Sie wollten mal was machen in ihrem Ateliergelände in Berlin Weißensee, wo eine Künstlergruppe um Jonas Burgert seit fünf Jahren eine alte Halbleiterfabrik herrichtet. Jeder sollte befreundete Künstler fragen. Erst waren es 40. Dann wurden es 100. "Und jetzt haben wir die letzten zwei Wochen eigentlich komplett damit verbracht, Kunst von anderen Leuten durch die Gegend zu schleppen", sagt der Maler Christian Achenbach lachend. Die beträchtlichen Kosten haben sie erst einmal vorgelegt, zur Refinanzierung gibt es eine Edition.
Es hat sich gelohnt. Denn das, was Achenbach, Burgert, Zhivago Duncan, Andreas Golder, John Isaacs und David Nicholson an der Lehderstraße auf die Beine gestellt haben, wurde zum Überraschungsevent des Gallery-Weekend-Wochenendes. Zur Eröffnungsparty am Donnerstag drängen sich die Leute im großen Hof, wo sogar der Pool bereits mit warmen Wasser gefüllt ist, sie schieben sich durch die mehr als großzügigen Ateliers der Künstler und durch die Hallen, die teilweise extra für das Artist’s Weekend überhaupt erst Strom und minimale Infrastruktur bekommen haben.
Am eindrucksvollsten ist das über 100 Jahre alten Heizkraftwerk des Geländes, in deren Katakomben einen ein gruseliger Kopf von Andreas Golder oder – perfekt eingepasst unter einer Treppe - ein krächzender Freak von Björn Melhus begrüßt. Der Trommelklang in der Etage darüber stammt von einer Installation von Anri Sala. Die Halle ist gigantisch hoch und bis oben mit Bildern bespielt – hier hat eine befreundete Kletterfirma geholfen.
In anderen ehemaligen Produktionshallen ist Platz für große Skulpturen, immer wieder viel Malerei und Grafik in Petersburger Hängung, für ein Screening von einem Film von Julian Rosefeldt und für ein kleines Video von Bruce Nauman (ob sie den auch einfach angerufen haben?), man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll.
Über eine grüne Leiter gelangt man in ein skurriles Kämmerchen mit Teppichboden und spießiger Schrankwand, in dem John Bock sitzt und stundenlang Frösche knetet, die er an die vor ihm hockenden Kinder verschenkt. In allen Ateliers, überall sind Werke, rund 400 insgesamt, aus dem Geist des freudigen Überflusses und gleichzeitig mit exzellentem Blick für das Zusammenspiel mit der Architektur installiert.
"Ngorongoro" haben die Macher ihre Ausstellung genannt, nach einem kollabierten Vulkan in der Serengeti, in der sich frei von menschlichem Einfluss eine einzigartige Biosphäre entwickelt hat. Und so wirkt auch die ganze Schau: Die Tiere werden losgelassen, zur Freude aller.
Seine perfekte Ergänzung findet die Kunstparty der Jungs in der Ausstellung, die Jan-Philipp Sexauer gleichzeitig in seiner ebenfalls dort gelegenen Galerie zeigt: Er präsentiert die Gruppe "Saloon", ein rein weibliches Netzwerk aus meist jüngeren Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen. "Fuck the pain away", so fordert eine Hängeskulptur aus glitzernden Buchstaben. Ansonsten geht es hier deutlich weniger punkig zu als nebenan: Kuli-Zeichnungen, intelligente Keramikskulpturen.
Der Frauen-Saloon wird länger bestehen als der "Ngorongoro"-Dschungel nebenan: Der wird nämlich nach dem Wochenende wieder abgeräumt. Schließlich müssen die Künstler in ihren Ateliers irgendwann auch mal wieder arbeiten.