Medienschau

"Berlin steht vor einem Scherbenhaufen"

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Die gekippte Berliner Klausel als kulturpolitisches Desaster, eine rekordverdächtige Berlinale und Techno im Museum: Dies ist unsere Medienschau am Dienstag
 

Debatte

Als ein kulturpolitisches Desaster sieht Swantje Karich in der "Welt" das Scheitern der Berliner "Antidiskriminierungs-Klausel" für Förderanträge, die nun nach Protesten aus der Kunstszene vom Senat zurückgenommen wurde. "Die einen sahen diesen Aufstand als weiteres Zeichen für den grassierenden Antisemitismus, die anderen als wichtiges Aufbäumen gegen die Beschränkung der Kunstfreiheit. Sicher ist: Berlin steht vor einem Scherbenhaufen. Die Szene ist gespalten, die Stimmung verhärtet, Verständigung auf lange Sicht schwierig. Die Klausel hat das Gegenteil dessen erreicht, was sie wollte. Eine späte Erkenntnis: Klauseln bekämpfen keinen Antisemitismus! Sie schränken den Austausch ein." Auch die "Süddeutsche Zeitung" äußert sich dazu: "Unter Berlins Kulturschaffenden ist die Erleichterung und auch die Anerkennung groß", fasst Sonja Zekri die Reaktionen zusammen. "Chialo habe 'Dialogbereitschaft' bewiesen, so die Leiterin einer internationalen Kultureinrichtung. Im Idealfall beginne nun ein zivilgesellschaftlicher Prozess, getragen von Künstlern und Institutionen, 'in dem ernsthaft um Instrumente gegen Antisemitismus gerungen' werde", berichtet Zekri. Unseren Kommentar zum Thema finden Sie hier

Ausstellung

Dass die Techno-Bewegung in nun gleich zwei Museumsausstellung in der Zürcher Photobastei begegnet, sieht Ueli Bernays in der "NZZ" nicht gerade als Beweis für ihre Vitalität: Das Museale sei doch oft nur der Stellvertreter der Lebendigkeit, so Bernays. Die vom Goethe Institut konzipierte Schau "Techno Worlds" findet er dann auch zu hermetisch und für Nachgeborene unverständlich – vor allem fehle die Musik. "The Pulse of Techno" über die Zürcher Szene dagegen gefällt ihm besser, hier werde durch Interview-Videos, technisches Gerät und Fotografien die Geschichte einer Bewegung anschaulicher, die unter anderem früh Schutzräume für die queere Szene geschaffen habe.

Anna Ruhland war für den "Tagesspiegel" im Fotografiska Berlin bei der Ausstellung des senegalesischen Fotografen Omar Victor Diop, der die vergessene Perspektive Schwarzer Menschen in die Fotografie einführen will. Gezeigt wird auch die jüngste Werkgruppe, die sich mit der Klimakrise befasst: "Getragen von Diops faszinierender Mischung aus Kunst-, Mode-, Design- und Porträtfotografie nutzt er Ästhetik und Symbolik, um elementare Botschaften zu vermitteln: Die Schönheit des Planeten ist ein schützenswertes Gut und die Leistungen von mutigen Freiheitskämpfern und widerständigen Heldinnen sind Geschichten, die es zu erzählen gilt", so Ruhland.

In der "Tageszeitung" rezensiert Maxi Broecking die Ausstellung über Meredith Monk im Haus der Kunst in München. Broecking erzählt die Biografie der experimentellen Musikerin und Künstlerin ausführlich nach und beschreibt die einzelnen Kapitel der Münchner Schau.

Film

Susan Vahabzadeh blickt für die "Süddeutsche Zeitung" ins Programm der Berlinale, das seit Montag endlich komplett vorliegt. Sie freut sich auf zwei deutsche Filme im Wettbewerb um den Goldenen Bären, Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde" um Widerständler der Roten Kapelle im Nationalsozialismus und Matthias Glasners "Sterben" mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger. Einen Rekord der mit dieser Berlinale (15. bis 25. Februar) scheidenden Doppelspitze aus Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek hat Vahabzadeh auch zu vermelden: "Dieter Kosslick hatte mit 'A Lullaby to the Sorrowful Mystery' des philippinischen Regisseurs Lav Diaz den mit 482 Minuten bis dahin längsten Berlinale-Film aller Zeiten gezeigt. Chatrian hat nun zur Reihe Berlinale Special die Dokumentation 'Exergue – On Documenta 14' des griechischen Regisseurs Dimitris Athiridis über die Documenta 2017 eingeladen, der mit 14 Stunden noch mal deutlich länger dauern wird."

Das besondere Kunstwerk

Ein inhaltlicher Strang werde sich "durchs Programm dieses Kulturjahres ziehen (...): feministische und queere Positionen", weiß Reinhard Kager, der für die "FAZ" und die Eröffnung des österreichischen Salzkammergut-Festivals nach Bad Ischl gereist ist. Kritisch werde vor allem "die Benachteiligung der Frauen" hinterfragt. Kager skizziert das Projekt "Solange #29" der Künstlerin Katharina Cibulka, die Sätze ausstellt, die mit dem Wort solange beginnen. Auf dem Schutzvorhang des Postgebäudes von Bad Ischl, das gerade restauriert wird, steht etwa geschrieben: "Solang ois bleibt, weils oiwa scho so war, bin i Feminist:in". Die Israelin Sigalit Landau zeigt in einer Gruppenschau im Sudhaus Videos, auf denen Schuhe im Toten Meer versinken. Ebenfalls um Natur und Umweltkrise kreist eine installative Gebirgslandschaft aus sechs Tonnen Salz von Motoi Yamamoto, die laut Kager stärkste Arbeit der Ausstellung "Salz & Wasser".