Medienschau

"Die Frage ist immer noch: Wie weit wollt ihr gehen?"

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Ein niederländischer Kunstdetektiv ist der moderne Indiana Jones, in Italien kippt die Kultur nach rechts und Yoko Onos "Cut Piece" irritiert in der Neuauflage: Das ist unsere Medienschau am Donnerstag


Kunst-Krimi

Wenn die Behörden nicht weiter wissen, wird er gerufen: Der niederländische Kunstdetektiv Arthur Brand spürte Oscar Wildes verschollenen Goldring auf und fand Hitlers Bronze-Rosse aus der Reichskanzlei auf einem Privatgelände in Bad Dürkheim. Er stöberte 1400 Jahre alte gestohlene Westgoten-Reliefs aus der spanischen Kirche Santa Maria de Lara in einem verwunschenen Londoner Garten auf und sorgte dafür, dass das kostbare "Markus-Mosaik" aus dem 5. Jahrhundert an Zypern zurückgegeben wurde. Wie Stefan Trinks in der "FAZ" berichtet, hat der holländische "Indiana Jones der Künste" jetzt einen neuen Coup gelandet und den im März 2020 gestohlenen "Pfarrgarten von Nuenen im Frühling" Vincent van Goghs wiederbeschafft.
 

Debatte

In Richtung Propaganda marschiert die italienische Kulturpolitk unter der neuen Rechtsregierung von Giorgia Meloni. Es sei izwar einigermaßen üblich, dass die Machthaber die Chefposten in Italiens Kultur und Medien mit eigenen Leuten besetzten, schreibt Marc Beise in der "Süddeutschen Zeitung". Neu sei aber die Härte und Konsequenz, mit der Meloni und die ihren den Gang durch die Institutionen vollziehen. So werde der TV-Sender RAI auf Linie gebracht, Starmoderatoren, Intendanten von Opern, Konzerthäusern und Museen ausgetauscht, und jetzt gehe auch bei den Filmfestspielen in Venedig "die Angst um, dass diese traditionsreiche Veranstaltung unter die Büttel der Rechten kommen könnte". Meloni und Salvini wollten das Land umerziehen, so Meiler. "Nur leider verträgt Kultur Gleichschaltung nicht, sie lebt von der Freiheit und dem Widerspruch. Das verstehen die nicht, die ganz rechts stehen - und betreiben so eine für Italien sehr traurige Entwicklung."


Seit Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sind die russischen Kunstmuseen isolierter denn je – jedenfalls, was Kooperationen mit dem Westen betrifft. "Der Krieg in der Ukraine beendete den Museumsaustausch mit Europa. Russlands Museen sind wieder so isoliert wie vor 1975, als aufgrund der Entspannungspolitik der kulturelle Austausch zwischen der Sowjetunion und dem Westen begann", schreibt Konstantin Akinscha in der "FAZ". Liberal gesinnte Museumdirektorinnen und -direktoren mussten ihre Posten räumen – ihre regimetreuen Nachfolger blicken statt gen Westen gen Osten und organisieren Propagandaschauen. "Im Juli eröffnete der Marmorpalast des Petersburger Russischen Museums die Ausstellung 'Das Leuchten Tibets' mit Werken des offiziösen chinesischen Gegenwartsmalers Han Yuchen", so Akinscha, in der sich "die Revision der russischen Weltanschauung" manifestiere. "Sie könnte dazu führen, dass Russlands Kunstmuseen sich in Propagandaplattformen verwandeln."


Ausstellung

Wenn eine Person zuerst über ihre berühmten Freunde vorgestellt wird, hat sie ein weit verbreitetes Problem der Kunstgeschichte: Wer passionierte Gastgeberin ist, bleibt selbst oft als Individuum unsichtbar. So ging es auch der österreichischen Galeristin und Malerin Gertie Fröhlich (1930-2020), die vom "Standard" als Vertraute von Maria Lassnig, Martin Kippenberger, Franz West, Kiki Kogelnik oder Helmut Qualtinger einführt wird. Mit ihrer Galerie protegierte sie außerdem Avantgarde-Künstler wie Arnulf Rainer. Nun widmet das MAK in Wien ihr selbst und ihren surreal angehauchten Bildern eine überfällige Ausstellung, wie Katharina Rustler meint. "In nur zwei Räumen wird die erste institutionelle Retrospektive dieser spannenden Frau gezeigt – und ein unerwartetes Gesamtwerk präsentiert. Durch die Kooperation von Kuratorin Kathrin Pokorny-Nagel und Fröhlichs Tochter entstand eine wissenschaftliche und persönliche Präsentation. Kurz bleibt einem der Atem weg."


Das besondere Kunstwerk

Mit dem widersprüchlichen Erbe von Yoko Onos "Cut Piece" beschäftigt sich Freya Dieckmann bei "Spiegel Online". Die Performance, bei der das Publikum der Künstlerin die Kleider vom Leib schneiden soll, wird gerade in der Neuen Nationalgalerie mit autorisierten Performerinnen aufgeführt. Dieckmann denkt darüber nach, ob die Aufführung noch als feministisch gelesen werden kann, wenn darin wiederum ein weiblicher Körper entblößt wird und vor allem Männer dabei auf verschiedene Weise übergriffig werden: "Es ist also nicht einfacher geworden, auf dieses Werk zu reagieren. Wie feministisch das 'Cut Piece' heute aber noch ist, hängt vermutlich auch von der Definition von Feminismus ab. Begreift man ihn als etwas Aktives, dann sind heutzutage Performances etwa von Florentina Holzinger, die von vornherein nackt auftritt und ihren Körper für sich beansprucht, feministisch." Trotzdem sei die Performance auch heute noch ein zeitgemäßer Impuls: "Die Frage, die in jeglicher Hinsicht immer aktuell bleiben wird, ist: Wie weit wollt ihr gehen?" Unsere Rezension zu Onos Performance lesen Sie hier.