Medienschau

"Sie sind noch unter uns"

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Werner Büttner erinnert an seinen Freund Harald Falckenberg, Trauer um zivile Opfer des jüngsten Krieges in Nahost und ein neuer Documenta-Eklat: Das ist unsere Presseschau am Montag

Nahostkonflikt

Wie Israels Kunstszene an die Geiseln der Hamas erinnert, berichtet Suzanne Cords in der Deutschen Welle.  "Die Kulturszene antwortet mit Kunstaktionen auf das Grauen, das Israel in Atem hält: Eine mit feinem Geschirr, Weingläsern und Kerzen geschmückte lange Tafel lädt ein zum traditionellen Shabbat-Mahl. Normalerweise versammeln sich hier die Familienmitglieder - doch die Stühle auf dem Platz vor dem Tel Aviver Kunstmuseum bleiben leer. Sie sind für die entführten Geiseln reserviert. Es ist eine Geste, die ausdrücken soll: Sie sind noch unter uns."

An im Nahostkrieg getötete Künstlerinnen aus Gaza erinnert Harriet Sherwood im "Guardian". Eine davon ist die Malerin Heba Zagout, die auf ihren Bildern unter anderem heilige Stätten in Jerusalem und palästinenische Frauen in traditionellen Gewändern darstellte. Vor einigen Wochen starb sie zusammen mit zwei Kindern durch einen israelischen Luftangriff. Sherwood schreibt: "Zagout gehört zu einer unbekannten Zahl von Künstlern, Schriftstellern und Musikern, die Teil der einst blühenden Kunstszene im Gazastreifen waren, und die unter den mehr als 11.000 getöteten Menschen seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas am 7. Oktober sind."

Der in Israel geborene und in Deutschland lebende Comedian Shahak Shapira hat in Berlin mit einer Plakataktion auf die Polarisierung des Nahostkonflikts reagiert und mahnt mit "Stand With Humans" zu mehr Empathie mit den zivilen Opfern - egal welcher Seite. Die Aktion, die er selbst etwas "kitschig" nennt, die aber eine aufrichtiges Anliegen und eine wichtige Botschaft transportiert, hat er in einem Video dokumentiert: 
 


Wer trägt die Verantwortung?, fragt Swantje Karich in der "Welt" angesichts der "SZ"-Recherchen zu Ranjit Hoskoté, ein inzwischen zurückgetretenes Mitglied der Findungskomission für die Documenta 16. Hoskoté hat 2019 eine anti-israelische Petition unterzeichnet. "Die Ignoranz im Umgang mit Antisemitismus scheint bei der Documenta weiter systemimmanent", schreibt Karich. "Die Berufung von Ranjit Hoskoté war hoffentlich der letzte Stein des Anstoßes, der noch fehlte, um Maßnahmen nicht nur in den Medien zu diskutieren, sondern auch auf politischer Ebene umzusetzen."


Nachruf

Mit Freunden wie Albert Oehlen und Martin Kippenberger weckte Werner Büttner Ende der 1970er-Jahre den Kunststandort Hamburg aus einem komatösen Schlaf; als Professor an der Hochschule unterrichtete er spätere Berühmtheiten wie John Bock, Daniel Richter, Christian Jankowski und Jonathan Meese. Kein Wunder, dass sich die Wege des Malers irgendwann mit denen von Harald Falckenberg kreuzten, dem kürzlich verstorbenen Hamburger Sammler von Gegenwartskunst. Wie eng die Freundschaft war, erfährt man nun aus einem Nachruf Büttners in der "Zeit", der so überschieben ist: "Er war glühender Kapitalist, ich eher nicht. Wir amüsierten uns prima." Zeitweise lebten die beiden sogar zusammen. "Seine Sammlung, aus Ekel vor seinen Bankberatern als Verlustgeschäft geplant, war zum damaligen Zeitpunkt recht profillos. Gesicherte, langweilige Assets. Ich erlaubte mir, ihn darauf hinzuweisen, dass sein Charakter und sein Intellekt damit unterfordert sind, dass er härteren Stoff bräuchte, um am Sammeln wirklich Freude zu haben. Ich machte ihn mit der Welt von Franz West, Martin Kippenberger, Mike Kelley und anderen bekannt, auch meine eigene unterschlug ich nicht."

Ausstellung

Dass die Kunstgeschichte alles andere als eine reine Männer-Veranstaltung ist, versuchen Historikerinnen seit Jahrzehnten zu beweisen. Und langsam scheint der Platz in den Geschichtsbüchern zumindest für einige Künstlerinnen der Vergangenheit gesichert zu sein. Einen weiteren Beitrag zur Anerkennung von frühem weiblichem Schaffen liefert derzeit die Ausstellung "Geniale Frauen" im Bucerius Kunstforum in Hamburg, die 30 Malerinnen vom 16. bis 18. Jahrhundert vorstellt.  Wolfgang Krischke zeigt sich in der "FAZ" vom Konzept überzeugt: "Der Titel ist angemessen: Nicht nur Oosterwijcks Blumenstillleben mit ihrer leuchtenden Oberflächenpräzision, sondern auch die 150 weiteren Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken weisen eine hohe, oft meisterliche Qualität auf. Das Ziel, den weiblichen Anteil an der Kunstgeschichte der frühen Neuzeit sichtbarer zu machen, hat die Kuratorin Katrin Dyballa erreicht, ohne genderpolitische Bonuspunkte zu vergeben."

Als einen "hochkreativen Seiltanz zwischen Zorn und Zärtlichkeit" bezeichnet Brigitte Borchardt-Birbaumer die Wiener Retrospektive der Künstlerin Renate Bertlmann im Kunstmagazin "Parnass". Darin zeige sich auch die Ambivalenz im Werk der Pionierin der feministischen Kunst in Österreich. "Besonders im Kapitel 'Kitsch als lustvoller Tabubruch' kommt ihre beste Waffe sichtbar zum Einsatz. Der ironische Blick auf patriarchale Strukturen in Kirche und Staat, was Bertlmanns Kunst lange ins Abseits drängte: am Kunstmarkt und in musealen Institutionen wurde sie von den Protagonisten der Kunstszene als unbequem wie seicht abgetan."