Wenn das Velázquez wüsste!

Im Dorotheum steigen die Memphis-Designer in den Ring

Verbeult, aber nicht unbequem: Sein „Crushed Love“-Sitzobjekt schuf der Koreaner Gimhongsok im vergangenen Jahr. Zur
Designauktion am 23. November im Dorotheum wird eines von acht Exemplaren versteigert. Für einen Schätzpreis zwischen 45 000 und 55 000 Euro sollte das Möbel einen Liebhaber finden, ebenso wie Arbeiten der Memphis-Designer Ettore Sottsass und Masonori Umeda. Umedas Sitzlandschaft „Tawaraya“ ist einem Boxring nachempfunden (auf 18 000 bis 24 000 Euro geschätzt). 1981 nahmen darin übrigens alle Memphis-Mitglieder zum Gruppenfoto Platz.
Wer es zarter mag, setzt auf die Silberauktion am 22., die Juwelenauktion am 24. oder die Jugendstil-Auktion am 25. November. Ein silbernes Tintenfass (25 000 bis 35 000 Euro) schuf Koloman Moser, der mit einem Selbstbildnis von 1915 auch bei der Versteigerung moderner Kunst vertreten ist. Doch am 24. November stehen italienische Werke in der ersten Reihe: Zwischen 100 000 und 150 000 Euro sollte dem Kenner ein römisches Stillleben aus den frühen 40ern mit den Kuppeln der Peterskirche im Hintergrund wert sein. Unübersehbar war der Maler Gino Severini vom Kubismus beeinflusst. Emilio Vedova, Anselm Kiefer und Graham Sutherland sind die Künstler der Auktion zeitgenössischer Kunst am 25. November. Zwischen 250 000 und 300 000 Euro werden für das Toplos erwartet: 1986 porträtierte Andy Warhol die Modemillionärin Giuliana Benetton.



Fotografie geht immer, davon ist man bei Van Ham überzeugt

Gerhard Richter ist der unangefochtene Star der Auktion mit moderner und zeitgenössischer Kunst im Hause Van Ham. Geschätzte 200 000 bis 300 000 Euro dürfte sein Werk „641/1“ bei der Versteigerung am 2. Dezember einbringen. Es stammt aus dem Jahr 1987, als Richter sich auf eine abstrakte, farbig-expressive Ästhetik konzentrierte. Im etwa 50 mal 70 cm großen Gemälde dominieren die tiefen Grüntöne, die Richter mittels verschiedener Techniken erzielte. Sein Malerkollege Wilfredo Lam (1902–1982), ein Freund Pablo Picassos, ist hierzulande wenig bekannt. Ein Blick auf das späte Bild „Ohne Titel“ des Kubaners lohnt aber allemal (Schätzpreis 55 000 bis 80 000 Euro). Es zeigt deutlich die Einflüsse der französischen Surrealisten.
Kunstwerke aus dem Umfeld der Gruppe Zero (siehe auch das Interview ab Seite 84) sind bei Van Ham regelmäßig im Angebot. Einmal mehr werden Sammler unter den Arbeiten von Lucio Fontana, Heinz Mack, Yves Klein, Adolf Luther oder Günther Uecker ihr Lieblingsstück entdecken. Eine Gemeinschaftsarbeit von Uecker und Luther lockt zum Schätzpreis von 20 000 bis 30 000 Euro.
Fotokunst erfreut sich auch in wirtschaftlich heiklen Zeiten lebhafter Nachfrage. Am 8. Dezember versprechen Namen wie August Sander, Bernd und Hilla Becher, Floris M. Neusüss oder Irving Penn eine spannende Auktion. Die „Fußballspieler“ hat Andreas Gursky 1984 in Liège aufgenommen. Das rare Zeugnis aus dem Frühwerk des berühmten Fotografen kommt für geschätzte 20 000 bis 25 000 Euro unter den Hammer.


