Kochkolumne von Mohamed Amjahid

Boykottieren Sie nicht diese Kürbissuppe!

Wenn auch deutsche Gastronomie-Unternehmer an rechtsextremen Geheimtreffen teilnehmen, ist es Zeit, über Boykotte von Marken nachzudenken. Politisch unbedenklich ist dagegen diese wärmende Kürbissuppe

Während sich das Netzwerk aus AfD, Teilen der CDU und mutmaßlich anderen Parteien, Nazi-Millionären und knackig-völkischen Hasspredigern in Villen treffen, an Mettigeln knabbern und konkret an einer neuen Auflage bekannter deutscher Geschichte arbeiten, fragen sich viele Menschen: Was kann ich ganz konkret gegen diesen Hass tun? Eine Antwort liegt im Konsum. Immerhin, so kam aus mehreren Recherchen hervor, tummeln sich auf diesen "Geheimtreffen" zur Massendeportation von Minderheiten auch Unternehmer, die ihre Euros in die Maschinerie der Menschenfeindlichkeit werfen. 

So tauchte auf den Gästelisten des Grauens zum Beispiel der Name Hans-Christian Limmer auf. Dieser ist Investor im Bereich Lebensmittel- und Gastronomie-Start-ups und wollte mit dem schnellen Geld rund um Stullen, Salate und Burger mutmaßlich auch Co-Autor in einem weiteren dunklen Kapitel Deutschlands werden. Schnell distanzierten sich Firmen, die in der Vergangenheit oder aktuell mit Limmer zu tun hatten oder haben, von den antisemitischen und rassistischen Verschwörungstheorien und mutmaßlichen Machtergreifungsfantasien ihres (einstigen) Geldgebers.

Das Backwerk, das Limmer mitbegründet hatte, oder die Burgerkette Hans im Glück beteuerten in den sozialen Medien, dass sie nichts mit dem rechtsextremen Gedankengut des braunen Investors zu tun haben oder zu tun haben wollen. Der Lieferdienst Pottsalat hat sogar nach Bekanntwerden des Skandals um Limmer eine Demokratieklausel für bestehende und zukünftige Investoren oder Investorinnen eingeführt: Nur verfassungskonforme Vermögende dürfen nun in die infantilen Bowls ihr Geld versenken. 

Würde die AfD Müllermilch trinken?

Für viele Konsumentinnen und Konsumenten kommt diese Schadensbegrenzung aber viel zu spät. Wer die Demokratie retten will, mischt sich nun seinen eigenen Salat zusammen oder belegt selbst Brötchen und Burger. Doch funktioniert der Boykott bestimmter Marken aus politischen Gründen überhaupt?

Aus antifaschistischer Sicht ist klar: In Deutschland gibt es laut Recherchen genug Firmen, um die man aus menschenrechtspolitischen Gründen getrost einen Bogen machen kann. So pflegt der Molkerei-Milliardär Theo Müller Kontakte zur AfD. Müller traf laut Berichten Chefhasserin Alice Weidel zum Plausch. Welche Pläne genau diskutiert wurden, ist nicht bekannt, eins aber sicher: Müllermilch kommt von 'ner blöden Kuh. 

Andere Recherchen haben vor einigen Jahren aufgedeckt, dass August von Finck, Hauptaktionär der Restaurant- und Hotelkette Mövenpick, einen Teil seines Vermögens in den deutschen Rechtsextremismus gesteckt haben soll. Die Eissparte von Mövenpick, die vorher schon an einen anderen Konzern verkauft wurde, sah sich gezwungen, sich von der AfD zu distanzieren und darauf hinzuweisen, dass sie mit dem mittlerweile verstorbenen von Finck nichts zu tun habe. Mit welchen seiner politischen Vorbilder dieser nach seinem Tod wo abhängt, ist nicht bekannt.

McDonalds: Doof, aber lecker

Boykotte von Konsumgütern, vor allem im Lebensmittelbereich, funktionieren nur bedingt. Das zeigen mehrere wissenschaftliche Auswertungen. Hier zunächst zwei positive Beispiele: In Italien zwangen Verbraucherinnen den Pastakonzern Barilla einst dazu, sich von einem rückwärtsgewandten Familienbild und einer LGBTQ-feindlichen Haltung zu verabschieden. Der Druck am Supermarktregal endete sogar in einer Werbekampagne von Barilla mit einem lesbischen Pärchen

Ähnlich erging es der US-amerikanischen Fast-Food-Kette Chick-fil-A. Nach homophoben Äußerungen und entsprechenden Spenden des Konzernchefs folgten Proteste und ein Boykott-Aufruf, die die Firma dazu brachten, sich von Queerfeindlichkeit öffentlich zu distanzieren und kein Geld mehr an LGBTQ-feindliche Organisationen zu spenden.

