Denken Sie sich mal eine Geschichte aus, in der ein Tintenfisch, Kurt Schwitters und Ihr Großvater vorkommen. In Frankfurt kann man jetzt ins Reisebüro gehen und einen Trip buchen, der in genau diese Story führt. "Ideally you would leave everything behind", heißt es am Eingang – idealerweise lassen Sie alles zurück. Das Reisebüro gehört zur Ausstellung "all behind, we'll go deeper, deep down and she will say:" von Laure Prouvost im Frankfurter Museum für Moderne Kunst. Sie ist Teil einer Trilogie, deren erster Teil in Dijon zu sehen war, der dritte wird Ende Oktober in Luzern gezeigt.
Auf dem Teppich sind Flecken von Milchkaffee, in der Ecke steht ein Aquarium. Darin ein toter Tintenfisch und ein Camcorder. Mit Spiegeln lassen sich versteckte Botschaften unter Tischen und auf Schränken entdecken, wie bei einer Schnitzeljagd: "You are almost there."
Hat man alle versteckten Botschaften in Prouvosts Reisebüro entdeckt, geht es in die eigentliche Ausstellung. Dort gibt es fünf Filme auf unterschiedlichen Leinwänden zu sehen. Die Scheiben sind mit orangefarbener Folie abgedunkelt, die Unordnung ist noch größer als im Vorraum. Zertretene Smartphones, Zettel, alles in einer zähflüssig scheinenden, aber dennoch festen Masse. Wo es dunkel ist, das kennt man aus der Kindheit, da ist alles möglich. Unterm Bett wohnen Monster, und wenn die Künstlerin in den abgedunkelten Ausstellungsraum lockt, warten da zwar keine Ungeheuer, aber verborgene Wünsche.
"Get closer to your desire", flüstert Prouvost aus dem Off im Video "Into All That Is Here". Dazu schnelle Schnitte und verwackelte Aufnahmen von Erde, Erdlöchern und wühlenden Händen. Schließlich kommt der Durchbruch. "Drwoning in pleasure", heißt der Untertitel, inklusive Tippfehler. Die Bilder dazu: Einstellungen von Blumen, nackter Haut, Tropfen, als wollte der Film das Sexualleben der Pflanzen und der Menschen feiern.
Die Teestunde mit dem Großvater und Kurt Schwitters kann man in dem Film "Wantee" erleben, für den die 1978 in Frankreich geborene Künstlerin 2013 den Turner-Preis bekam. Vielleicht führt von Schwitters der Weg zu Prouvosts Vorliebe für Environments. Das letzte Werk des (fiktiven) Großvaters, auch er natürlich Künstler, sollte ein Tunnel sein, der vom heimischen Wohnzimmer bis nach Afrika führt. Irgendwann ist er darin verschwunden. Tiefer graben, empfiehlt Prouvost den Besuchern. Dabei geht es wie so oft um den Angriff auf die weiße Museumswand. Die kann man hier aber ohnehin nicht sehen, denn dafür ist es zu dunkel. Die Reise führt in die Psyche. Ist das eskapistisch? Auch nicht mehr als die Urlaubsreisen, die man so bucht.
Prouvost verspricht viel, zum Beispiel in "How To Make Money Religiously": "Even reading this will make your richer" – das möchte man ihr gerne glauben, genauso wie man den E-Mails von nigerianischen Prinzen glauben möchte, die ungeahnten Reichtum versprechen. Bloß: Wenn solche Träume wahr werden, sind es meistens doch eher Albträume.