10. Ausgabe der Kunstmesse

Was bringt die Contemporary Istanbul deutschen Galerien?

Die Kunstmesse Contemporary Istanbul steht in ihrem zehnten Jahr unter Druck und will sich internationalisieren. Sie konnte einige neue deutsche Aussteller hinzugewinnen können, darunter die König Galerie aus Berlin. Was hat ihnen die Teilnahme gebracht?

"IT'S ALL GOOD" vermeldet eine Licht-Schrift-Arbeit von Jeppe Hein auf dem Stand der Berliner König Galerie. Nichts könnte falscher sein! Nach der Wahl in der Türkei, die vor zwei Wochen Erdogans AKP-Partei die Macht sicherte, sind viele progressive Kräfte des Landes enttäuscht. Und beinahe wäre auch Istanbul am Wochenende von Anschlägen erschüttert worden: Laut offizieller Stellen in der Türkei habe ein IS-Kommando am Freitag, zeitgleich zu den Angriffen in Paris, Terrorattacken geplant. Sie konnten vereitelt werden. Doch die Ereignisse von Paris lagen atmosphärisch auch auf der Kunstmesse Contemporary Istanbul (CI), die am Sonntag zu Ende ging und zu der auch einige der insgesamt 103 Aussteller aus der französischen Hauptstadt angereist waren.

Dabei war die Messe der erste große Termin, an dem die Kunstszene der Stadt nach der Wahl wieder zusammenkam. Und es sei bei der Eröffnung vergangenen Mittwoch ein Gefühl des Trotzes zu spüren gewesen, berichteten Galeristen. Doch politische Kunst ist auch in diesem Jubiläumsjahr kaum zu finden. Es überwiegt weiterhin eher Dekoratives: großformatige, farbenfrohe, expressive Malerei.

Die Stände der Galerien aus Europa wirken hingegen zurückhaltend. Fahl im Vergleich zu den umliegenden Ständen wirkte die Einzelpräsentation von Vajiko Chachkhiani in der Koje des Berliner Galeristen Daniel Marzona: aschebedeckte Bildschirme, Zweige an der Wand, Krumen auf dem Boden. "Es ist sicher gewöhnungsbedürftig für das Publikum hier", sagt Marzona. Am Samstag hatte er lediglich eine Arbeit verkauft. Aber unzufrieden ist er nicht. Denn die Messe hatte ihm und anderen Ausstellern aus Berlin gute Konditionen angeboten.

Die CI, von lokalen Unternehmern gegründet, ist unter Druck: Im September fand zum dritten Mal in Istanbul die Messe ArtInternational statt, die von in- und ausländischen Investoren gestartet wurde - und sie hatte viele internationale Aussteller an. Dass sie parallel zur Istanbul-Biennale lief, hat sicher auch mehr Besucher von auswärts angezogen. Im kommenden Jahr spitzt sich die Situation weiter: Galeristen berichteten, dass zwischen den beiden Messen nur fünf Wochen liegen werden.

Zu ihrer zehnten Ausgabe legte die Messe einen Fokus auf Galerien aus Teheran. Und sie lud internationale Aussteller mit Angeboten und mit einer ungewöhnlich herzlichen Betreuung, wie Galersten bestätigen. Auch die König Galerie konnte sich über gute Konditionen freuen, auch für sie hat sich die CI vor allem wegen der neuen Kontakte gelohnt. Kurioserweise verkaufte sie die meisten Arbeiten nach Europa, da sich Sammler meldeten, die aus dem Galerien-Newsletter erfuhren, welche Arbeiten nach Istanbul gingen. Doch internationales Publikum vermisst Galerie-Direktor Gregor Hose: Es seien während der Laufzeit der Messe lediglich ein Amerikaner und ein Engländer dagewesen. Und den Berlin-Bonus, den es auf anderen Messen durchaus gebe, könne man hier vergessen, meint Hose. "Niemand klatscht hier Beifall, nur weil Du aus Berlin angereist kommst."

Die türkischen Sammler seien sehr zurückhaltend, bestätigt Stephan Koal von der Berliner Galerie Koal. Selten werde mal nachgefragt (allerdings dafür häufiger die Arbeiten angefasst). Aber auch er ist nicht unzufrieden und kann sich vorstellen wiederzukommen. "Man muss sich kennenlernen." Viele türkischen Sammler empfänden die internationalen Preise als zu hoch, sagten mehrere Galeristen.

Auch Xavier Laboulbenne aus Berlin hat nicht besonders gut verkauft. Er hat allerdings auch viel gewagt und mit drastischen Tuschearbeiten des Japaners Gengoroh Tagame eine politsches Statement in Richtung konservative Regierung gemacht: Die Zeichnungen zeigen pornografische Gewaltfanatasien, die auf Darstellungen türkische Ringer zurückgehen. Zur Eröffnung waren sie noch mit  Papier abgedeckt, das Besucher anheben mussten, um die Arbeiten zu betrachten. Gegen Ende der Messe hingen sie dann aber schon unbedeckt an der Wand. Es ist nicht alles gut, aber auch nicht alles verloren.