Das Kunsthistorische Museum der österreichischen Hauptstadt ist nichts für Wien-Anfänger. Ist man erstmal drin im historistischen Prachtbau, kommt man schwer wieder heraus – aus dem Staunen wie aus den Sammlungen.
Der gebürtige Salzburger Johannes Holzhausen stellte im Forum der Berlinale „Das große Museum“ vor. So einen Titel könnte sich die PR-Abteilung des Museums ausgedacht haben. Und natürlich versuchen die Museumsleute ihr Haus und ihre Tätigkeit im besten Licht darzustellen. Je nach Ranghöhe in der Hierarchie nimmt das Repräsentationsbedürfnis merklich zu.
Es gelingt dem Filmemacher trotzdem, hinter die Kulissen zu schauen. Auch im übertragenen Sinn. Sicher hätten die Gefilmten bei manchem Detail ein Veto eingelegt. Doch Holzhausen hatte vorgesorgt, vertraglich war geregelt, dass seine Endfassung nicht zur Diskussion stehen würde. Während des Drehs – in 15 Monaten kamen 150 Stunden Material zustanden – hätten die Herrschaften wohl hier und da „Kamera aus“ rufen können. Aber da kamen dem Regisseur sein kunsthistorisches Erststudium und seine rhetorischen Fähigkeiten zugute.
Da ist die Sache mit dem „Turmbau zu Babel“. Holzhausen gab dem von Pieter Bruegel dem Älteren 1563 geschaffenen Gemälde eine rahmende Rolle im Film. Generaldirektorin Sabine Haag war misstrauisch – wie der Filmemacher auf der Berlinale erzählte. Sie argwöhnte, Zuschauer könnten Parallelen zwischen dem biblischen Fiasko und der Situation eines Museums ziehen. Das konnte Holzhausen ihr ausreden. Und bei der museumsinternen Vorführung des fertigen Films hätten ein Paar Flaschen Champagner ähnliche Stimmungsschwankungen verhütet.
Teilweise kann man die beteiligten Chefs und Experten verstehen. Holzhausen kostet jene Momente aus, in denen die Beteiligten die Kameras vergessen haben. Einmal hält sich der Kaufmännische Geschäftsleiter ziemlich übertrieben mit der Typographie in einer Werbebroschüre auf. Die Grafikerin, deren Arbeit in der Kritik steht, verzieht keine Miene.
Überhaupt scheinen die Nerven da zu schwächeln, wo es um Außenwirkung, Verteilungskämpfe, Geld und die Rückendeckung durch die Politik geht. Holzhausen drehte seinen Film zur Zeit der Neugestaltung der ins Museum integrierten „Kunstkammer Wien“. Eröffnet wurden die Säle, in denen, neben älterer Kultur, auch Objekte Olafur Eliassons installiert sind, im März 2013. Der österreichische Bundespräsident feierte mit. Holzhausen filmte die Veranstaltung in vielen Totalen – bei ihm eine fade Feier. Die Ziele der Leitung, mit der Kunstkammer kurzfristig die Besucherzahlen zu erhöhen, haben sich übrigens nicht erfüllt.
Jenseits der Absperrungen und Sicherheitstüren fängt der Museumsbetrieb erst an. Die Kamera blickt in Büros, Magazine und Restaurierungswerkstätten. Sie eilt hinter einem Mitarbeiter her, der auf einem Roller durch die Räume rast wie der Junge, der in Kubricks „Shining“ durch die Flure des Overlook Hotel fährt.
Die Kamera ist dabei, wenn Kaiserkronen mit behandschuhten Fingerspitzen angefasst werden. Sie sieht zu, wenn Mitarbeiter die Fährten von Schädlingen aufgenommen haben, die Ölgemälde mögen. Mitunter wähnt man sich eher im Biolabor als im Museum. Oder beim Tierarzt, wenn ein Eisbärenfell gereinigt wird – inklusive einer Zahnbehandlung des Eisbärenkopfes. Holzhausen zeigt die Tierliebe des (heute pensionierten) Direktors der Hofjagd- und Rüstkammer, der sympathische alte Herr füttert die Tauben vor seinem Bürofenster mit Brie und Walnüssen.
Den Vögeln geht's gut, die Direktorin der Gemäldegalerie ist zuweilen verstimmt. Dann etwa, wenn der Finanzchef ihr die Grenzen ihres Budgets aufzeigt. In einer Sitzung, in der ausdrücklich das „Fußvolk“ gefragt ist, beschwert sich eine Garderobiere darüber, dass sie nie in den Abteilungen vorgestellt wurde. Wo sie doch seit über zehn Jahren im Museum tätig sei. „2020 ist es vielleicht soweit“, klagt die Frau. Im Nachspann erfährt man, dass sie inzwischen verstorben ist.
"Das große Museum" läuft ab dem 16. Oktober 2014 in den deutschen Kinos