Die Begrüßung zur Schau übernimmt das ikonische schwarze Vinyl-Kostüm, das der japanische Designer Kansai Yamamoto für David Bowies „Aladdin Sane“-Tour von 1973 entwarf – und auf den ersten Blick denkt man, das sei eine Replik aus dickem Plastik statt ein Kostüm, in dem sich ein Mensch bewegen soll. Es sei auch äußerst unbequem und heiß gewesen, hat Bowie später gesagt – aber auch total unmöglich und provozierend. Und damit genau das, was er wollte. Denn David Bowie, als David Robert Jones 1947 in London geboren, ist nicht einfach ein Popsänger: Alles, was er tut, folgt einem umfassenden Willen zur Ästhetisierung. Bühne, Kostüm, Image, Schauspielkunst, all das spielt zusammen in komplexen Inszenierungen – man könnte sich keinen Popstar denken, der besseres Material für eine Ausstellung hergeben könnte.
Die Kuratoren des Londoner Victoria & Albert Museums, die diese Schau umgesetzt haben und in London zeigten, bevor sie jetzt nach Berlin wanderte, mussten auf Bowies direkte Kollaboration dabei verzichten – was ihnen am Ende sogar ganz lieb gewesen sein dürfte, denn der Sänger ist bekannt für seinen Perfektionismus und hätte die Arbeit sicher nicht leichter gemacht. Aber auf Bowies privates Archiv durften sie zugreifen.
Was sie davon in der Ausstellung zeigen, dürfte leidenschaftliche Fans in Schnappatmung versetzen: handschriftliche Songtexte (die Schrift wirkt noch am wenigsten exzentrisch an diesem Menschen), private Briefe, selbst erstellte Zeichnungen und Gemälde – in seiner Berliner Phase kopierte er gern den melancholischen deutschen Expressionismus, und gar nicht mal so schlecht – und sogar die Schlüssel zu der Hauptstraße 155 in Berlin Schöneberg, wo Bowie 1976 bis 1978 wohnte.
Aber trotzdem ist die Schau beileibe nicht nur was für Devotionalienverehrer. In einem der zahlreichen Dokumentationen und Filme, die in der Schau zu sehen sind, sagt der Musiker-Kollege Gary Kamp im Zusammenhang mit Bowies berühmter Kunstfigur Ziggy Stardust: „Das war ein Stück Konzeptkunst, hervorgebracht von Populärkultur“. Eine gute Beschreibung von Bowies Strategie - wobei die Art Konzeptkunst, die man mit der finanzstarken Entertainment-Industrie im Rücken hervorbringt, einem mit ihren in rasender Geschwindigkeit wechselnden Stilen und Konzepten schon mal schwindlig werden lassen kann. Bowies Coverentwürfe, Bühnendesigns und Outfits präsentieren nicht nur Entwürfe der jeweils avantgardistischen Modeschöpfer, sie zitieren auch Kunst, mal die Op Art Vasarelys, mal Sonia Delaunays avantgardistisch-grafische Kostümentwürfe aus den 20er-Jahren, die ihrerseits stark an Oskar Schlemmer erinnern, mal die Surrealisten, und natürlich wegweisende Film von „Metropolis“ bis zur „2001 – Odyssee im Weltraum“. Und in einem Fernsehauftritt mit dem Song „The Man Who Sold The World“ performt Bowie in einem Hugo-Ball-artigen Kostüm an der Seite von Klaus Nomi.
Großartig sind auch die Orignalkostüme, von denen hier stattliche 60 zu sehen sind. Ob feminin oder futuristisch, mit Plateau-Sandalen und Sado-Maso-Stiefeln, in Brokat oder Leder: Konstant bleibt hier eigentlich nur die schmale Taille. Wahrscheinlich hat man die Schaufensterpuppen mit Bowies magerer Statur extra anfertigen müssen.
Die thematisch organisierte Schau bemüht sich merklich, mit Bowies Überwältigungsästhetik multimedial mitzuhalten: Überall flimmern Bildschirme, die Formate wechseln beherzt von kabinettartiger Vitrine zum überlebensgroßen Starporträt, der Audioguide, der hier ausnahmsweise mal wirklich zu empfehlen ist, spielt automatisch den Soundtrack zu dem richtigen Exponat und Film ein. Hängenbleiben wird wahrscheinlich jeder woanders: am Berlin-Kapitel, das für die hiesige Station erweitert wurde, an den erhellenden Ausführungen zur Cut-Up-Technik, die Bowie für seine Texte nutzt. Oder einfach nur an den großartigen Videos.
Eines der besten stammt erst aus dem vergangenen Jahr: In dem Film zu „The Stars are Out tonight“ spielt David Bowie mit Tilda Swinton ein alterndes, spießiges Ehepaar, sexuell bedrängt von einem jungen, weiblichen Bowie-Lookalike. Irgendwann sieht natürlich auch Tilda Swinton deutlich mehr wie Bowie aus als er selbst. Es gibt eben nicht einen, nicht zwei, sondern unendlich viele David Bowies. Dass man ein paar davon gleich am Ende der Schau in einer kleinen Bowie-Merchandise-Hölle kaufen soll, tut der Freude für einmal keinen Abbruch.
Martin-Gropius-Bau, 20. Mai bis 10. August