Kunstmesse Brafa in Brüssel

Silber, Surrealismus und Basquiat

Die Brafa in Brüssel ist eine Messe, auf der es so ziemlich alles von Malerei über Comics bis zu Tribal Art gibt. Dieses Mal feiert sie 100 Jahre Surrealismus und etabliert sich zunehmend als Alternative zur Tefaf

Von der Hallendecke schweben Wolken. Ein Mann, der ein imaginäres Haus betritt, und eine Leiter, die ins Unendliche aufzusteigen scheint, ergänzen den verträumtem Eindruck. Das 100. Jubiläum des Surrealismus in diesem Jahr stand Pate für das originelle Dekor der Brüsseler Kunstmesse Brafa. Auch die Paul-Delvaux-Stiftung ist deshalb als Ehrengast dabei. Zum 30. Todestag des belgischen Surrealisten ist sie mit einer kleinen Sonderschau vertreten. Daneben finden sich unter den rund 10.000 ausgestellten Werken zahlreiche Bilder von René Magritte, Max Ernst oder Giorgio de Chirico, die das Festjahr in Belgien einläuten.   

Die Galerien sind individuell gestaltet und auf den Charakter des jeweiligen Kunsthauses abgestimmt. An den Tischen empfangen zahlreiche von ihnen am Preview-Abend Gäste der feinen Brüsseler Sammler-Gesellschaft (inklusive einer wohlhabenden EU-Klientel) zu einem fünfgängigen Menü. Als Dank für die monetäre Verbundenheit, aber auch, um die Aussicht auf neue gute Geschäfte hochleben zu lassen.

Hierin ähnelt die Kunstmesse, die im vergangenen Jahr 65.000 Besucher für sich verbuchen konnte, ihrer nur anderthalb Autostunden entfernten "großen Schwester" Tefaf in Maastricht. Mit dem Unterschied, dass dort für eine "solide Geldanlage" auch noch die Superreichen aus Saudi-Arabien und anderen Teilen der Welt mit dem Privatjet einfliegen. Entsprechend höher ist das Preisniveau dieser führenden Kunst- und Antiquitätenmesse. Entsprechend teurer aber auch die Stände, die so manchen Händler zum Umzug ins frankophone Brüssel veranlasst haben. 

"Lohnt sich nur auf einer Messe wie hier"

So auch Willem Rueb von Rueb Modern and Contemporary Art aus Amsterdam, der nach 30 Jahren Tefaf von den weitaus günstigeren Standmieten der Brafa schwärmt. "Wegen der Blue-chip galleries aus New York ist die Tefaf für uns einfach unerschwinglich geworden", sagt der Galerist, der Kunst ab 1945 anbietet. 700 Euro habe er für den Quadratmeter zuletzt in Maastricht gezahlt, in Brüssel seien es nur 250. 

Gleich gegenüber hat das Kunsthaus Kende aus Tübingen seinen Stand. Inhaber Christopher Kende ist zum ersten Mal dabei, weshalb er noch keinen Dinner-Tisch hat. Dafür muss man erstmal einen eigenen Kundenstamm akquirieren. Seine Spezialität ist altes und neues Silber-Design, für das die Brafa neben der Tefaf die bedeutendste Messe in Europa ist. Seine Becher, Milch- und Zuckergarnituren sowie Kaffee-Tee-Services aus Privatbesitz rangieren zwischen 2500 und 32.000 Euro. "High-Preis-Objekte lohnen sich nur auf einer Messe wie hier", weiß der Galerist, "weil auch das Verständnis, der Geschmack und das Geld da sind". 

Sein kostbarstes Werk ist ein Kerzenständer aus Sterling Silber für 87.000 Euro. Für das circa 50 Zentimeter hohe Objekt hat die japanische Künstlerin Nan Nan Liu, deren Arbeiten sich unter anderem im Victoria & Albert Museum in London befinden, ultradünne Silberdrähte aufeinandergelötet und dann unterm Mikroskop mit einem Stichel nachgeschnitten. Zweieinhalb Jahre habe sie dafür gebraucht, so Kende. "Wenn man weiß, wie extrem wärmeleitend Silber ist, weiß man auch, wie leicht eine solch filigrane Arbeit durchbrennen kann und damit irreparabel ist." 

Ikonische Entwürfe für die Wiener Werkstätten

Auch mehrere neue Arbeiten von Ryuhei Sako (Jahrgang 1976) aus Okayama hat er im Angebot. 15 Jahre Zeit hat sich der Japaner genommen, um die höchst komplizierte traditionelle Schmiedetechnik Mokume-gane aus einer Vielzahl unterschiedlicher, dünner Metallschichten zu erlernen, mit der er rituelle Gefäße für die Teezubereitung zaubert. 

