Blutige Mühlen und verbotene Bücher

Kassel rüstet sich für Documenta

Foto: dpa
Foto: dpa

Röhren vom Documenta-Kunstwerk von Hiwa K. an der Documenta-Halle in Kassel. Die Vorbereitungen laufen derzeit auf Hochtouren: Wo gestern noch ein Baggerloch war, kann morgen ein Kunstwerk stehen. Die Installationen im öffentlichen Raum locken bereits jetzt Neugierige an.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Wo gestern noch ein Baggerloch war, kann morgen ein Kunstwerk stehen. Die Installationen im öffentlichen Raum ziehen bereits jetzt Neugierige an

Knapp vier Wochen vor dem Start der Documenta 14 in Kassel hat ein Kunstwerk in der Publikumsgunst die Nase vorn: der "Parthenon der Bücher". "Ich komme jeden Tag vorbei und schaue mir die Fortschritte an", sagt die Kasselerin Diana Machulik. Die 49-Jährige ist einer der zahlreichen Zaungäste, die den Aufbau des Tempels im Zentrum der nordhessischen Stadt verfolgen. Der Nachbau der Akropolis wird mit verbotenen Büchern aus aller Welt verkleidet. Das Werk der argentinischen Künstlerin Marta Minujín ist die größte Installation, die vorab zu sehen ist.

Doch es ist nicht der einzige Vorbote der weltweit bedeutenden Kunstausstellung in Kassel. 160 Mitarbeiter sind laut den documenta-Machern in diesen Tagen beschäftigt, die Eröffnung am 10. Juni vorzubereiten: In der Innenstadt wächst ein Obelisk in die Höhe, der Schriftzug eines Museums ist verschwunden - er werde neu arrangiert, heißt es von der Documenta.

Jedes neue Baggerloch in der Stadt ist ein potenzieller Standort für Kunst. So entsteht in der Aue, einem stadtnahen Park, die "Mühle des Blutes" des mexikanischen Künstlers Antonio Vega Macotela. Sie soll ein Nachbau einer Mühle werden, mit der Minen-Sklaven in Bolivien Silbermünzen herstellen müssten. Andere Kunstwerke haben es schwer, als solche erkannt zu werden: Aufgestapelte Rohre am Rande des Friedrichsplatzes scheinen eher Vorbote einer Kanalsanierung als Kunst zu sein. Doch es handelt sich um eine Installation des in Berlin lebenden Künstlers Hiwa K., der in Bauröhren auf einem Laster aus dem Irak flüchtete.

Zwar gehört Geheimhaltung zur Documenta. Trotzdem lassen die Ausstellungsmacher mittlerweile auch Informationen über Kunstwerke nach außen, die noch unsichtbar sind: Spektakulär verspricht beispielsweise die Verhüllung der Kasseler Torwache zu werden. Der Künstler Ibrahim Mahama aus Ghana will das historische Gebäude hinter alten Jutesäcken verschwinden lassen. Wie viele Kunstwerke es am Ende in Kassel sein werden, sagen die Organisatoren der documenta nicht. "Wie auch in Athen werden mehr als 160 Künstler an der Ausstellung teilnehmen", erklären die Ausstellungsmacher lediglich.

Dass die Documenta in Griechenland bereits seit April läuft, schadet dem öffentlichen Interesse offenbar nicht: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich zur Eröffnung in Kassel angekündigt, der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos ebenso. Die Ausstellungsmacher erwarten eine Million Besucher, mehr als bei der Documenta vor fünf Jahren mit 860.000 Besuchern. Auch Tausende Journalisten wollen kommen: 3500 Akkreditierungsanfragen haben die Organisatoren erhalten. Befeuert wird das Interesse durch skurrile Ereignisse am Rande: Der künstliche Rauch über dem Kasseler Museum Fridericianum, der vom Künstler Daniel Knorr als Gruß nach Athen gedacht ist, löste zahlreiche Nachfragen bei der Feuerwehr aus. Augenzeugen dachten, es brenne dort.

Die vielen Bagger und Sperrungen auf Kassels Straßen verschwinden dagegen langsam aus dem Stadtbild: "Die großen Baustellen werden rechtzeitig vor Beginn der Documenta 14 fertig", sagt Petra Bohnenkamp, Sprecherin der Stadt Kassel. Mehrere Hauptverkehrsstraßen wurden saniert. Die Stadt begleitet die Documenta zudem mit einem eigenen Programm, das weit über tausend kulturelle Projekten und Veranstaltungen umfasst.