Jorinde Voigts Buch "Piece for Words and Views"

Semiotik des Unsichtbaren

Einige Turbulenzen, zwei Werther-Hosen und das Herz am rechten, oberen Fleck. Die Liebe, wie Jorinde Voigt sie sieht? Ganz so einfach ist es mit den Werken der Künstlerin nicht. Schon von Weitem wirken die großen Papierarbeiten zwitterhaft – präzise wie eine Bauanleitung, sinnlich wie eine Kinderzeichnung. Wer näher herantritt, verirrt sich in einem Geflecht von Linien, Kringeln und Notationen. Umso kostbarer ist dieses Buch, das Voigts neuen Zyklus „Piece for Words and Views“ vorstellt.

In einem klugen Essay führt der US-Kritiker John Yau in das Werk ein. Er erklärt, wie Voigt sowohl tatsächliche als auch fiktive Aktivitäten sichtbar zu machen versucht, etwa den Flug eines Adlers, geografische Richtungen, Windverhältnisse, Rotationen, Küsse oder elektrischen Strom. Voigt befolgt beim Zeichnen strikte mathematische Regeln, Zufall und künstlerische Entscheidung sind ebenbürtige Elemente.

Für „Piece for Words and Views“ hat Voigt den Schwierigkeitsgrad noch erhöht. Statt auf der Wahrnehmung von Farben und Formen basiert die aktuelle Arbeit auf der Lektüre von Roland Barthes’ „Fragmente einer Sprache der Liebe“.

Ein Glück, dass der Verlag Voigts Konzept mit abgedruckt hat. In fast pädagogischem Gestus buchstabiert es aus, wie sich in den 36 Bildern die Kategorien verschieben: Wörter erscheinen als Bilder, Musik als Schrift, Zeit als Partitur. So löst sich beim Betrachter der Knoten. In Voigts nüchternen Collagen entdeckt er das Chaos einer echten Amour fou. 

Jorinde Voigt: „Piece for Words and Views“. Auf Deutsch und Englisch. Hatje Cantz, 80 Seiten, 39,80 Euro