Lagen die britischen Wettbüros also doch richtig: Kurz vor Verleihung des Turner Prize im nordenglischen Gateshead wurde mit großem Vorsprung der Installationskünstler Martin Boyce als Sieger gehandelt. Am Montagabend dann gab Fotograf Mario Testino, der durch die Preisverleihung führte, den Gewinner bekannt: Boyce erhält die mit 25 000 Pfund (29 200 Euro) dotierte Auszeichnung und hat sich damit gegen die drei anderen Nominierten der Shortlist, George Shaw, Karla Black und Hilary Lloyd, durchgesetzt, die jeweils 5000 Pfund erhalten.
Der 44 Jahre alte Boyce stammt aus Schottland - damit ist er bereits der dritte Schotte in Folge, der den Turner-Preis gewinnt. Er beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Aspekten jener Moderne, die nach 1950 begann. Das radikale, aber eben auch ein wenig hegemoniale Design dieser Zeit wird von ihm neu interpretiert – und zwar so, dass man die Möbel von Arne Jacobsen oder Charles und Ray Eames nach ihrer Bearbeitung kaum wiedererkennt. Dafür öffnet Boyce mit seinen fragilen Mobiles, konstruktiven Skulpturen und Bodenarbeiten den Blick für die gestalterischen Ideen, die sich nicht nur im Design manifestieren, sondern seit Jahrzehnten auch das Denken prägen.
"Ein neuer Sinn für Poesie"
Für die Kandidaten-Ausstellung zum diesjährigen Turner Prize im Baltic Centre Gateshead hatte Boyce eine Installation eingereicht, in der sich unter anderem ein abgeschrägter Mülleimer, eine Tisch-Konstruktion und Blätter aus Papier an strahlend-weißen Säulen zu einer Art Park im Raum oder urbaner Oase zusammenfügen («Perforated and Porous (Northern Skies)», etwa: «Löchrig und Porös (Nordhimmel)»)..
Die Arbeit von Boyce ist nach eigenen Angaben von modernistischen Bäumen aus Beton aus dem Jahr 1925 von den Bildhauern und Designern Jan und Joël Martel inspiriert. «Es geht ebenso sehr um Raum und den Raum zwischen den Skulpturen wie um die Skulpturen selber», sagte Boyce. «Natürlich muss ich (diese Kunstwerke) herstellen, aber ich will, dass das Publikum das Gefühl hat, sie gefunden zu haben.» Die Jury lobte seinen «bahnbrechenden Beitrag zum derzeitigen Interesse, das zeitgenössische Künstler in die historische Moderne haben». Gleichzeitig entwickle er neue Richtungen «innerhalb desselben Vokabulars».
Das Werk bestätige die Kontinuität seiner Arbeit und eröffne gleichzeitig einen neuen Sinn für Poesie. «Boyce' Installation ist zugleich im Raum und außerhalb», erklärte der Kunstkritiker der Zeitung «Independent», Charles Darwent. «Die Gestaltung ist theatralisch, wie das Setting für eine brutale Produktion des (Theaterstücks) "Kirschgarten".»
Ein Flitzer im Balletrock störte die Preisverleihung
Boyce forderte in seiner Dankesrede, dass Bildung weiterhin frei und Zugang zu Kunst für jeden möglich sein müsse. Die live im Fernsehen übertragene Bekanntgabe des Preisträgers wurde kurz gestört, als ein in einen rosa Ballettrock gehüllter Mann versuchte, die Bühne zu erreichen. Er wurde von Sicherheitsleuten herausgeführt.
Der Preis wurde in diesem Jahr erst zum zweiten Mal in seiner 27-jährigen Geschichte außerhalb von London vergeben. In den vergangenen sechs Wochen hatten rund 120 000 Menschen die gemeinsame Ausstellung der vier Nominierten besucht. Black zeigte eine riesige Skulptur aus Materialien wie Cellophan, Cremes, Nagellack und Badekugeln. Lloyd präsentierte ihre Videoinstallationen, in denen sie unter anderem mehrere, schnell wechselnde Bilder zu einem einzigen vereint. Shaw malt mit einfachen Lackfarben realistische Landschaftsbilder, die die heruntergekommene Sozialwohnungsumgebung seiner Jugend zeigen.
