Von einem „sensationellen Bilderschatz“ spricht der Verlag, von einer Geschichte, die den „Stoff für einen spannenden Film liefern würde“ und einer Entdeckung, mit der „die Geschichte der Street Photography neu geschrieben werden muss.“ Hoppla, denkt man, jetzt aber mal langsam, bis man dieses Buch dann aufschlägt: „Vivian Maier. Street Photographer“ rechtfertigt die vollmundigsten Ankündigungen.
Über ihr Leben ist kaum mehr bekannt, als dass Vivian Maier 1926 in New York zur Welt kam und ab den 50er-Jahren in Chicago als Kindermädchen arbeitete. Bis 1990 machte Maier mehr als 100.000 Fotos in Chicago, New York und Frankreich, die sie zu Lebzeiten jedoch niemandem zeigte. Das Konvolut lagerte zusammen mit anderem Besitz bei einer Spedition und wurde verkauft, als Maier die Gebühren nicht mehr zahlen konnte. 2007 stieß der Stadthistoriker John Maloof bei einem Auktionshaus in Chicago auf eine Schachtel Negative unbekannter Herkunft – und leitete so die Entdeckung dieser einmaligen Fotografin ein.
Es ist kaum zu glauben, dass Maier nie eine Fotografieausbildung absolviert haben soll: Sie beherrscht Porträts, arbeitet mit Spiegelungen und Perspektiven im Stil des neuen Sehens, teilt mit Lee Friedlander den coolen Blick auf das moderne urbane Leben, zeigt aber auch das verarmte afro-amerikanische Milieu und die polnische Community von Downtown Chicago. Ein totes Pferd liegt am Straßenrand der Metropole, ein Mann passiert einen Bauzaun aus Türen, ein Obdachloser - im Kopfstand vor einem „Striporama“…
"Es gibt nichts Neues unter der Sonne"
„Vivian Maier hat sich zutiefst für ihre Umwelt interessiert“, schreibt Maloof in einem Begleittext. Möglich, dass aus ihren lakonischen Aufnahmen, in denen das Dokumentarische, Sozialkritische und Surreale kaum zu unterscheiden sind, tiefer Humanismus spricht. Vielleicht hat sie sich ihren besonderen Blick aber auch von den Kleinen abgeschaut, die sie als Nanny hütete. Kinder jedenfalls sind wiederholt ihre Protagonisten: selbstvergessene Großstadtindianer, beste Freundinnen, ein schreiender Lockenkopf, in dessen Tränen sich das Blitzlicht spiegelt – für Street Photographers wie für Kinder ist die Straße die Bühne der Wirklichkeit.
Vivian Maier, die 2009 im Alter von 83 Jahren starb, hat ihre Entdeckung als Fotografin nicht mehr erlebt. Kurz vor ihrem Tod hat sie in einer Tonbandaufnahme über den Sinn von Tod und Leben reflektiert: „Wir müssen anderen Menschen Platz machen. Es ist ein Rad – man springt auf und fährt bis zum Ende, und dann hat jemand anders die Gelegenheit, bis zum Ende zu fahren, und wird seinerseits von einem anderen abgelöst. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“
"Vivian Maier. Street Photographer", herausgegeben von John Maloof, Schirmer/Mosel, 136 Seiten, 39,80 Euro
Über ihr Leben ist kaum mehr bekannt, als dass Vivian Maier 1926 in New York zur Welt kam und ab den 50er-Jahren in Chicago als Kindermädchen arbeitete. Bis 1990 machte Maier mehr als 100.000 Fotos in Chicago, New York und Frankreich, die sie zu Lebzeiten jedoch niemandem zeigte. Das Konvolut lagerte zusammen mit anderem Besitz bei einer Spedition und wurde verkauft, als Maier die Gebühren nicht mehr zahlen konnte. 2007 stieß der Stadthistoriker John Maloof bei einem Auktionshaus in Chicago auf eine Schachtel Negative unbekannter Herkunft – und leitete so die Entdeckung dieser einmaligen Fotografin ein.
Es ist kaum zu glauben, dass Maier nie eine Fotografieausbildung absolviert haben soll: Sie beherrscht Porträts, arbeitet mit Spiegelungen und Perspektiven im Stil des neuen Sehens, teilt mit Lee Friedlander den coolen Blick auf das moderne urbane Leben, zeigt aber auch das verarmte afro-amerikanische Milieu und die polnische Community von Downtown Chicago. Ein totes Pferd liegt am Straßenrand der Metropole, ein Mann passiert einen Bauzaun aus Türen, ein Obdachloser - im Kopfstand vor einem „Striporama“…
"Es gibt nichts Neues unter der Sonne"
„Vivian Maier hat sich zutiefst für ihre Umwelt interessiert“, schreibt Maloof in einem Begleittext. Möglich, dass aus ihren lakonischen Aufnahmen, in denen das Dokumentarische, Sozialkritische und Surreale kaum zu unterscheiden sind, tiefer Humanismus spricht. Vielleicht hat sie sich ihren besonderen Blick aber auch von den Kleinen abgeschaut, die sie als Nanny hütete. Kinder jedenfalls sind wiederholt ihre Protagonisten: selbstvergessene Großstadtindianer, beste Freundinnen, ein schreiender Lockenkopf, in dessen Tränen sich das Blitzlicht spiegelt – für Street Photographers wie für Kinder ist die Straße die Bühne der Wirklichkeit.
Vivian Maier, die 2009 im Alter von 83 Jahren starb, hat ihre Entdeckung als Fotografin nicht mehr erlebt. Kurz vor ihrem Tod hat sie in einer Tonbandaufnahme über den Sinn von Tod und Leben reflektiert: „Wir müssen anderen Menschen Platz machen. Es ist ein Rad – man springt auf und fährt bis zum Ende, und dann hat jemand anders die Gelegenheit, bis zum Ende zu fahren, und wird seinerseits von einem anderen abgelöst. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“
"Vivian Maier. Street Photographer", herausgegeben von John Maloof, Schirmer/Mosel, 136 Seiten, 39,80 Euro