Neu im Kino: "Neo Rauch – Gefährten und Begleiter"

Unheimlich vertraut

Ein neuer Dokumentarfilm kommt dem deutschen Erfolgsmaler Neo Rauch etwas zu nah

Etwa in der Mitte dieses Filmes gibt es eine Szene, die sehr lustig ist, wenn auch vermutlich ungewollt. Rosa Loy, Malerin und Ehefrau von Neo Rauch, tritt vor eine Leinwand ihres Mannes und beginnt damit, ihrem Gatten Ratschläge zu geben: Hier das Ohr solle er noch mal malen, belehrt sie ihn. Die Mütze auf dem Kopf eines Mannes setze sich nicht vom Haar ab, da müsse er noch mal ran. Der weiblichen Figur solle er noch Perlenohrringe malen oder vielleicht sogar eine Perlenkette. Und Neo Rauch? Nickt und macht.

Die Szene ist deshalb so komisch, weil man sich Bildfindung bei Neo Rauch ja immer ganz anders vorgestellt hatte: Rätselhafte, aus der Zeit gefallene Figuren bevölkern seine Leinwände. Sie stehen einsam und verloren in Industriebrachen, den Trümmern der deutschen Geschichte, dem mondbeschienenen Symbolwald der Romantik. Die Tiefen des Unbewussten schwört Rauch gerne auch in seinen vor düsteren Ahnungen zitternden Interviews herauf – da ist es einigermaßen beruhigend zu sehen, dass manchmal offenbar auch ein Pläuschchen mit der Ehefrau den Pinsel führt.

Doch leider ist Ironie in Nicola Graefs Dokumentarfilm "Neo Rauch – Gefährten und Begleiter" spärlich gesät und das einzige Distanzierungsmittel. Ihr Film eröffnet im Leipziger Atelier des Künstlers, wo Rauch sich erstaunlich ungestört beim Malen zuschauen lässt und über sein Werk spricht. Ein guter, intimer Einstieg. Danach geht es zu Rauchs New Yorker Galerist David Zwirner, zu den Sammlern Mera und John Rubell in Miami und Kim Chang-il in Korea, zu seinem Galeristen und langjährigen Freund Judy Lybke, nach Aschersleben, wo Rauch aufwuchs, zu weiteren Privatsammlern in New York und Italien. Aber so weit die Reise führt – auf Abstand geht der Film nie.

Das Trauma des frühen Tods der Eltern, die bleiernen Jahre in der DDR, die Surrealität der Nachwendezeit – das Biografische allein soll die Kunst erklären. Unisono erklären die internationalen Sammler, dass Rauchs Werk sehr deutsch sei – ob dahinter Klischees oder auch Strategie stehen, wird nicht problematisiert. Zum Thema Markt gibt es die Steilvorlagenfrage: Stimmen ihn Millionenpreise für ein Bild nicht nachdenklich? Doch, tun sie. Widerspruchslos kann Neo Rauch auch erklären, dass er nach den Erfahrungen der DDR-Zeit jede Form von politischer Kunst ablehnt – womit der Film sein genialistisches, alles andere als unideologisches Kunstverständnis noch verstärkt.

Nicola Graef hat vor Jahren einen Film über Jörg Immendorff gedreht, dessen Malereiauffassung ihr einige Munition hätte liefern können. Durch Gegenstimmen und Kontextualisierungen würden die Aussagen der "Gefährten und Begleiter" Neo Rauchs nur bereichert – so aber gerät ihr Dokumentarfilm zur Hommage. Man sieht sehr viele Bilder in diesem Film. Aber am Ende doch nur eines. Und das kannte man bereits.