Bonner Kunstverein

Aktion frisst Stadtraum

Der Vandalismus täuscht. Wo andere ihre Provokationen im gut sortierten Tabukasten finden, zieht Klara Lidén einfach auf die Straße und lässt in Städten wie New York, Zürich oder London mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Gebrauchsmaterialien wie Pappkarton, Wellblech, Folien oder Rohre fanden so schon Einzug in ihre multimedialen Installationen. In Paris verbaute sie gar Türen des Jeu de Paume mit gestapelten Planen, um den Besuchern den Akt des partizipativen Demolierens schmackhaft zu machen.

Die usurpatorische Geste hat ihr nicht nur das Etikett „künstlerische Rebellin“ eingebracht. Die junge Frau mit den drastischen Einfällen ist natürlich längst preiswürdig. „Rumpfflächen und Plündererbanden“ nennt die 31-Jährige etwas kryptisch ihre Schau in Bonn. Gemeint ist das örtliche Landschaftsbild und die turbulente Stadtgeschichte. Neben 20.000 Euro gehört diese Einzelausstellung zur Dotierung des Blauorange-Kunstpreises der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken 2010. Für den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst 2011 ist die Schwedin als eine von vier Kandidaten ebenfalls nominiert, hat mehrfache Biennale- und jede Menge internationaler Ausstellungen vorzuweisen, darunter im Museum of Modern Art und zuletzt in der Londoner Serpentine Gallery (lesen Sie dazu eine Review von Holger Liebs im Monopol-Dezemberheft).                

Im Kunstverein gehören öffentliche Mülleimer zu den Fundstücken der in Berlin lebenden Dompteuse. Zentral platziert in einer abgetrennten Raumkonstruktion verraten diese Bravourstücke globalen Ordnungssinns keinerlei Hinweise auf ihre Herkunft und verfügen doch zugleich über eine ausgeprägte Individualität. Das liegt natürlich daran, dass sich vor dem Betrachter urplötzlich zur Beschreibung des sozialen Raums versammelt, was sonst täglich an seinem Auge vorbeirauscht.

Aktionen wie diese möchte Lidén, die neben dem Kunst- auch ein Architekturstudium in Stockholm und Berlin absolviert hatte, als Rückeroberung des privatisierten Stadtraums verstanden wissen. Dazu zählen auch schon mal Bunker am Spreeufer, die sie zu frei verfügbarem Wohnraum umgestaltet. Dass auch ihre Videoarbeiten, in denen sie selbst auftritt, ebenso wie die Performances von der Irritation der Konvention leben, überrascht kaum. Wie sie in ihrem wohl bekanntesten Video „Paralyzed“ von 2003 hemmungslos tanzend und Purzelbäume schlagend eine U-Bahn bespielte und dabei die verstörten Blicke der Mitreisenden in Kauf nahm, grenzte an einen utopischen Purismus, der den Verdacht zielloser Anarchie sogleich vergessen ließ.

Zumal die Künstlerin auch Theoriefestes beizusteuern weiß. „Die Frage, wie man sich privatisierten Stadtraum wieder aneignet, beginnt irgendwie immer mit dem Körper“, sagt sie. Der ist mitunter nur schwer zu bremsen, wenn sie in "Bodies of Society" von 2006 in maskuliner Pose ihr Fahrrad mit einer Eisenstange verprügelt und dabei Fragen an die bestehenden Macht- und Geschlechter-Verhältnisse aufwirft. Weitere Inbesitznahmen lassen sich in Bonn als Projektionen von Standbildern besichtigen. Im mechanischen Stakkato der sich drehenden Dias flimmern Schwarz-Weiß-Dokumente über die Wände. Sie zeigen Lidén mit vollem Körpereinsatz bei der Arbeit: Mal klettert sie Betonsäulen hoch, oder taucht kopfüber in einen Papierkorb. Es sind energiegeladene Bewegungsabläufe, die mit den minimalsten Mitteln den zivilen Ungehorsam feiern und ganz nebenbei die niedlich poppige Zerstörungswut einer Pipilotti Rist verabschieden.

Bonner Kunstverein, bis 31. Januar 2011