Open-Air-Ausstellung im Salzkammergut

Partisanen im Postkartenmotiv

Dem malerischen steirischen Salzkammergut ist die Nazivergangenheit kaum anzusehen. Eine Open-Air-Ausstellung geht der "Politischen Landschaft" nun auf den Grund.

Manche Naturkulissen sind so atemberaubend, dass über Jahrtausende Sehnsüchte und Begehren auf sie gerichtet werden. Im steirischen Salzkammergut, das schon in prähistorischer Zeit besiedelt war, haben sie sich abgelagert wie Sediment. Doch an der Landschaft der malerischen Alpenregion kann man auch die neuere Geschichte ablesen, erkannte die Künstlerin Eva Grubinger, man muss nur genau genug hinschauen. Das intellektuelle Wien des 19. Jahrhunderts verbrachte dort seine Sommer, später arisierten und besetzten Nazis die Villen, Widerstandskämpfer versteckten sich jahrelang über der Baumgrenze, 1945 tauchten hochrangige Nationalsozialisten unerkannt in der Gegend ab. Im Ausseerland lässt sich das 20. Jahrhundert wie unter dem Brennglas betrachten, immer noch wirkt vieles davon fort, und anderes bleibt unausgesprochen.

Bis es jemand tut. So brachte die 1970 in Salzburg geborene Grubinger zwei Kuratoren am Grazer Museum Joanneum auf die Idee zur Open-Air-Ausstellung "Politische Landschaft", die Mitte Juni mit Touren und Wanderungen zu den verschiedenen historischen Schauplätzen eröffnet wird. Grubinger selbst und sechs Kollegen entwickelten Kunstwerke für das Projekt. Susan Philipsz, die mit ihren Audioarbeiten auch auf der vergangenen Documenta in Kassel vertreten war, hat sich den postkartengleichen Toplitzsee als Spielort für ein Soundpiece ausgesucht. Wo jahrzehntelang nach einem Nazischatz getaucht wurde, was sogar zu einer Erwähnung im James-Bond-Film "Goldfinger" (1964) führte, erklingt nun ein altenglisches melancholisch-metaphorisches Lied über das Salz, mehrstimmig von Philipsz eingesungen.

Das Salz liegt hier im Berg, eine der ältesten Gruben überhaupt führt tief in den Sandling, wo Hitler während des Krieges geraubte Werke von Michelangelo, Dürer, Rubens und Vermeer lagern ließ oder auch ganze Privatsammlungen wie die des Wiener Industriellen Oscar Bondy. Eines seiner Kunstobjekte
nannten die Nazis in ihren akribischen Verzeichnissen ratlos "igelähnlich". Etwa zur selben Zeit hatte sich am gegenüberliegenden Berg eine Gruppe von Widerstandskämpfern für zwei Jahre zurückgezogen: "Im Igel" hieß ihr Lager, wo sie sich bilden und auf einen demokratischen Staat vorbereiten wollten. Bis dato gibt es dazu keinen Eintrag in den Wanderführern (während es, wie Grubinger anmerkt, nicht vollkommen unwahrscheinlich ist, in Alpenvereinskreisen auf den Hütten das Horst-Wessel-Lied zu hören). Die Künstlerin ließ die Skulptur leicht verändert nachbauen und installiert sie am ehemaligen Igel-Lager, mit Blick auf den Sandling.

Der bosnisch-französische Künstler Bojan Šarčević fand in der Sammlung des Joanneums eine vom Zoll beschlagnahmte Riesenmuschel und versteckt sie anspielungsreich als "Der Partisan" in der Gebirgslandschaft. Der Bad Tölzer Künstler Florian Hütter bringt in einer der Bärenhöhlen eine Wandmalerei an, und Angelika Loderer, Jahrgang 1984, pflanzt Bäume, deren Äste wie unter Schneelast deformiert weiterwachsen. Clegg & Guttmann, seit 1980 ein Künstlerduo, werden im Tal eine Art Speakers’ Corner zur Geschichte der Gegend einrichten, geplant ist eine Übertragung auf eine Almhütte.

Einige Zeitzeugen gibt es 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch. Wer Glück hat, kann in den Eröffnungstagen ein paar Geschichten aus erster Hand hören, wie die vom Fund des Kaltenbrunner-Geldes. Der Kriegsverbrecher hatte wie viele andere Nazis in der sogenannten Alpenfestung Reichtümer gehortet. Seine Festnahme gelang mit der Hilfe von Einheimischen. Der Ausstellungstitel "Politische Landschaft" ist also alles andere als ein aufgesetzter Kuratorenbegriff – er bezeichnet im Grunde nichts anderes als die Touristenbroschüren: eine Gegend, die so schön und wild zugleich ist, dass alles in ihr möglich zu sein scheint.