Bibliothèque national de France

Schamlos

Ja, Bücher sind auch böse, aggressiv und verderbt – Gott sei Dank. Man muss das vielleicht mal wieder betonen, denn das durch die digitale Konkurrenz in Bedrängnis geratene Medium mag einem langsam vorkommen wie eine bedrohte Tierart, der man in Reservaten mit Mitleid und Vorsicht begegnen muss.

So ist es nicht hoch genug einzuschätzen, wenn eine zentrale Instanz wie die Französische Nationalbibliothek in Paris dem amerikanischen Künstler Richard Prince einen Raum überlässt, in dem der Büchersammler die Quellen seiner Malerei schamlos offenlegt. Groschenhefte und Comics, Abenteuer-, Schauer- und Liebesromane, zotige Krankenschwesterstorys, pulp fiction also, Schund- und Schemaliteratur. Aber auch Beat- und Hippieshit, Salinger, Capote, Rimbaud, und das alles in den raresten Erstausgaben und unmöglichsten Übersetzungen.

Man erkennt die Hingabe und den Spaß, mit denen der Künstler die Erotik des Buchkörpers in Vitrinen und Bilderrahmen inszeniert. Die Präsentation muss auf die Besucher des rundum misslungenen Bibliothekbaus von Dominique Perrault, die häufig lange anstehen für einen Lesesaalplatz, wie ein lustiges Ferienlager wirken. Dazu trägt bei, dass in der Ausstellung Musik läuft. Bomb the Bass, Belle and Sebastian, Bob Dylan. Das von Prince gemalte Cover einer Sonic-Youth-Platte erinnert daran, dass vor der Produktion die Rezeption steht. Dieser Künstler jedenfalls ist zuerst Fan, dann Künstler.

Richard Prince übersetzt Buchillustrationen in Malerei und verrät damit die schöngeistige Kunstpraxis an die Trivialität. Im Gegensatz zur Pop-Art eines Warhol oder Lichtenstein, die Malerei in Grafik verwandelten, steht bei Prince das Gemälde am Ende in seiner vollen Würde da. In einem Vorraum zur Schau hängt ein großformatiges „Nurse“-Painting. Es ist Malerei mit der ganzen Wucht, Anmaßung und Schönheit der jahrhundertelangen Tradition.

Bibliothèque nationale de France, Paris, bis 26. Juni