Gruppenschau in Bremen

Nix Käse

Das Künstlerhaus Bremen blickt in "Das Loch" und findet eine Kunst- und Kulturgeschichte

Das Loch? Das Künstlerhaus Bremen stellt sich dem scheinbar abseitigen Thema mit grundsätzlichem Ernst: Es geht um das Loch als eine in der Moderne omnipräsente Form, die Systeme durchdringt und miteinander verbindet.

Um diese philosophische Vorstellung anschaulich zu machen, haben die Kuratorinnen Objekte, Dokumente und Arbeiten von mehr als zwei Dutzend Künstlern zu einem dichten Parcours arrangiert. Vitrinen mit Leihgaben aus dem Deutschen Technikmuseum in Berlin, dem Archiv Marzona und etlichen anderen Quellen liefern Hintergrundinformationen zur Technik-, Sozial- und Kunstgeschichte. Ob Papierlocher, Leitz-Ordner, Lochschallplatte oder Lochkarte: Löcher speichern Informationen und schaffen komplexe Systeme. Die missbraucht werden können: Das NS-Regime benutzte Lochkarten der amerikanischen IBM-Tochter Hollerith für Volkszählungen, die schließlich den Strategen des Holocaust in die Hände spielten.

Auch in der Kunst taucht das Loch erstaunlich häufig auf. Die älteste Arbeit der Schau ist eine Ausstanzung in der Dada-Zeitung "Proverbe" von Francis Picabia aus dem Jahr 1920/21. Lawrence Weiner nähert sich dem Loch sprachphilosophisch: "Carefully balanced on the edge of a hole in time", schreibt er in Kreisform an die Wand. Gordon Matta-Clarks Film "Conical Intersect" von 1975, entstanden während der Bau- und Abrissarbeiten für das Centre Pompidou in Paris, thematisiert das Loch als Leerstelle im urbanen Raum. Simon Starling untersucht die Geschichte der Lochkartenweberei. Peter Piller präsentiert Fotografien aus Regionalzeitungen, die Kommunalpolitiker beim inspizierenden Blick in Baugruben und Schächte zeigen. Und der Outsider-Künstler Adelhyd van Bender ist mit prall gefüllten Ordnern vertreten, die einen ganz eigenen Kosmos zu Löchern, Selbstreflexion und Unterbewusstsein entfalten.

Die sorgsam zusammengestellte Ausstellung begreift das Loch wörtlich und metaphorisch, als rationales und als irrationales Gebilde. Seit Kurt Tucholsky 1931 in seinem Aufsatz "Zur soziologischen Psychologie der Löcher" zu so einleuchtenden Erkenntnissen wie "Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs" kam, ist wohl selten so geistreich über das Verhältnis zwischen dem Etwas und dem Nichts reflektiert worden.