Wer hat schon die Chance, dem Außenminister aufs Dach zu steigen? Der libanesische Künstler Said Baalbaki hat das jetzt ein Vierteljahr lang getan. Als Stipendiat des Programms "AArtist in Residence" arbeitete er seit Mai in einem Atelier auf dem Dach des Auswärtigen Amts in Berlin.
"Das war eine sehr intensive Zeit. Ich habe unglaublich viele Menschen kennengelernt und Kontakte geknüpft", erzählt der 43-Jährige. Nach dem Bürgerkrieg in seiner Heimat war er 2002 zum Studium nach Berlin gekommen, seit zwei Jahren hat er einen deutschen Pass. Als "Mittler zwischen Orient und Okzident" sprach ihm die unabhängige Jury für diesen Sommer das Stipendium zu.
Mit dem seit 2016 laufenden Programm will das Auswärtige Amt sein Konzept vorantreiben, angesichts der Globalisierung Innen und Außen stärker zu vernetzen.
"Eine modern verstandene Auswärtige Kulturpolitik dient der Überwindung nationalstaatlichen Denkens", sagt Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). "Sie sucht die Auseinandersetzung mit dem, was andere Gesellschaften bewegt, um wiederum den eigenen Blick zu schärfen."
Bei Baalbaki ist in der Stipendienzeit das Werk "Cookwar(e) 101" entstanden - schon der Titel ein Wortspiel zwischen Küchengerät und Krieg. Aus einfachen Alltagsutensilien wie Pfannen, Töpfen und Löffeln schuf er verblüffend echt scheinendes Kriegsgerät: eine Ritterrüstung aus Blechgeschirr, einen Helm mit einem Visier aus Fleischwendern, einen Schlagstock mit bürstenbewehrten Teeeiern - verschlüsselte Zeichen für die Absurdität von Krieg und Gewalt.
"Ich komme aus einem Bürgerkriegsland, für uns war der Krieg Alltag", erzählt er. "Als Kinder fanden wir unsere Bauernhoftiere blöd. Wir haben mit Plastiksoldaten gespielt und uns Gewehre aus Holz gebaut. Das hat mich geprägt." Heute gehe es ihm darum, in Zeiten des andauernden Krieges "Überlebenswerkzeuge" zu schaffen - immer auch mit etwas Ironie und Augenzwinkern: "Das erhöht die Überlebenschancen."
Kistenweise hat der Maler und Konzeptkünstler dafür sein schräges Material ins streng bewachte Außenamt am Werderschen Markt im Herzen Berlins geschafft - von farblich sortierten Spülschwämmen bis zu den gesammelten Blechdosen seiner Kneipenfreunde im Libanon. "Ich hab' mich gewundert, dass ich mit meinem Hausausweis immer so einfach durch die Kontrolle gekommen bin", sagt er lachend.
Besonders inspirierend war für ihn eigenen Angaben zufolge der freie Blick über die Stadt, die nach Beirut seine neue Heimat geworden ist. Aus den großen Fenstern des Studios geht es nach Süden, unter der umlaufenden Terrasse liegen zum Greifen nah das Berliner Schloss, der Dom und die Straße Unter den Linden, dahinter der Alexanderplatz.
Die Idee zu dem Künstlerprogramm stammt vom einstigen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, wie Anemone Vostell vom Landesverband Berliner Galerien erzählt. Gemeinsam mit Verbandschef Werner Tammen habe Steinmeier schon vor Jahren den damals als Rumpelkammer genutzten 100-Quadratmeter-Raum auf dem Altbau des Ministeriums "entdeckt" und als idealen Standort für eine Künstlerresidenz ausgemacht.
Die beiden Partner teilen sich jetzt auch die Verantwortung. Das Auswärtige Amt zahlt den jährlich drei Stipendiaten jeweils 2700 Euro für ihr Vierteljahr, der Galerienverband ist für die künstlerische und inhaltliche Organisation zuständig. "Wir haben da eine sehr große Freiheit. Das Auswärtige Amt lässt uns völlig freie Hand", sagt Vostell.
Für die Stipendiaten ist der Studioaufenthalt mit öffentlichen Besuchen im Atelier, einer Künstlerpräsentation und einer Ausstellung in der eigenen Galerie verbunden. Baalbaki will dafür im Oktober in der Berliner C&K Galerie zu seinem angestammten Metier, der Malerei, zurückkehren. "Aber erstmal muss ich Pause machen", sagt er. "Vor lauter Hämmern, Schneiden und Nieten habe ich mir eine Sehnenscheidenentzündung zugezogen."