Medienschau

"Was für aufregende Dinge könnte man mit den 450 Millionen in Berlins Museen machen"

artikelbild_monopol-medienschau

Hat Deutschland einen Knacks? Steckt hinter dem Museum "berlin modern" keine Idee? Wie kommt Wim Wenders' "Perfect Days" in den USA an? Das ist unsere Presseschau am Freitag

Debatte

Claudius Seidl widerspricht in der "FAZ" all jenen Kulturschaffenden, die mit der Kampagne "Strike Germany" deutsche Kulturinstitutionen bestreiken und gleichzeitig behaupten, die Freiheit der Kunst sei in Deutschland Gefahr. Und denjenigen, die den deutschen Philosemitismus damit erklären, dass die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte "einen Knacks" hätten: "Man muss aber keinen Knacks haben, um zu spüren, dass nicht ausgerechnet die Deutschen sich vordrängeln sollten, wenn es darum geht, Israel hart zu kritisieren. Man braucht auch keinen Therapeuten, wenn man erkennt, dass man deutsche Juden, die sich geschmäht, bedrängt und angesichts der Vernichtungsforderungen gegen Israel um ihre Lebensversicherung gebracht sehen, nicht auch noch maßregeln sollte: Stellt euch nicht so an! Ihr müsst das aushalten im Namen der Meinungsfreiheit und der Weltläufigkeit."

Museen

Auf Deutschlands aktuell teuerster Kulturbaustelle ist am Freitag der Grundstein gelegt worden. Damit kommt das inzwischen als "berlin modern" firmierende Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin voran. Bis 2027 soll am Kulturforum unweit des Potsdamer Platzes im Herzen der Hauptstadt der rund eine halbe Milliarde Euro teure Bau als siebter Standort der Nationalgalerie fertiggestellt sein. Jörg Häntzschel ist in der "SZ" skeptisch: "Richard Rogers baute mit dem Centre Pompidou eine Kulturmaschine, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte; Herzog & de Meuron machten aus einem Kraftwerk die aufregende Kunst-Turbine Tate Modern; Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal entkernten das Pariser Palais de Tokyo bis auf die Brandschutzmauern - und dann waren sie fertig. Großartige, einflussreiche Bauwerke. Wenn man schon überreichlich anämische Museen besitzt, dann sollte das neue wenigstens irgendeine Idee formulieren: von Berlin, von der Moderne, von der Kunst, von unserer Zeit. Doch die ist nicht zu erkennen. Was für aufregende Dinge könnte man mit den 450 Millionen in Berlins Museen machen. Jetzt kommt ein weiteres dazu, in dem das Geld wieder knapp sein wird."

Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), spricht mit Susanne Schreiber vom "Handesblatt" über Protest gegen die AfD, die anstehenden Landtagswahlen und die Auswirkungen des Nahostkriegs auf das Musseum. Die SKD haben sich nach den Anschlägen der Hamas als eines der wenigern öffentlichen Häuser zu Israel bekannt. "Zuerst stellte uns 'Artnet' als Vorbild hin. In den Sozialen Medien bekamen wir dann aber Bashing von verschiedenen Seiten. Damit gehen wir gelassen um. Traurig sind wir aber über Absagen von Personen, die wir eingeladen hatten. So haben sich einige Referenten zurückgezogen. Unsererseits haben wir noch nie jemanden ausgeladen. Wir müssen die Türen offen halten. Das Aushandeln von Positionen muss in unseren Räumen stattfinden können. Das darf nicht bereits im Vorfeld durch Canceln passieren."

Tanz

Zum Ende seiner Zeit als Hausregisseur am Schauspielhaus Zürich verabschiedet Lilo Weber in der "NZZ" den Choregrafen Trajal Harrell, der auch immer wieder in Museen auftat. "In einer Gesellschaft lauter vereinzelter Menschen, die alle nach Einzigartigkeit streben, in einer Gesellschaft, in der jeder und jede für sich reklamieren kann, von irgendwoher und irgendwem diskriminiert zu werden, lebt dieser Tanz Gemeinsinn vor. Das ist das wirklich Subversive am Tanz des Trajal Harrell. Er setzt Gemeinsinn da, wo Worte und Rede Gemeinsinn zersetzen. Und das an einem Schauspielhaus."

Film

Der Fall heizte die MeToo-Debatte in Frankreich an, nun hat die Justiz nach Belästigungsvorwürfen der bekannten französischen Schauspielerin Adèle Haenel Anklage gegen den Regisseur Christophe Ruggia erhoben. Die Pariser Staatsanwaltschaft werfe dem Regisseur die sexuelle Belästigung einer Minderjährigen innerhalb einer Autoritätsbeziehung vor, berichtet der Sender RMC unter Verweis auf Justizkreise. Die Schauspielerin bestätigte dem Investigativportal Mediapart, dass sie am Donnerstag von der Anklage erfahren habe. Ruggias Anwälte wollten sich am Donnerstag nicht äußern. Der Regisseur hatte die Vorwürfe bestritten. Haenel hatte dem Regisseur Ende 2019 vorgeworfen, während der Dreharbeiten zum Film "Les Diables" (deutsch: "Kleine Teufel") mehrfach übergriffig geworden zu sein und sie unangemessen angefasst zu haben. Damals war Haenel zwischen 12 und 15 Jahren alt. Die 34-Jährige war die erste renommierte Darstellerin, die 2019 öffentlich über sexuelle Gewalt im französischen Kino sprach.  Haenel schilderte die Ereignisse, die sich zwischen 2001 und 2004 ereignet haben sollen, in einem Video-Interview mit Mediapart. Sie hat in Frankreich zweimal den renommierten Filmpreis César gewonnen. Wie Mediapart nach einer Sichtung der Anklageschrift berichtet, werden dem Regisseur sexuelle Übergriffe mit Gewalt, Zwang, Drohung oder Überraschung vorgeworfen. Die Taten seien an einer 15-Jährigen von einer Person mit Autorität begangen worden.

"Perfect Days" von Wim Wenders läuft seit dieser Woche in den US-Kinos, "The New Yorker"-Rezensent Richard Brody ist begeistert_ "Fantasie gibt es in vielen Formen, und eine davon entsteht, wenn ein Werk mit akribischem Realismus die Plausibilität so weit strapaziert, dass es wie eine reine Wunscherfüllung wirkt. Der neueste Film des deutschen Regisseurs Wim Wenders, 'Perfect Days'), ist ein solches Werk. Er spielt in Tokio und erzählt die Geschichte eines Mannes, der ein Arbeiter und in gewisser Weise auch ein Künstler ist, aber er bietet nur sehr wenig Substanz über beide Tätigkeiten. Wenders folgt einem ästhetischen Prinzip des scheinbar passiven Beobachtens - des Zurückhaltens, der Zweideutigkeit und der Andeutung. Er erzählt die Erfahrung seines Protagonisten mit Hilfe von Bildern und Stimmungen. Doch statt einer starken und prägnanten Vision liefert diese Ästhetik des Schweigens eine sentimentale Schönfärberei. Die Ergebnisse sind lediglich vage, in einer Art und Weise, die absichtlich naiv gegenüber Japan, der Arbeit und der Kunst erscheint."