Kai 10 - Raum für Kunst

Widerstand gegen die Zeit

„Mind the Gap“ heißt die aktuelle Gruppenschau im Kai 10. Die Durchsage an den Stationen der U-Bahn, die Lücke zwischen Waggon und Bahnsteig unfallfrei hinter sich zu lassen, gibt die Richtung für die vier gezeigten Künstler vor. Nicht alle erreichen das von den Kuratoren Zdenek Felix und Ben Kaufmann anvisierte Klassenziel. Die Lust am spielerischen Grundton ist aber durchgehend zu spüren.

Die Beiträge sollen den Einbruch der Kunst im Alltag bespiegeln und das Reale auf eine andere Ebene heben. Die Strategie von Barbara Wüllenweber leuchtet auf Anhieb ein: Die Fotografin hat ihre Skaterporträts von 1989 an Holztafeln im Gang befestigt. Eine Stolperfalle, die just in den sozialen Raum betörend schwitzender Teenagerkörper entführt. Die Wandmalerei von Berthold Reiß könnte aus einem James Bond-Schattenvorspann stammen, so arabesk recken sich die Frauenkörper. Altägyptisches gibt sich ebenfalls zu erkennen.

Nur die besagte Lücke tut sich nirgendwo auf. Alexander Wolff begegnet ihr immerhin auf Augenhöhe. Die Materialien für seine Wandcollage stammen aus der Düsseldorfer Kunstakademie und von der Straße. Sie bekommen im Kai 10 eine neue Heimat als Füllmaterial einer Wand, die zuvor eingerissen wurde.

Das Rendezvous zwischen Andy Hope 1930 und FM-2030 zwingt den Blick nach unten und setzt den stärksten Akzent. An den begehbaren Vitrinen führt dank eines künstlichen Nadelöhrs kein Weg vorbei. Sie beherbergen futurologische Bücher, die in ihrem Optimismus anrühren. Das Unbehagen an der eigenen Endlichkeit trieb FM-2030 zu kuriosen Lösungen. Hinter dem Kürzel verbirgt sich der Schriftsteller Fereidoun M. Esfandiary. Der Sohn eines iranischen Diplomaten gab sich einen Namen, der seine Herkunft und das Geschlecht verschleierte. 2030 glaubte der Krebskranke, die Biologie überlisten zu können. Er ließ sich auf Eis legen und harrt bis heute in Arizona dem ewigen Leben entgegen.

Im Comic-Paralleluniversum von Andy Hope 1930 alias Andreas Hofer ist es ihm längst sicher. Immerhin möchte dieser seine Arbeiten als „Widerstand gegen die Zeit“ verstanden wissen. Herausgefordert fühlt sich auch der Betrachter, der den Drang verspürt, interaktiv das Panzerglas zu zerschmettern und die aufs Schönste utopischen Devotionalien an den Rezipienten zu bringen. Doch sei's drum, die Lückenbotschaft sollte nicht mit Hierarchiezersetzung verwechselt werden. Der Schriftzug „Mind the gap“ winkt aus gutem Grund am Ausgang zum Abschied.

Kai 10, Düsseldorf, bis 16 Juli