Geht doch - Ein neues Galeriehaus zeigt, dass auch in Berlin gnadenlos modern gebaut werden kann

Wenn in Berlin etwas neu gebaut wird, dann soll es meist aussehen wie vor langer Zeit entstanden. Unter lauter Geschichtsbewusstsein erstickt jedes Gefühl für Gegenwart. Vielen Architekten ist herzlich wurst, wo sie gerade bauen, Hauptsache, es hat genug Quadratmeter – im Bezirk Mitte ist das gut zu beobachten an all den kastenförmigen Partytouristen-Hostels mit lächerlichen Namen wie „Wombat’s“.

In der Brunnenstraße entstand jetzt ein Gebäude, das zeigt, was in Berlin möglich wäre, wenn Bauherren und Architekten nicht derart mutlos wären: ein gnadenlos modernes Galeriehaus, rau und elegant zugleich, mit einer Fassade aus unverputztem Beton und transluzenten Großfenstern.
Ausgangspunkt war eine brachliegende Inves­torenruine aus der Goldgräberzeit Anfang der 90er-Jahre, an die sich seither kein Architekt herangewagt hat. Dann kam Arno Brandlhuber. Er ist einer der interessantesten Architekten des Landes derzeit, weil er auf theoretische, urbanistische Fragen leichtfüßige und praktische Antworten findet. Das Wort „experimentell“ hat bei ihm jedenfalls eine ausgesprochen handfeste Bedeutung.

„Wir haben die schwierigen Bedingungen des Baugrundstücks als Ausgangsbasis des Entwurfs akzeptiert“, sagt Brandlhuber, und genau diese Bedingungen machen das Haus jetzt aus: eine außen liegende Treppe, die schön halsbrecherisch wirkt und im Innern Platz schafft. Schiefe Ebenen, sichtbare Materialspuren. Und ein angeschrägtes Dach, das aussieht wie die Origami-Version eines Eisbergs.

Die einen wundern sich erfreut, dass so etwas in Berlin überhaupt genehmigt wird. Die anderen wittern nun die „Chichifizierung“ der bis heute recht schmuddeligen Brunnenstraße. Wird das Haus die Gegend jetzt sauber und teuer machen, wie das New Museum die Bowery in New Yorks Lower East Side? Das werden wir in zwei Jahren mal die Drogendealer im Weinbergspark fragen.

Bis dahin empfehlen wir, dieses Haus zu besichtigen. Auch von innen: Im Erdgeschoss residiert die neue Galerie Koch Oberhuber Wolff. Der letzte Teil ihrer Ausstellungstrilogie „Antirepresentationalism“, die sehr sehenswerte Konzept- und Videokunst aus Leipzig zeigt, ist noch bis zum 15. Januar 2010 zu besichtigen.