Dan Perjovschi und Victor Man in Lübeck

Die transsilvanischen Verwandten sind da

Wer in diesen Tagen den im Stil der Neuen Sachlichkeit errichteten Pavillon der Lübecker Overbeck-Gesellschaft aufsucht, muss zweimal hinschauen: Das sonst so makellos weiße, denkmalgeschützte Gebäude von Wilhelm Bräck ist über und über mit kleinen Zeichnungen und Sprüchen bemalt. Es sind politische Botschaften, Spitzen auf Ehec, Lady Gaga, den globalen Kapitalismus.

Der rumänische Zeichner Dan Perjovschi, Jahrgang 1961, stellt hier unter anderem mit wenigen markanten Strichen die Akropolis dar. Eine der Säulen macht sich selbstständig und verwandelt sich in einen Demonstranten. Auf einer Zeichnung schaut ein Mann der New Yorker Freiheitsstatue prüfend unter den Rock. Perjovschi ist es gewohnt, die Verhältnisse auf den Punkt zu bringen. In seiner Heimat ist er seit 20 Jahren als politischer Zeichner für das angesehene Wochenblatt „Revista 22“ bekannt.

Nachdem es der Overbeck-Gesellschaft kurzfristig gelungen war, vom Lübecker Amt für Denkmalschutz die Genehmigung für die temporäre Gestaltung der Fassade des Pavillons zu bekommen, konnte Perjovschi loslegen. Auch im Innenraum des Pavillons hat er Spuren hinterlassen. Subtile, mit dünnem Bleistift aufgetragene Zeichnungen an den Wänden stehen im losen Dialog mit Arbeiten seines Landsmanns Victor Man, Jahrgang 1974. Der Titel dieser Doppelausstellung lautet „The Painting, the Drawing and Other Objects and Situations“.

Transsilvanische Mythen treffen auf Konsumkultur
Während die Kunst Dan Perjovschis leicht entschlüsselbar ist, schafft Victor Man rätselhafte Momente. Seine dunkeltonigen Gemälde, die fragilen Ready-mades und Assemblagen suchen sich Anleihen beim Surrealismus. Kristalle, ein mysteriöser Katzenkopf, der präparierte Vorderlauf eines Rehes, eine flüchtig mit einem Stück Draht befestigte Feder, eine heidnische Götterfigur (Made in China) auf einer leeren Katzenfutterdose: Man bringt disparate Ordnungs- und Erfahrungssysteme in einen spannungsvollen Zusammenhang. Transsilvanische Mythen treffen auf archetypische Urbilder, Jenseitsvisionen und die Ästhetik des Alltags.

Die in den Karpaten spielende Einsiedler-Novelle „Basil Hymen“ von Leopold von Sacher-Masoch etwa liefert die Folie für eine mehrteilige Installation. Victor Man geht es mehr um Andeutungen als um Wirklichkeiten, mehr um Atmosphärisches als um Deutungshoheit: „Ich will keine Geschichte erzählen, sondern Möglichkeiten geben für eine Geschichte“, sagt er. 2007 bespielte er den rumänischen Pavillon auf der Biennale Venedig. Der weltweit gebuchte Künstler hat Ateliers in seiner Heimatstadt Cluj und mittlerweile auch in Berlin.

Victor Man gelingt eine visuelle Verdichtung, die alle Einzelarbeiten unterschwellig miteinander verklammert. Im zentralen Raum liegen zwei Betonquader, versehen mit kleinen Bohrungen. Darin verbirgt sich Vogeldreck. Die kleinen Hinweise auf das Alltägliche, das Banale, aber auch das Schmutzige verbinden die beiden Künstler. Dan Perjovschi macht sich in seinen Graffitis einen Reim auf die Ungereimtheiten dieser Welt. Nach Ende der Ausstellung werden sie unter weißer Farbe verschwinden. Das ist das Schicksal dieser Kunst.

Overbeck-Gesellschaft, Lübeck bis 14. August