Rudolf Springer

Marchand d’art

Einmal wollte der Galerist Rudolf Springer in der Bar „Quartier Bohème“ auf dem Kurfürstendamm Zeichnungen eines unbekannten Mannes namens Klaus Kinski ausstellen. Man hatte alles soweit besprochen, die Einladungskarten waren gedruckt, nun ging es an den Aufbau. Kinski fütterte den Hund des Galeristen, Springer bat ihn, damit aufzuhören, der sture Kinski fütterte weiter den Hund. Also sagte der genervte Kunsthändler die Ausstellung kurzerhand ab. Nur noch die Einladungskarte zeugt von einem möglichen Karriereweg des späteren Schauspielers als Künstler.
 
Rudolf Springer wurde Galerist in einer Zeit, die sich Umwege, Auslassungen und aufwendige Seitenprojekte leisten konnte. Als er mit seinem Geschäft begann, gab es in Berlin gerade mal vier Galerien. 1948 eröffnete der Heimkehrer aus dem französischen Exil in der Villa seiner Eltern eine erste Galerie. Vom Großvater und den Eltern, denen der Wissenschaftsverlag Springer gehörte, hatte der ehemalige Versicherungsvertreter die Begeisterung für Bücher geerbt, die Sammelleidenschaft, das umherschweifende Interesse, das sich manchmal an Kuriositäten heftete, mal echte Entdeckungen zutage förderte.
 
Später zog die Galerie an den Kurfürstendamm, danach in die Fasanenstraße. In den 50er-Jahren macht Rudolf Springer in Deutschland französische Künstler bekannt, stellte hier Max Ernst, Miró, Alexander Calder aus. Springer entdeckte Gerhard Altenbourg und schob die Karriere von Markus Lüpertz an. 1963 wird das „unsittliche“ Bild „Die große Nacht im Eimer“ des Springer-Künstlers Georg Baselitz in der von Springer-Schülern und -Freunden geleiteten Galerie Werner & Katz beschlagnahmt – und der Aufstieg des Malers beginnt.
 
Vor zwei Jahren präsentierte die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts (CFA), die auch Springers letzte Ehefrau Christa Dichgans vertritt, eine Ausstellung zu Ehren des West-Berliner Doyen. Auf den in „Marchand d’art“ gezeigten Fotografien ließ sich die Arbeitsweise des Kunsthändlers gut nachvollziehen; sie unterschied sich in vielerlei Hinsicht vom Stil heutiger Hochleistungsgaleristen: Man sah da Rudolf Springer als Häuptling verkleidet, Springer mit Künstlern auf dem Boden mit Bauklötzen spielend, Springer Besuch von Kasper König, Lüpertz oder A. R. Penck empfangend, und man sah Henry Miller wie er in Springers Garten von Marino Marini porträtiert wird.
 
Noch auf dem Berliner Gallery Weekend, Anfang Mai, konnte man den 100-Jährigen als Gast einer Vernissage begrüßen. Obwohl er im Rollstuhl saß und nach einem Schlaganfall beeinträchtigt war, nahm er weiterhin am hauptstädtischen Kunstleben teil. Wie sein Kollege und Freund Lothar Poll am Dienstag mitteilte, ist Rudolf Springer nun im Krankenhaus verstorben, wo er wegen einer Lungenentzündung behandelt werden sollte.