David Claerbout in Berlin

Das 1000-jährige Video

Der belgische Künstler David Claerbout lässt das Berliner Olympiastadion verfallen

Adolf Hitler verfolgte auch architektonisch grausige Visionen. Die von seinem Staatsarchitekten Albert Speer errichteten Bauwerke, so der Diktator 1937, sollten "nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft".

Mit einem der Großvorhaben aus der Nazizeit setzt sich jetzt der belgische Künstler David Claerbout auseinander. Seine Arbeit "Olympia" ist eine Echtzeitsimulation des Berliner Olympiastadions, angelegt auf sagenhafte 1000 Jahre, und doch wenig monumental. Claerbout hat ein Computerprogramm entwickelt, das die Entwicklung des Stadions simuliert, wenn es allein der Natur überlassen würde. Er sprach mit Architekten und Meteorologen, erfuhr dass die Muschelkalkfassade eines der widerstandsfähigsten Materialien überhaupt ist, er fragte Biologen, welche Pflanzen sich dennoch ansiedeln würden – und lässt diese Daten von einem Algorithmus berechnen.

Anfangs sind Bauwerk und Bild identisch, aber bald werden in der Simulation die ersten Birken sprießen, Fakt und Fiktion immer weiter auseinanderstreben: Ein organischer, fast schon absurd langsamer Verfall, ein Nicht-Spektakel im Spektakelbau. Claerbout hat die Videosimulation eigens für das 20 Meter hohe Kesselhaus im Kindl-Kunstzentrum entwickelt. Für die nächsten 50 Jahre wird sein Studio das Projekt verwalten, dann soll ein anderer Künstler übernehmen.