Kürzlich überraschte uns die Meldung, dass Ihre Galerien "die Kräfte bündeln". Steckt dahinter, dass Sie, Herr Johnen, in den Ruhestand gehen und Sie, Frau Schipper, die Galerie übernehmen?
Jörg Johnen: Nein, es verändert sich nur meine Tätigkeit. Es wird ein Johnen Galerie Archiv geben, das ich betreue. In diesem Rahmen werde ich die Nachlässe von Stefan Bertalan und Florin Mitroi weiter verwalten und die Zusammenarbeit mit dem Künstler Raimer Jochims weiter pflegen. Ich möchte weniger an der Front arbeiten, weniger mit dem Business zu tun haben. Es war nie so ganz mein Ding, und das ganze Geschäft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert.
Sie beklagen die "Nestlésierung des Kunstbetriebs": dass wenige Großfirmen bestimmen, welche Produkte weltweit konsumiert werden.
JJ: All das wird mir immer lästiger. Auf der anderen Seite steigt der Druck von den Künstlern, weil sie immer mehr erwarten und von anderen Seiten immer mehr geboten bekommen.
Viele Ihrer Künstler werden mittlerweile auch von Megagalerien vertreten. Das ging immer ganz gut, da die Johnen Galerie als mittelgroße Galerie keine Konkurrenz zu den großen waren. Ändert sich das nun mit dem Zusammenschluss?
Esther Schipper: Das wird man sehen. Wir wollen auf keinen Fall ein Megastore werden. Um das globale Geschäft zu bedienen, braucht man aber eine ganz andere Struktur. Die große Herausforderung für mich ist im Augenblick, überall gleichzeitig zu sein, ohne die Konzentration auf das Wesentliche und auf die Inhalte zu verlieren.
JJ: Als Rüdiger Schöttle und ich noch zusammen gearbeitet haben, waren Messen einfach ein no go für uns. Die hielten wir für reinen Kommerz und wollten da auf gar keinen Fall mitmachen. Bis wir dann irgendwann feststellten, dass es nicht ohne geht. Mir ist das heute alles zu viel.
ES: In der Galerienwelt verändert sich sehr viel. Man hat 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, gedacht, die ganzen Messen fallen weg. Sie sind aber heute wichtiger als je zuvor. Den Luxus kann sich kaum jemand leisten, gar nicht auf dem internationalen Parkett unterwegs zu sein. Aber wenn man acht bis zehn internationale Messen im Jahr macht, muss man doch sehr stark auf die Qualität achten. Die Devise "Dabei sein ist alles" ist dann oft doch die falsche Entscheidung.
Zunächst wird die Galerie aber nun größer und unübersichtlicher.
ES: Ich weiß gar nicht, warum man immer denkt, größer bedeute unübersichtlicher. Ich habe gegenteilige Erfahrungen gemacht. Eine Galerie hat eine wirtschaftliche Struktur und kann geführt werden wie jeder andere Betrieb. In einer kleinen Galerie oder einem kleinen Unternehmen gibt es Teamzugehörigkeit und jeder springt für den anderen ein. Dann wächst man in eine undefinierbare Menge von zehn, elf, zwölf Mitarbeitern und als Geschäftsführerin muss man dann immer noch den Überblick haben und viele Details landen auf dem eigenen Schreibtisch. Danach aber wächst man in eine Dimension, in der es Abteilungen und Spezialisten gibt, die ganz klare Aufgaben haben und sich ergänzen. Diese große Betriebsstruktur schafft oder hält natürlich dem Geschäftsführer oder der Geschäftsführerin wieder den Rücken frei.
Es gibt historisch gesehen nicht viele Galerienzusammenschlüsse. Meistens stellt die Galerie ihren Betrieb ein, wenn der Gründer und Besitzer, dessen Namen der Betrieb häufig trägt, sich zurückzieht oder stirbt.