Mit seiner Auslage möchte Christopher Kende eine Lanze für die zeitgenössische Silberschmiedekunst brechen. "Ich will damit einer jüngeren Klientel zeigen, was modernes Silber bedeutet. Dass man das nicht mit den 50er-, 60er- und 70er-Jahren vergleichen kann, die heute immer noch als modern gelten, sondern dass es etwas gibt, von dem man schon allein vom technischen Aspekt her überhaupt keine Ahnung hat." 

Kende ist einer der wenigen Galeristen, die auch einige Objekte des Wiener-Moderne-Architekten und Designers Józef Hoffmann im Angebot hat, dem das Museum für Kunst und Geschichte im Brüsseler Jubelpark zeitgleich eine Ausstellung widmet. Die im Museum zu sehende "Efeu gebuckelte Silbervase" ist einer der ikonischen Entwürfe Hoffmanns für die Wiener Werkstätte, die selbst heute noch außergewöhnlich modern wirken. Bei Kende ist die Vase für 18.500 Euro zu haben.

Von Cobra bis Tribal Art

Der Tübinger ist einer von einer Handvoll deutscher Galeristen, die auf dieser 69. Auflage der Brafa vertreten sind. Die meisten der insgesamt 132 Aussteller kommen aus den Niederlanden, Frankreich und Belgien, da aus Brafa-Sicht hier die potenziellen Sammler sitzen. Erstmals ist auch eine Galerie aus Dänemark (Secher Fine Art & Design) dabei, die, wie Galeristin Alice Secher mutmaßt, wegen ihres Cobra-Schwerpunkts eingeladen wurde. 

Denn die Künstlergruppe war besonders erfolgreich in Belgien und den Niederlanden, wo es für diese Strömung auch heute noch viele Käufer gibt. "Im Gegensatz dazu ist die Bewegung in Kopenhagen kaum bekannt. Deshalb sind wir hier", sagt Alice Secher. Das Sammler-Paradies macht sich an diesem ersten Tag bereits bemerkbar, an dem die Galerie gleich mehrere Gemälde verkauft. Für das teuerste, "Rasputnik" von Asger Jorn, einem der wenigen dänischen "Cobristen", gibt es für 375.000 Euro ebenfalls schon Interessenten. 

Aus Luxemburg angereist ist die Galerie Zidoun-Bossuyt, mit Dependencen in Dubai und Paris. Sie hat das Gemälde "Blue Skies" aus dem Jahr 1985 von Jean-Michel Basquiat im Gepäck, das als "absolutes Highlight" der Messe angepriesen wird. Aber auch der junge kongolesische Künstler Eddy Kamuanga wird neuerdings von ihr vertreten. 

Margiela im Mittelpunkt

Geradezu lustig geht es bei Huberty & Breyne (Brüssel/Paris) zu. Die auf Original-Comics spezialisierte Galerie kann mit Arbeiten von Philippe Geluck im Comic-Land Belgien punkten. Bei der Bernier/Eliades Gallery (Athen, Brüssel) hingegen steht der renommierte belgische Modedesigner Martin Margiela mit einer Auswahl an Arbeiten aus unterschiedlichen Medien (Malerei, Skulptur, Installation, Collage, Video) im Mittelpunkt. 

Genau diese Vielfalt ist es, die die Brafa auszeichnet. Ihre mehr als 20 lose durchmischten Themenbereiche reichen von Kunstobjekten aus dem Mittelalter, der Haute Epoque und Renaissance, alten und modernen Gemälden, zeitgenössischer Kunst, Skulpturen, Porzellan und Keramik, Glaswaren, Teppichen und Archäologie bis hin zur Tribal Art. Letztere versetzt hier keinen ins Staunen, da seit Jahren schon diese Art von Kunst zum festen Bestandteil der Brafa – wie auch der Tefaf – zählt. 

Doch während diese auf der Tefaf einer Sektion zugeordnet ist, sind die fünf teilnehmenden Galerien in Brüssel auf der gesamten Ausstellungsfläche der nahe dem Atomium liegenden Expo-Hallen verteilt. Eine von ihnen ist die Pariser Galerie Flak. Zur Brafa hat sie eine einzigartige Sammlung von Dutzenden "Kachina"-Puppen aus der Zeit von 1880 bis 1930 mitgebracht. Daneben zählt die Maske eines Schamanen, angefertigt im 19. Jahrhundert in Alaska, zu den wertvollsten Stücken. Bezüglich des Preises allerdings hüllt sich der junge Galerie-Mitarbeiter in Schweigen. Über Geld wird eben (zumeist) nur in Kreisen derer gesprochen, die es haben.