Video-Porträts zur Documenta

Athener Künstler im Porträt

Zwei Frauen, ein Mann: Paki, Chrysanthi und Kosmas betreiben den ersten nur von Künstlern geführten freien Ausstellungsraum in Athen, mitten im anarchistischen Szeneviertel Exarchia.

Am 8. April startet die Documenta 14 in Athen. Erstmalig in der 1955 in Kassel gestarteten Geschichte der Documenta gibt es einen zweiten Ort, an dem die große Weltkunstschau gezeigt wird, über 2000 km weiter südlich von Kassel, im krisengeschüttelten Athen. Begleitend zur Ausstellung zeigt die Arte-Creative-Serie "Art & Survival" neun Porträts verschiedener Protagonisten der Athener Kunstszene. Wir zeigen die Folgen exklusiv vorab

Folge 1: Augen auf!

Die 25-jährige Thalia Galanopoulou ist Fotografin und Künstlerin. In ihren Arbeiten setzt sie sich mit der Krise in Griechenland und ihren Ursprüngen auseinander: In der Athener Innenstadt hat sie Geflüchtete und verarmte Griechen porträtiert –  und in London junge Banker. Die Documenta 14 sieht sie als Chance, um in der internationalen Gemeinschaft auf die Situation der Griechen und die Athener Kunstszene aufmerksam zu machen.

 

Folge 2: Ruinen-Theater

Das Theater Embrós ("Vorwärts") ist ein bekannter Ort des Athener Underground. Ein besetztes Haus, das nun von freien Theatergruppen bespielt wird: ein Ort des künstlerischen und politischen Widerstandes. Hier führt Schauspielerin Tatiana Skanatovits eine "One Woman Stand-Up-Tragedy" auf: eine griechische Krisen-Tragödie als Comedy. "Unser Land ist kaputt? Let's move on!" – so Tatianas Motto. Parallel zur Documeta 14 startet das Embrós-Theater eine wöchentliche Veranstaltungsreihe mit dem Titel: "Anti-documenta".

 

Folge 3: Lebens-Kunst

Der US-amerikanische Künstler Rick Lowe hat ein besonderes Kunstprojekt für die Documenta 14 in Planung: an einem zentralen Platz in Athen, dem Victoria Square, baut er gerade ein "Community Project" auf. Rick Lowes Kunst verortet sich im Bereich der sozialen Plastik. Kunst soll nicht nur für sich selbst stehen. Was nutzt die Kunst den Menschen? Wie verbessert sie das Leben? In keiner anderen Stadt wird so akut um Antworten auf diese Fragen gerungen wie im heutigen Athen.

 

Folge 4: Rock 'n' Roll

Die Band "Thee Holy Strangers" enstand 2012 , auf dem Höhepunkt der Massenproteste des "Oxi" ("Nein") gegen die europäische Sparmaßnahmen: die Independent-Musiker rund um Alex K., Sänger-Legende der alternativen Rock-Szene Athens, trafen sich auf den Protesten des Syntagma-Platzes mit dem Ziel, der poetischen Perspektivlosigkeit etwas entgegenzusetzen: harten Garagen-Rock, voller Soul. Die Texte von Alex K., dem "griechischen Nick Cave", umschreiben das Lebensgefühl einer verlorenen Generation. Die Folge begleitet die Band in ihrem Probenraum und in den Straßen des Szene-Viertels Psirrí.

 

Folge 5: Kunst-Kollektiv

Zwei Frauen, ein Mann: Paki, Chrysanthi und Kosmas betreiben den ersten nur von Künstlern geführten freien Ausstellungsraum in Athen, mitten im anarchistischen Szeneviertel Exarchia. Die Künstler-Galerie 3137 belebt Athens Kunstszene seit fünf Jahren mit originellen Pop-up-Shows. Die Vernissagen sind kleine Nachbarschaftsparties. Die Folge begleitet die drei Künstler zu einem Ort ihrer Inspiration für die eigene künstlerische Arbeit: Monastiraki.

 

Folge 6: Tu was!

Die Kunstszene in Athen kämpft ums Überleben, und Überleben wird hier eine Kunstform. Die Documenta 14 unterscheidet nicht zwischen Kunst und Politik, zwischen ästhetischer Ausformung und sozialem Handeln. Deshalb begleitet diese Episode die Flüchtlingshelferin Sofia Nefeli. Die junge Aktivistin führt zu einem außergewöhnlichen Ort, dem ehemaligen Hotel City Plaza im Zentrum Athens. Es wurde von autonomen Gruppen besetzt und beherbergt heute rund 400 Flüchtlingsfamilien aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Ohne Unterstützung ihres bankrotten Staates versorgen die Athener hier die Flüchtlinge in kompletter Eigeninitiative.

 

Folge 7: Kunst-Räume

Nur 0,3% des griechischen Staatshaushaltes gehen an die staatliche Kulturförderung. Die freie Galeristen Iliana Fokianakis zeigt, welche verheerenden Konsequenzen diese Kultupolitik für den Athener Kulturbetrieb hat. Das einstig bedeutende "Nationale Museum für Gegenwartskunst" (EMS) ist zu einem Geisterhaus geworden – aus Kostengründen kann die Sammlung zeitgenössischer Kunst nicht mehr gezeigt werden. Nur privat finanzierte Häsuer können überleben, wie das Kulturzentrum der "Stavros Niarchos Foundation", ein brandneuer Bau von Architekt Renzo Piano und Vorzeigeprojekt privaten Mäzenatentums.

 

Folge 8: Maler-Ego

Breite Pinselstriche, Figuren in absurden Situation, die Gesichter anonym, nie ausdefiniert. Apostolos Georgius großformatige Leinwände sind beeindruckende figurative Studien – aber wovon eigentlich? Die Bilder zeigen Menschen in ungewöhnlichen Posen, selbstironisch, anonym. Haben sie Grenzen überschritten? Provozieren sie? Bereuen sie? Georgiu, 63 Jahre, ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen griechischen Maler, seine Kunst wird international gehandelt. Und jetzt wird er sogar Documenta-Künstler.

 

Folge 9: Fundstücke

Die Athener Filmkünstlerin Marina Gioti setzt sich in ihren Arbeiten mit den radikalen Veränderungen ihrer Stadt in der Wirtschaftskrise auseinander, mit feministischen Themen, und sehr häufig arbeitet sie mit gefundenem Filmmaterial. Auf der Documenta 14 wird sie einen Film vorstellen, den sie auf einer Müllhalde im Süden Athens gefunden hat: den Propagandafilm aus der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) hat sie minimal bearbeitet und will damit die Aufmerksamkeit auf nationalistische Mythen lenken, sowohl zur Zeit der faschistischen Militärregierung als auch im heutigen Griechenland.