Miranda Julys "The Future"

Die Zukunft kann beginnen

Von nun an geht es bergab. Ein Monat bleibt Sophie und Jason, ein Mittdreißiger-Paar, bis sie eine kranke Katze aus dem Tierheim holen, die all ihre Aufmerksamkeit und Jugend einfordern wird. So glauben die beiden. Also einmal noch frei sein, das Leben genießen. Sophie gibt ihren Job auf und will auf der Videoplattform Youtube Tanzvideos posten, scheitert aber kläglich (im Gegensatz zur echten Miranda July und ihren großartigen Internetaktionen). Jason versucht das Weltklima zu retten und verkauft Bäume an der Haustür. Bei aller Sinnsuche verlieren sich die beiden jedoch aus den Augen. Sophie beginnt eine Affäre. Jason lässt sich von einem alten kauzigen Bastler unterhalten, tagein, tagaus.

„The Future“, die neue, langersehnte Arbeit von Miranda July ist ein Beziehungsfilm. Gezeigt wurde er bereits auf dem Sundance Festival, am Dienstagabend hatte er auf der Berlinale Premiere und ist Anwärter auf einen Goldenen oder Silbernen Bären. Es ist ein leichtfüßiger Film, klug, komisch. Allein deshalb, weil die Geschichte aus der Sicht der Katze Pfötchen erzählt wird, die Miranda July mit Quietschstimme selbst spricht. Weil der Mond Ratschläge erteilt und weil keiner darüber jammert, wie schwer es ist, erwachsen zu sein. Solche Filme gibt es ja genug. „Woher kommt der Leberfleck auf deiner Wange“, fragt Sophie ihren Freund, gespielt von Hamish Linklater. „Ich weiß es nicht“, antwortet er. „Wir wissen vieles nicht“, findet Sophie.

Stimmt. Klar hingegen ist: Die Amerikanerin Miranda July ist eine Alleskönnerin (ein ausführliches Porträt finden Sie in der Februar-Ausgabe von Monopol). Sie schreibt Kurzgeschichten („Zehn Wahrheiten“), dreht Videos und macht Performances, sie war zur Whitney-Biennale und zur Venedig-Biennale eingeladen. Wie in ihrem preisgekrönten Spielfilmdebüt „Ich und du und alle, die wir kennen“ übernimmt sie selbst die Hauptrolle. Je weiter der Film voranschreitet, desto langsamer werden ihre Bewegungen, desto haltloser der Blick. Und desto verzauberter wird diese Welt, die Los Angeles ist, aber auch die des Zuschauers sein könnte, so sehr fühlt man mit dieser sympathisch verplanten jungen Frau. Es ist rührend und schräg zugleich, wenn Sophies „Shirty“, das geliebte Schnuffeltuch, ihr plötzlich hinterherkriecht, ins Bett des neuen Mannes. Dort, wo die Laken so schön sind und die Vasen um sie herum so spießig. Dort muss sie nicht nachdenken, wer sie ist und was sie will, weil der Typ einfach ganz und gar nicht zu ihr passt. Als sie sich in ihr Shirt wie in eine Schutzhülle hineinwickelt, entdeckt sie der Lover, in seinen Augen steht das Unverständnis. Das ist der Performance-Moment in diesem Independent-Film, wenn sie kopflos und tastend durch das Zimmer stolpert.

In "The Future" lebt die 37-jährige Künstlerin Gedankenspiele aus, die sie in ihren Installationen und Performances nur als hypothetische Fragen formulieren kann. Fragen nach richtigen und falschen Entscheidungen, nach Beziehungen, nach dem Sinn des Lebens. Im Kino ist das Unmögliche möglich: Jason hält allein mit Geisteskraft die Zeit an. Die Kamera streift immer wieder das Endlostreppenhaus eines M.C. Eschers. Und doch ist es am Ende einfach nur Sophie, die zu ihrem Freund zurückkehrt. Die Zukunft kann beginnen.

Weitere Termine Berlinale: 16.2.: Friedrichstadtpalast, 15.30 Uhr; Urania, 22.30 Uhr, 17.2.: Adria, 18.30 Uhr, 20.2.: Berlinale Palast, 22.30 Uhr