Haus der Kunst

Und immer wieder Krieg

Man wird ja ein wenig misstrauisch, wenn bei Ausstellungen mehr Getöse um den Ort als um die Exponate gemacht wird. Zu oft war die zeitgenössische Kunst in den vergangenen Jahren in Abbruchhäusern zu Gast, in ehemaligen jüdischen Mädchenschulen oder alten Alufabriken, als eindrücklichste Erinnerung der vorigen Berlin-Biennale hat sich ein verwaistes Kreuzberger Kaufhaus eingeprägt. Gelegentlich wird dabei das Gezeigte zur Staffage und kann den Verwundungen, die die Gebäude von echtem Leben und beglaubigter Geschichte davongetragen haben, nichts entgegensetzen.

Auch zu dieser Münchner Vernissage wurden viele Worte über das Wo verloren, weniger über die Werke selbst. Vielleicht weil ein Name fast allen Qualitätsansprüchen schon Genüge tut: Ingvild Goetz. Aus ihrem Repertoire stammt die Videokunst, die nun im Haus der Kunst zu sehen ist. Ingvild Goetz, die renommierteste Sammlerin Deutschlands, als Leihgeberin und Kuratorin – da kann schon mal wenig schiefgehen. Im besten Sinne spektakulär (und ein Lehrstück für alle Kuratoren, die auf der Suche nach dem nächsten Display Ruinen abklappern) ist aber, wie hier Form und Inhalt, Ausstellungsort und Ausgestelltes zueinanderkommen.

Alle 14 Arbeiten finden Bilder für Kriegserlebnisse und Kriegsfolgen, gezeigt werden die Filme im Luftschutzkeller des Hauses der Kunst, dessen Nazivergangenheit in jeder Präsentation aufs Neue mitschwingt. Statt in die opulente, polierte Halle, die den Monumentalismus Hitlers demonstriert, führt die Schau also hinab in eine Gruft des Größenwahns. Dort, das hat die Historikerin Sabine Brantl herausgefunden, wurden ab 1941 Gemälde eingelagert und sollen 1944 tatsächlich Museumsbesucher vor den Bomben Schutz gesucht haben. Zuletzt deponierte die Archäologische Staatssammlung ihre Ausgrabungen in den Räumen.

Tritt man hinein ins muffig-kalte Dunkel, verkehrt sich der Überwältigungseffekt ins Gegenteil. Der Bunker verursacht Beklemmungen. Obwohl die Deckenhöhe ausreicht, duckt man sich, einsam und verloren. Gleich nach der Sicherheitsschleuse nimmt ein Stillleben Sam Taylor-Woods die düstere Stimmung auf. Langsam, aber unerbittlich wird der von ihr arrangierte Obstteller von Schimmel überzogen, zeigt den unaufhaltsamen Verfall alles Lebendigen.

Der Weg ist eng, man geht vorbei an Waschräumen, trüb gekachelt, auf Kopfhöhe hängen Zinkbottiche. In symmetrisch angeordneten Kabinetten links und rechts werden dann die Videos auf den bloßen Beton projiziert, Türen fehlen, die Gesänge von Juan Manuel Echavarrías „Bocas de Ceniza“, was zu Deutsch „Aschemünder“ heißt und der Schau ihren Titel gibt, dringen durch den Gang. Überhaupt: Weil hier auf das übliche Gehänge, das Schaffen von künstlichen Kinoräumen verzichtet und die nackte Historie bespielt wird, grummeln viele Stimmen durchs Gewölbe.

Die Klagen sind so vielsprachig wie die Konflikte regional unterschiedlich. Marcel Odenbach erzählt davon, wie Dorfbewohner in Ruanda nach den Massakern der Hutu an den Tutsi versuchen, mit einem normalen Bauernleben weiterzumachen; Tracey Moffatt thematisiert das australische Foster-care-Programm, bei dem Aborigines ihre Kinder entrissen und weißen Pflegeeltern übergeben wurden, anhand der Hassliebe einer dunkelhäutigen Pflegerin zu der weißen Greisin, um die sie sich kümmert. Es dreht sich um Irland (Willie Doherty), die USA (Harun Farocki), die DDR (Sven Johne) oder den Libanon (Mona Hatoum).

Auch visuell sprechen diese Künstler unterschiedliche Sprachen. William Kent­ridge zeichnet in seinen animierten Kohle- und Pastellwerken eine Meereslandschaft. Ebbe und Flut, Krieg und Frieden – Kommen und Gehen. David Claerbout hat ein Foto aus dem Vietnamkrieg bearbeitet. Es zeigt ein abgeschossenes Flugzeug, festgehalten im Fallen, allein die Sonne verändert sich. Im letzten Raum zerfließen die Grenzen zwischen der Architektur und der Kunst vollends. Auf den Duschboden lässt der Kolumbianer Oscar Muñoz die Porträts von Verschollenen projizieren. Wie in der Erinnerung sind sie zunächst sehr deutlich zu erkennen und verschwinden dann. Bis der Ausguss sie ganz verschluckt.  

Haus der Kunst, München, bis 4. September