Bei Karl & Faber zeigt Sol LeWitt seine saloppe Seite

nsgesamt 360 Werke deutscher und internationaler Provenienz kommen in den Zeitgenossenauktionen bei Karl & Faber zum Aufruf. Vorn dabei: die Popkünstler Tom Wesselmann und Allen Jones. Letzterer schuf 1988 das Gemälde  „Island Life“, ein in leuchtenden Farben und mit spontanem Duktus gemaltes Bild, das zwischen Ab­straktion und Gegenständlichkeit oszilliert. Es wird auf einen Preis zwischen 6000 und 8000 Euro geschätzt. Tom Wesselmanns Werk „Study for Houses and Bay in the Distance“ entstand 1991 (Schätzpreis 25 000 bis 30 000 Euro). Das Bild zeigt weniger einen individuellen Ort, sondern visualisiert vielmehr die Idee eines kleinen Dorfs an einem Sommertag.
Auf Überraschungen müssen sich die Kunstfreunde bei Sol LeWitt gefasst machen: In seiner Gouache „Cube with Colours Superimposed (Sloppy)“ weicht der Amerikaner von der strengen Präzision seiner plastischen Werke ab. „Sloppy“ lässt sich mit „salopp“ übersetzen: Die Konturen des dargestellten Quaders sind mit der Hand gezogen und die Farbflächen locker aufgetragen (20 000 bis 25 000 Euro). Im Gegensatz zu LeWitt ist der Österreicher Hubert Scheibl als Mann der Farbe bekannt. Das Gemälde „V-Box“ – es wird zu einem Preis zwischen 12 000 und 15 000 Euro aufgerufen – wurde 1994 vollendet. Von Weitem erscheint es als blaues, meditativ-ruhiges Bild, erst aus der Nähe ist der Nuancenreichtum vielfach überlagerter Pinselstriche wahrnehmbar. Die aus monatelangem Malprozess gewonnene Komposition wird sicher ihren Käufer finden.
Attraktiv auch die Lose deutscher Herkunft: Der Neoexpressionist Rainer Fetting ist mit einer Meerlandschaft bei Karl & Faber vertreten („Brandung“, 25 000 bis 30 000 Euro). Das Porträt der Opernsängerin Eva Fleischer (30 000 bis 35 000 Euro) malte Bernhard Heisig, einer der führenden Repräsentanten der DDR-Kunst, im Jahr 1986 – ein glänzendes Beispiel heisigscher Charakterisierungskunst. Der „Ich-Stab“ des 2007 verstorbenen Künstlers Jörg Immendorff steht für seine Aktionen der späten 60er-Jahre. Das Objekt ist in hervorragendem Zustand und kommt mit einem Schätzpreis von 10 000 bis 15 000 Euro unter den Hammer.


Schlingensiefs „Kirche der Angst“ wird in der Villa Grisebach errichtet

Unter der Überschrift „Ausgewählte Werke“ bündelt das Berliner Auktionshaus Grisebach die Höhepunkte des zeitgenössischen Angebots dieser Saison. Für seine düstere Landschaft aus schwarzem Acryl, Schellack und Stroh wählte Anselm Kiefer den Titel „Dein blondes Haar, Margarete“ – eine deutliche Anspielung auf die „Todesfuge“ des Dichters Paul Celan. Damit gehört das 1981 entstandene Bild zur Werkgruppe der um Celan und den Holocaust kreisenden Arbeiten. Ein Preis zwischen 250 000 und 350 000 Euro wird erwartet.
Thematisch das andere Extrem findet man auf dem von Alex Katz gemalten Bild „Ascension“ (2002; Schätzpreis: 200 000 bis 300 000 Euro). Das unbeschwerte Gemälde zeigt eine sportliche Dame mittleren Alters in sonnendurchfluteter Landschaft. Bei dem Modell handelt es sich wahrscheinlich um Katz’ Frau Ada, die häufig auf seinen Bildern vorkommt.
Keinen Geringeren als Joseph Beuys porträtierte Andy Warhol 1980. Die Künstler lernten sich im Mai 1979 in der Düsseldorfer Galerie Denise René/Hans Mayer kennen. Gute Freunde wurden sie nicht, aber ihr Umgang war von Respekt geprägt. Der zum Schätzpreis von 80 000 bis 120 000 Euro aufgerufene Siebdruck geht auf ein Polaroidfoto zurück, das Warhol in seiner Factory von Beuys machte. Das Konterfei wurde auf verschiedene Träger gedruckt, in diesem Fall auf einen Wäschebeutel in grüner Tarnfarbe.
Per Kirkeby, Sigmar Polke und Imi Knoebel sind bei den „Ausgewählten Werken“ ebenso vertreten wie die jüngere deutsche Künstlergeneration. Von Matthias Weischer stammt ein dicht gemalter, koloristisch reizvoller „Wohnwagen“ (50 000 bis 70 000 Euro), von Katja Strunz eines der wandbezogenen Faltobjekte aus Metall (20 000 bis 30 000 Euro). Ihre Präsenz gewinnen Strunz’ Faltarbeiten gerade durch Zurückhaltung und einen beinahe resignativen Charakter.
Am 27. November bietet die Grisebach-Auktion „Kunst des 19./20./21. Jahrhunderts“ die Möglichkeit, Arbeiten von Eberhard Havekost, Jonathan Meese, Jeppe Hein oder Carsten Höller zu ersteigern. Große Aufmerksamkeit ist der „Church of Fear“ gewiss, einem Miniaturmodell der Kapelle, die der jüngst verstorbene Christoph Schlingensief auf der Venedig-Biennale 2003 aufstellen ließ. Der Schätzpreis liegt zwischen 12 000 und 15 000 Euro.


