleton war von seiner engen Mitarbeiterin Sarah Burton designt worden. Wenige Tage nach der Hochzeit eröffnete im Metropolitan Museum eine Retrospektive auf McQueen. Wer sie sieht, denkt danach nicht nur anders über ihn, sondern über Couture an sich.

Mode ist selten ein Geständnis oder Psychogramm ihrer Schöpfer, in den wenigsten Fällen wäre das überhaupt interessant. Anders bei Alexander McQueen. „Meine Kollektionen sind immer autobiografisch, sie entstehen aus meiner Sexualität und meiner Persönlichkeit“, lautet eines seiner zahlreichen Zitate im hervorragenden Katalog zur Ausstellung (Yale University Press, 240 Seiten, circa 30 Euro). „Ein Exorzismus, der mit meiner Kindheit zu tun hat, damit, wie ich das Leben sehe, und damit, wie man mir beibringen wollte, es zu sehen.“ McQueens Lebenslauf gehört bei Ausnahmetalenten fast schon zum Standard: Arbeiterkind, schwul.

Was hat das mit den Gewändern aus Anzuggarn, Federn, Muscheln, Lehm, Blumen oder gehärtetem Leder zu tun? Die massive sexuelle Aufladung der Entwürfe ist hintergründig: Brüste interessieren McQueen nur als Teil einer Rüstung und Hinterteile lediglich als reizvolle Verlängerungen des Rumpfs, den er durch extrem tiefen Hosenbund optisch streckte. (Damit prägte er in den 90er-Jahren einen Look, der immer noch besteht.) Die Obsessionen McQueens wirken subkutan. Er unterwirft den Körper selbst, unterteilt ihn neu, versagt ihm Bewegungen und zwingt ihm andere auf. So hat das vor ihm nur Rei Kawakubo mit Comme des Garçons in Kollektionen getan, die als hyperintellektuelles, dadaistisches Ballett betrachtet wurden.

McQueen ist nicht intellektuell, seine Frauen werden, auch wenn man ihm misogyne Züge vorwarf, nie zu robotischen, oskar-schlemmerschen Figurinen – jederzeit denkbar als Akteurinnen im sozialen Spiel aus Liebe, Tod und Macht. „Ich möchte, dass die Leute sich vor den Frauen fürchten, die ich anziehe“, sagte er. Sich eine scharfe Metallscheibe vor das Gesicht klemmen, in Fetischschuhen trippeln, mit Antilopenhörnern Distanz erzwingen bedeutet: Schmerz, und zwar nicht den romantischen.

Noch aufregender als diese dunkle Lust wirkt die Disziplin, mit der McQueen sie bändigte. Die Entwürfe gehen von der Seitenansicht aus, weil es da die meisten Hürden zu nehmen gibt. So entstehe, sagte er, rundum eine folgerichtige Form. Schon seine Abschlussprüfung war handwerklich perfekt, geschult auf der Londoner Savile Row.

McQueens größte Begabung war jedoch sein Gefühl für Stofflichkeit. Er konnte Roben aus Entenfedern aussehen lassen wie Panzer, ein Kleid aus scharfkantigen Langmuscheln wie Flaum. Seine hochexperimentellen Materialien – etwa auch Menschenhaar, Tierpräparate und Bugholz – muten in den Entwürfen an, als seien sie die einzig möglichen. Dieses Gespür für das Richtige zeigt in der umwerfend inszenierten Schau ein bewegtes Hologramm: Kate Moss erscheint aus dem Nichts als schwebender Körper ohne Substanz, dreht sich in fliegenden Organzaschleiern wie weißer Rauch und verschwindet wieder. Alexander McQueen wollte uns damit vielleicht das Schönste zeigen, was wir je gesehen haben. Oder aber den Tod.


Metropolitan Museum, New York, bis 31. Juli