Der Turner-Preis wurde 1984 erstmals vergeben. Ausgezeichnet werden Künstler, die in Großbritannien leben. Der Preis ist mit insgesamt 40 000 Pfund (47 000 Euro) dotiert. Zu den vorherigen Preisträgern gehören Damien Hirst und Antony Gormley und im vergangenen Jahr Susan Philipsz. (dpa/monopol)
Die Kandidaten-Ausstellung ist noch bis zum 8. Januar im Baltic Centre for the Contemporary Art Gateshead zu sehen
Der 44 Jahre alte Boyce stammt aus Schottland - damit ist er bereits der dritte Schotte in Folge, der den Turner-Preis gewinnt. Er beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Aspekten jener Moderne, die nach 1950 begann. Das radikale, aber eben auch ein wenig hegemoniale Design dieser Zeit wird von ihm neu interpretiert – und zwar so, dass man die Möbel von Arne Jacobsen oder Charles und Ray Eames nach ihrer Bearbeitung kaum wiedererkennt. Dafür öffnet Boyce mit seinen fragilen Mobiles, konstruktiven Skulpturen und Bodenarbeiten den Blick für die gestalterischen Ideen, die sich nicht nur im Design manifestieren, sondern seit Jahrzehnten auch das Denken prägen.
"Ein neuer Sinn für Poesie"
Für die Kandidaten-Ausstellung zum diesjährigen Turner Prize im Baltic Centre Gateshead hatte Boyce eine Installation eingereicht, in der sich unter anderem ein abgeschrägter Mülleimer, eine Tisch-Konstruktion und Blätter aus Papier an strahlend-weißen Säulen zu einer Art Park im Raum oder urbaner Oase zusammenfügen («Perforated and Porous (Northern Skies)», etwa: «Löchrig und Porös (Nordhimmel)»)..
Die Arbeit von Boyce ist nach eigenen Angaben von modernistischen Bäumen aus Beton aus dem Jahr 1925 von den Bildhauern und Designern Jan und Joël Martel inspiriert. «Es geht ebenso sehr um Raum und den Raum zwischen den Skulpturen wie um die Skulpturen selber», sagte Boyce. «Natürlich muss ich (diese Kunstwerke) herstellen, aber ich will, dass das Publikum das Gefühl hat, sie gefunden zu haben.» Die Jury lobte seinen «bahnbrechenden Beitrag zum derzeitigen Interesse, das zeitgenössische Künstler in die historische Moderne haben». Gleichzeitig entwickle er neue Richtungen «innerhalb desselben Vokabulars».
Das Werk bestätige die Kontinuität seiner Arbeit und eröffne gleichzeitig einen neuen Sinn für Poesie. «Boyce' Installation ist zugleich im Raum und außerhalb», erklärte der Kunstkritiker der Zeitung «Independent», Charles Darwent. «Die Gestaltung ist theatralisch, wie das Setting für eine brutale Produktion des (Theaterstücks) "Kirschgarten".»
Ein Flitzer im Balletrock störte die Preisverleihung
Boyce forderte in seiner Dankesrede, dass Bildung weiterhin frei und Zugang zu Kunst für jeden möglich sein müsse. Die live im Fernsehen übertragene Bekanntgabe des Preisträgers wurde kurz gestört, als ein in einen rosa Ballettrock gehüllter Mann versuchte, die Bühne zu erreichen. Er wurde von Sicherheitsleuten herausgeführt.
Der Preis wurde in diesem Jahr erst zum zweiten Mal in seiner 27-jährigen Geschichte außerhalb von London vergeben. In den vergangenen sechs Wochen hatten rund 120 000 Menschen die gemeinsame Ausstellung der vier Nominierten besucht. Black zeigte eine riesige Skulptur aus Materialien wie Cellophan, Cremes, Nagellack und Badekugeln. Lloyd präsentierte ihre Videoinstallationen, in denen sie unter anderem mehrere, schnell wechselnde Bilder zu einem einzigen vereint. Shaw malt mit einfachen Lackfarben realistische Landschaftsbilder, die die heruntergekommene Sozialwohnungsumgebung seiner Jugend zeigen.
Der Turner-Preis wurde 1984 erstmals vergeben. Ausgezeichnet werden Künstler, die in Großbritannien leben. Der Preis ist mit insgesamt 40 000 Pfund (47 000 Euro) dotiert. Zu den vorherigen Preisträgern gehören Damien Hirst und Antony Gormley und im vergangenen Jahr Susan Philipsz. (dpa/monopol)
Die Kandidaten-Ausstellung ist noch bis zum 8. Januar im Baltic Centre for the Contemporary Art Gateshead zu sehen