Bestrickendes von Rosemarie Trockel im Kunsthaus Lempertz

Zu den Losen der Fotoauktion im Kunsthaus Lempertz am 2. Dezember gehören nicht nur Arbeiten jüngerer Zeit, sondern auch Werke der klassischen Fotografie. Erlesene Schwarz-Weiß-Werke von Paul Strand, Alfred Eisenstaedt oder Man Ray lassen die Sammlerherzen höher schlagen. Zu einem Schätzpreis von 2500 Euro kommt „Madame D. im Profil“ von Umbo unter den Hammer. Das formatfüllende Porträt einer Frau, die dem Betrachter einen auffordernden Blick zuwirft, stammt aus den späten 20er-Jahren. Es handelt sich um ein Meisterwerk aus Umbos Frühzeit.
Aus der Nachkriegszeit stammen drei För-derturm-Arbeiten (jeweils vier Bilder in einem Rahmen) von Bernd und Hilla Becher (je 20 000 bis 25 000 Euro). 15 000 Euro sollte den Sammlern eine von drei Fotoarbeiten des jüngst verstorbenen Künstlers Sigmar Polke  wert sein, ein unscharfes Schwarz-Weiß-Bild von geheimnisvoller Wirkung.
Am 4. Dezember findet bei Lempertz die Abendauktion mit moderner und zeitgenössischer Kunst statt. Zu den Toplosen zählen Wilhelm Lehmbrucks anmutige „Büste der Knienden“, etwa zwischen 1912 und 1914 entstanden, und Pablo Picassos Tuschezeichnung „Femme et jeune garçon nus“ von 1969. Für beide Arbeiten müsste der erfolgreiche Bieter schätzungsweise zwischen 500 000 und 600 000 Euro berappen, während Alexander Rodtschenkos „Konstruktivistische Komposition“ von 1919 schön, aber auch erschwinglich ist (Schätzwert: 35 000–40 000 Euro).
Zum Schätzpreis von 380 000 bis 400 000 Euro wird auf der Zeitgenossenauktion vom 4. Dezember wiederum eine Arbeit von Sigmar Polke aufgerufen. Auf dem Mischtechnikbild von 1993 „Ohne Titel“ dominiert ein Stillleben mit Flasche und Gläsern, das sich in blauen Rasterpunkten auflöst. Rosemarie Trockel hat eine „Hommage auf Bridget Riley“ aus Wolle stricken lassen, deren Muster die berühmten Streifenbilder der britischen Op-Art-Künstlerin zitiert (100 000 bis 140 000 Euro). Konrad Klaphecks „Vollkommene Dame“ von 1968 (60 000 bis 70 000 Euro) dürfte für Sammler sicher Objekt der Begierde sein, obwohl der so schlicht wie elegant gemalte Gegenstand sich als Wasserhahn entpuppt.


Bei Ketterer Kunst stürzt sich Martin Kippenberger in den Stoßverkehr

einem starken Angebot auf, das vom Expressionismus bis zu jüngeren Positionen wie Neo Rauch oder Stephan Balkenhol reicht. Als Spitzenlos unter den modernen Kunstwerken darf Ernst Ludwig Kirchners 1906 entstandene Arbeit „Kinderköpfchen“ gelten. Kirchner hat sich von Vincent van Gogh inspirieren lassen. Einflüsse des Impressionismus und des Jugendstils sind ebenso erkennbar wie die elementar-expressive Komponente des in lichten Farben gemalten Bildes. Die Schätzung liegt bei 600 000 bis 800 000 Euro.
Eindringlich auch die vier Arbeiten der Malerin Gabriele Münter, an deren Spitze eine „Landschaft mit Haus in Oberau“ steht (200 000 bis 300 000 Euro), die zwischen 1908 und 1912 entstand, in einer Zeit der künstlerischen Wende für Münter. Erstrangige Arbeiten von László Moholy-Nagy, Conrad Felixmüller, Emil Nolde und Christian Rohlfs komplettieren das Angebot aus der Zeit der Moderne.
An der Spitze der angebotenenen Kunst nach 1945 rangiert Martin Kippenbergers dreiteiliges Ölgemälde „Kleiner Verkehr (Kreuzung Hauptstraße-Gerwigstraße, St. Georgen) – nach Witzleben links – Capri Nr. 8“ mit einem Schätzpreis von 250 000 Euro. Kippenberger bricht mit den Charakteristika des Triptychons, indem er keine der drei Szenen zum Zentrum des Werks erklärt. Allein die Motivik von Verkehr und Unterwegssein verbinden die Teile miteinander.
Neben Künstlern wie Sol LeWitt, Anish Kapoor oder Julian Schnabel verdient Richard Hamilton die Aufmerksamkeit der Bieter. Seine Radierung, eine Hommage auf Picasso (Schätzpreis: 12 000 Euro), deutet das Motiv der „Las Meniñas“ von Velázquez um und stellt Picasso an Velázquez’ Stelle an die Staffelei. Die Hofdamen werden durch Figuren aus dem reichen Schaffen des Spaniers ersetzt und geben so einen würdigen Ausblick auf dessen weitreichendes Œuvre.
Ein Fest der Farbe verspricht das 1994 entstandene Ölgemälde „Yugi“ des japanischen Action-Painters Kazuo Shiraga, das für einen geschätzten Preis von 80 000 bis 120 000 Euro unter den Hammer kommen soll.