Doch je mehr Beispiele ich mir für diese Kolumne angeschaut habe, desto mehr wurde mir klar: Boykotte führen oft zwar zu einem Imageschaden, eher selten zu signifikanten wirtschaftlichen Einbußen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher finden zum Beispiel McDonald's aus politischen Gründen doof, wollen aber nicht auf das ungesunde Essen dort verzichten. 

Trump-Fans horten Ananas

Wo ich schon über ungesund spreche: In den USA, wo das Geld alles regiert, sind Boykotte von rechts bei vielen Firmen mittlerweile gefürchtet. Denn bewusster Konsum kann auch bewusst hasserfüllt sein. Nachdem die Biermarke Bud Light mit einer transgender Influencer:in geworben hatte, attackierten rechtsextreme und queerfeindliche Akteure das Unternehmen. Es folgten Gewaltandrohungen, Boykottaufrufe und Grassroot-Kampagnen von unzähligen rechtskonservativen Konsumenten, die Bud Light Marktanteile kosteten.

Im Umkehrschluss hat sich in den USA auch ein "Buycott" entwickelt, also das gezielte Kaufen von Produkten, nachdem sich ein Unternehmen oder prominente Wirtschaftsbosse öffentlich in eine dezidierte politische Richtung bewegt haben. Nachdem zum Beispiel der Chef von Goya Food, einem US-Unternehmen für südamerikanische Lebensmittel, Donald Trump öffentlich unterstütze, fingen dessen Anhänger enthusiastisch an, die für sie eigentlich "exotischen" Taco-Gewürze, Bohnen und Ananas in Dosen zu kaufen. Absurd. In Deutschland rufen AfD-Adepten derweil auf, "Müllermilch zu kaufen und Flagge zu zeigen". Die Zukunft der Demokratie und der Menschenwürde wird nun an der Supermarktkasse ausgefochten.

Eins bleibt beim Thema politischen Konsum hängen: Es ist eine individuelle Entscheidung und im kapitalistischen Rahmen durchaus effektiv, sich neben Bioqualität, lokaler Erzeugung, fairen Arbeits- und Produktionsbedingungen und Klimabilanz auch politische Standards beim alltäglichen Einkauf zu setzen. Milch von 'ner blöden Kuh kaufe ich zum Beispiel nicht mehr.

Eine Suppe mit unpolitischem Roggenbrot

Politisch unbedenklich ist diese Suppe, die ich gekocht habe, um etwas runterzukommen. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass Personen aus dem Kürbis-Sektor mich oder andere abschieben wollen. In den Lagern der Supermärkte schlummern die letzten Kürbisse bis Ende Februar. Ein kleines Exemplar aufschneiden, von den Kernen befreien, vierteln, mit Salz und Pfeffer würzen und zusammen mit drei bis vier Knoblauchzehen und einem Schuss Olivenöl in eine Auflaufform geben, bei 180°C für 15 bis 20 Minuten rösten, bis sich das Fruchtfleisch mit einem Löffel einfach von der Schale lösen lässt. 

Während der Ofen seine Arbeit verrichtet, einen schnellen Gemüsefond aufsetzen: Einen Liter Wasser aufkochen, ein bis zwei geschälte und kleingeschnittene Karotten, eine geviertelte Kartoffel und zwei geschnittene Lauchzwiebeln hinzugeben. Mit etwas Kerbel (kann mit Petersilie ersetzt werden), Pfeffer, Salz und Olivenöl abschmecken. Wer mag, kann auch Suppenwürze hinzugeben. Das ist ministeriell und kostengünstig genehmigt. Wenn die Karotten gegart sind und der Fond etwas reduziert ist, den gerösteten und geschälten Kürbis zusammen mit dem Knoblauch hinzugeben. Mit einem kräftigen Schuss Sahne kombinieren und per Stabmixer pürieren. Wenn nicht flüssig genug: etwas Milch hinzugeben.

Weil hier nichts verschwendet wird, können mit der Restwärme des Ofens noch schnell ein paar Croutons geröstet werden. Dafür drei bis vier Scheiben Brot nach Wahl (ich hatte noch altes, unpolitisches Roggenmischbrot da) in Würfel schneiden, in die warme Kürbis-Backform geben, mit Salz, Pfeffer und etwas Rosmarin würzen und ein bisschen Olivenöl hinzugeben. Je nach Ofen dauert das dann nochmal 10 bis 15 Minuten, bis die Brotstückchen kross sind. Suppe mit Croutons und nach Geschmack mit Balsamico, etwas Sahne oder gerösteten Kürbiskernen servieren.