Ausstellung: 30 Jahre Modebilder

Körper, Kleider, Kunst

Supermodel und Stil-Ikone Kate Moss auf ewig flüchtig. Die Augen geschlossen, das wellige Haar wie in Tintenfestiger erstarrt, schwebt sie in schwarzem Wasser, von unten gegen die Oberfläche gedrückt. Die nackten Beine wachsen aus knielangem Kleid – eine schöne Edelleiche als Ganzkörperkopie im blassroten Silbergewand vom Modelabel Comme des Garçons. In so vergänglicher Passivpose, als Ophelia-Wiedergängerin, stellte die Fotokünstlerin Katerina Jebb das Model 1997 als menschliche Fotokopie dar. Für ihre phantasmagorische Ästhetik nutzt Jebb digitale Scannertechnik. Mode und Körper verschmelzen zu einem image.
 
Die Inszenierung des schönen Scheins, der Provokation, Erotik und Verführung – was wäre die Mode ohne das Modebild? Die Ausstellung „Visions & Fashion“ wirft im Berliner Kulturforum am Potsdamer Platz einen Blick auf die letzten 30 Jahre: Bilder, die das Sehen, Denken über Mode geprägt haben. Neben Kate Moss hängen Fotografien von Helmut Newton und Peter Lindbergh. Lookbooks mit Modestrecken für Versace und die drastischen Plakatkampagnen von Oliviero Toscani für Benetton. Dazu vereint Kuratorin Adelheid Rasche die sinnlich poetischen Fotoessays aus dem FAZ-Magazin von Christin Losta neben Sarah Moons ephemeren Momentaufnahmen, die mit ihrer Unschärfe jede Zweckhaftigkeit des Modeabbildes konterkarieren. Rasche scheut mit ihrem fabelhaft illustren Reigen von 240 Exponaten auf zwei Etagen weder Brüche noch Widersprüche.

Nicht alle Werke sind Auftragsarbeiten. So kreisen in der oberen Etage die künstlerischen Modebilder um ein flirrend skulpturales Zentrum: um die „Jacke“ von Kaoru Hirano. Die Japanerin beschleunigt in ihren spinnwebartigen textilen Objekten den Verfallsprozess, indem sie dem Gewand seinen Zwirn entzieht, es auflöst und zu neuer Form verzwirbelt. Das luftig gefädelte Jackenkleid hängt nun von hoch oben unter der Hallendecke bis zum Boden, wo sich seine Garne als Saum zu neuen Mustern kräuseln und als Kunstwerk verewigen.

Seit mittlerweile 111 Jahren bündelt die Sammlung Modebilder der Lipperheideschen Kostümbibliothek die Kulturgeschichte der Mode und Kleidung. Seit über 20 Jahren erforscht, ergänzt und verfeinert Adelheid Rasche verdienstvoll die Bestände. „Ohne die großzügigen Leihgaben und Schenkungen der Künstler wäre die Ausstellung so nicht möglich gewesen“, sagt sie. Aber vieles kommt aus den eigenen Beständen, wie die Werkgruppe von François Berthoud oder Peter Lindberghs Schwarzweißaufnahme von Nadja Auermanns legendären Beinen als Schatten, 1996 in den Paramount-Studios entstanden.

Man sollte sich jedoch nicht zur Gänze in der oberen Etage verlieren, etwa in der Betrachtung von Eric Traorés transluziden Tüllspitzenaufnahmen oder dem Photogramm „Bélisama“ von Nancy Wilson-Pajic, die die Entmaterialisierung der Mode am weitesten treibt. Denn im unteren Raum warten noch ganz andere Bildgestalten: „The Kouklitas“ des New Yorker Künstlers Andrew Yang etwa. Wie Aliens mit großen geschminkten Augen scheinen die Puppenunikate einer funkelnden Schatztruhe entstiegen. Ihre farbprächtigen, liebevoll mit Stoff- und Schmuckapplikationen gearbeiteten Kostüme und hochgeschraubten Hutkreationen hat Yang realen Modekollektionen nachempfunden. „Ramona“ ist nach einem Entwurf von Alexander McQueen von Kopf bis Fuß mit goldenen Pailletten bestickt.

Dagegen steht Karli-Bär ganz schön minimalistisch in der Vitrine. Der kleine, weiße Teddy im schwarzen Anzug, mit Sonnenbrille und Rockabillyschuhen hat die Firma Steiff 2008 dem wohl am häufigsten abgelichteten Modedesigner nachgebaut: Karl Lagerfeld. Daneben flimmern in der Leselounge Videoclips von Madonna bis Lady Gaga über zwei Bildschirme.

Modebilder sind der Kitt von Zeitgeist und Ästhetik, Kunst und Kommerz. Sie fixieren Lifestyle, formen Marken. So zieht sich auch das Logo dieser Schau dezent und mit einem Hauch von Silberglamour durch die Ausstellung: Die Buchstaben V und F (für "Visions and Fashion") wurden vom Grafikbüro Mario Lombardo elegant ineinander verschlungen. Als Idee diente ein spiegelndes Möbiusband – auf dem sich wie bei der Mode das Vergängliche mit dem Ewigen verbindet.

"Visions & Fashion", Kulturforum Potsdamer Platz, Berlin, bis 9. Oktober