Medienschau

"Mit jedem gefallenen Soldaten, jeder getöteten Hausbewohnerin stirbt ein Stück ukrainische Kultur"

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Der Streit um den Franz-West-Nachlass geht zu Ende, Orhan Pamuk als Maler und eine Erinnerung an die wirklich wichtigen Kulturkämpfe: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag 

Debatte

Angesichts der albernen "Kulturkämpfe" hierzulande um banale Themen wie Gendersternchen oder Weihnachtsbaum erinnert Kia Vahland in der "SZ" an den wirklichen Kulturkampf in der Ukraine: "Kulturkampf ist dort ein Krieg, in dem es um die eigene Geschichte, Gegenwart und Zukunft geht. Mit jedem gefallenen Soldaten, jeder getöteten Hausbewohnerin stirbt ein Stück ukrainische Kultur. Zudem stürzen Bomben auf Denkmäler, Theater, Kirchen; kürzlich getroffen wurde das Nationale Kunstmuseum in Odessa, ein Haus mit lebhaftem Programm. Die russischen Eroberer plündern und zerstören gezielt Kulturgüter." Die anderen anderen Europäerinnen und Europäer "sollten von der Ukraine lernen, für kulturelle Vielfalt einzustehen, anstatt jede Differenz der Anschauungen und Traditionen innerhalb ihrer sicheren Länder zu dramatisieren. Kultur kann verbinden. Künstlich aufgebauschte 'Kulturkämpfe' dagegen können auch gefestigte Gesellschaften spalten."

Künstler

Der lange Streit um den Nachlass des österreichischen Künstlers Franz West kommt zu einem Ende. Hoffentlich. "Dafür bedurfte es nicht eines oder zweier, sondern sogar dreier Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH)", berichtet Olga Kronsteiner im "Standard". "Das jüngste datiert vom 21. November und zieht nun endgültig 'einen Schlussstrich unter den Erbrechtsstreit', wie die Franz-West-Privatstiftung aktuell auf ihrer Website bekanntgab. Bereits Ende 2020 wähnte man sich exakt am selben Ziel. Schon damals hatte der OGH ein Urteil zugunsten der Stiftung gefällt, die über den 'Umweg' von Franz Wests mittlerweile verstorbener Schwester Anne Gutjahr die Verwaltung des künstlerischen Nachlasses übertragen bekommen hatte. Eine Entscheidung, die im Namen von Wests minderjährigen Kindern jedoch neuerlich bekämpft wurde. Ein letztes Mal." 

Den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk als Maler schaut sich Roman Bucheli in der "NZZ" an: "Er malte, seit er denken konnte. Als Jugendlicher flüchtete er sich in die Malerei, wenn sich die Eltern wieder einmal stritten. In den Bildern fand seine Melancholie einen Widerhall, er bezähmte sie nicht, aber er konnte damit umgehen, indem er sie in Ansichten des untergehenden alten Istanbul malte."

Ausstellung

So geht Dokumentation für alle! Anlässlich seines 300-jährigen Bestehens hat das Belvedere in Wien Materialien zu 626 Ausstellungen, die das Wiener Museum von 1918 bis heute gezeigt hat, online gestellt, Bilder, Katalogtexte Begleittexte!

Charlotte Szász schaut in der "Welt" mit leichtem Befremden auf "Women in Revolt" mit feministischer Kunst der 1970er-Jahre in der Londoner Tate Britain an: "Zum Denken lädt sie leider genauso wenig ein, wie sie eine Ästhetik der aktivistischen Antikunst überzeugend darlegen könnte. Hauptsächlich ist an der Ausstellung interessant, wie sie den Begriff der Frau aus einer Zeit zu rehabilitieren versucht, in der es man sich diesen noch unhinterfragt und selbstverständlich auf die Fahnen schrieb. Offensichtlich spielen die Kuratorinnen provokativ mit der Frage, ob dieser Ansatz noch in unsere Gegenwart passt – oder bereits Geschichte ist in einer Zeit, die LGBTQ-Rechte feiert, das biologische Konzept der Frau aber als reaktionär behandelt."