Heidi Specker in Berlin

Stadtgewächse

Heidi Specker fotografiert neuerdings auch Menschen

Mit ihren "Speckergruppen Bildings" wurde sie in den 90ern bekannt: Heidi Speckers Bilder von Berliner Nachkriegsfassaden machten sie zur Pionierin der Digitalfotografie. Warum? Photoshop war für die Künstlerin keine illusionistische Trickkiste, sondern ein Vergröberungsmittel. Die Bildwirkungen waren bewusst flächig und ornamental. Aus "Buildings" wurden "Bildings".

Nun stellt Specker, in Niedersachsen geboren, in Bielefeld und an der HGB Leipzig ausgebildet, erstmals Porträts aus. "IN FRONT OF" heißt die Serie und zugleich ihr großes Museumssolo in der Berlinischen Galerie.

Es ist ein großer Sprung, nicht nur den überraschenden Genrewechsel der Fotografin betreffend. Specker versucht nicht, die malerischen Wirkungen der Grobpixel-Ära zu reanimieren. Sie arbeitet mit den hochdetaillierten Auflösungen, die heutzutage selbst Fotohandys bieten. Vor allem aber betreibt Specker Menschenfotografie auf der Höhe der Zeit. Das tritt besonders deutlich hervor, wenn klassische Porträts – etwa ein Glamourfoto von Liz Taylor aus den 50ern – ins Blickfeld geraten. Specker konstruiert demgegenüber keine Images, und sie hat ihren Modellen, die sie in ihr Kreuzberger Studio bat, auch keinerlei Selbstdarstellung erlaubt. Typische Anweisung: "Stell dir vor, du wartest auf den Bus." Die Personen gucken in die Luft, stehen unschlüssig herum oder drehen sich zur Wand. Sie werden fragmentarisiert: Hände stecken in Handschuhen oder streicheln Tiere. Anderswo sind die Leute ganz
verschwunden. Dann bleibt ein Vorhang, eine Porzellankatze, eine Pudelmütze, in die jemand eine Karnevalsperücke gestopft hat.

Das Ganzheitliche, Romantische, Naturidentische ist Specker fremd. Diesem Lebensgefühl entspricht bereits die zehn Jahre ältere Serie "IM GARTEN", die sich in der Museumssammlung befindet. Die Reihe funktioniert wie ein Bindeglied zu Speckers Frühwerk; die digitalen Artefakte, das reduzierte Farbspektrum, das digitale Medium als Botschaft stehen noch im Vordergrund. Die Fotografin hat im Berliner Stadtraum damals Bäume vor monochromen Hauswänden abgelichtet. Was nach Collage aussieht, ist das visualisierte Zusammentreffen von Natur und Architektur. Alltäglich. Sicher, aber wer kommt darauf, das Selbstverständliche ins Bild zu setzen? Eine Künstlerin.