JJ: Ich bin jetzt 67 Jahre alt. Ich habe weder das Ego noch die Vitalität, jetzt noch einmal Gas zu geben. Aber mir ging es darum, dass ich trotzdem dabeibleiben wollte. Ich kenne Esther schon lange. Ich fand ihre Galerie immer super und habe fast alle Ausstellungen gesehen. Das ist genau die Galerie, die zu meiner passt, und Esther fand wohl auch, dass ihr Programm gut mit ihrem Profil zusammengeht.
Wie würden Sie das zukünftige Profil der Galerie beschreiben?
ES: Ich bin keine Freundin von formalen Abgrenzungen. "Form follows content" und "The exhibition is the medium". Unsere Ausstellungen sind nicht nur Anreihungen von Produktionen aus dem Studio. In beiden Galerien gibt es auch eine starke performative Ebene.
Die Künstler sind nicht mit Verträgen an die Galerie gebunden. Wie sehen die den Zusammenschluss?
JJ: Die meisten sind begeistert. Sie sehen die vielen Chancen, da die Galerie internationaler und professioneller wird. Dass ich fünf Mitarbeiter habe, war für mich schon viel. So kann man aber heute gar nicht mehr bestehen. Esther kommt aus einer ganz anderen Generation und ist ganz anders strukturiert.
ES: Viele Künstler aus beiden Programmen kennen sich nicht nur gut und sind miteinander befreundet, sondern haben miteinander ausgestellt, einander zu Ausstellungen eingeladen, sich in ihren Arbeiten aufeinander bezogen, zusammengearbeitet und gemeinsame Projekte und Werke realisiert.
Wie sieht der Fahrplan für den Zusammenschluss aus?
ES: Vorerst bleiben beide Häuser bestehen, auf jeden Fall die nächsten beiden Jahre. Ich werde Geschäftsführerin für beide GmbHs. Jörg bleibt für die Johnen Galerie die graue Eminenz. Langfristig werden wir neue Räume brauchen. Es ist nicht wirklich sinnvoll, in einer Stadt auf zwei Standorten zu arbeiten. Der Zusammenschluss ist auf jeden Fall ein Bekenntnis zu Berlin.
Sie hätten auch eine Dependance woanders aufmachen können, statt mit der Johnen Galerie zusammenzugehen.
ES: Wachstum wird von den Künstlern eingefordert. Ich hatte mir vor Jahren überlegt, auch in einer anderen Stadt eine zweite Galerie aufzumachen, die Idee aber verworfen.
Kann man wachsen in Berlin?
ES: Hier lässt sich sehr gut arbeiten. Wir haben zwar nicht wie in New York einen großen Markt vor der Tür, aber dafür auch nicht diese irre Hektik. Es gibt viel Platz und wir können fantastische Ausstellungen machen, ohne jeden Quadratzentimeter Immobilienwert mitzudenken.
Wie werden Sie künftig auf Messen auftreten?
ES: Da gibt es viele technische Fragen, die wir mit den verschiedenen Messen eruieren. Manche erlauben Doppelstände, andere nicht. Wir sind in Gesprächen.
JJ: In Basel sind wir noch getrennt. Dort habe ich mich bereits vor einem Jahr angemeldet.
ES: Im Herbst werden wir sicher auf gemeinsamen Flächen ausstellen und die Namen der Galerien werden gemeinsam zu sehen sein.
Wird es weiterhin Ausstellungen in der Johnen Galerie geben?
JJ: Ich habe das Jahr schon vorgeplant. Die letzte Ausstellung ist Martin Honert in einem Dreivierteljahr. Danach fangen wir an, gemeinsam zu überlegen, was in den Räumen der Johnen Galerie stattfinden wird und was am Schöneberger Ufer in den Räumen von Esther Schipper.
Bei einem Zusammenschluss muss auch der Wert eines Betriebs taxiert werden. Was ist das Kapital einer Galerie?
ES: Das ist sehr kompliziert. Vom Steuerberater her gibt es ganz klassische Bewertungstechniken, die viel mit dem Umsatz zu tun haben, wie bei jedem anderen Betrieb. Die Beziehungen zu den Künstlern kann man letztlich nur in unserem Betriebssystem bewerten. Dahinter kann man keine Zahl setzen.