Christian Jankowski versus ZDF-„Aspekte“

„Ich mache Journalismus zu Kunst“

Herr Jankowski, Ihre Arbeit bezieht häufig Humor aus Situationen, in denen Sie Menschen mit Kunst konfrontieren, die normalerweise nichts damit zu tun haben: die TV-Wahrsagerin, der Fernsehprediger, die Teleshoppingverkäufer. Nun arbeiten Sie aber als Kulturproduzent mit einer Kultursendung, mit ZDF-„Aspekte“. Wie lustig kann das werden?

Mal sehen. Es wird vier aktuelle Beiträge geben, die sich auch noch am Tag der Produktion ändern können, wenn es die Aktualität erfordert. Deshalb habe ich mich auf die Moderation konzentriert. Die Moderatoren Luzia Braun und Wolfgang Herles werden mit dem Kopf nach unten an die Decke des Hauptstadtstudios gehängt. Durch ein gekipptes Bild erscheinen sie für den Fernsehzuschauer aber richtig herum. So wird sich natürlich die Anmoderation extrem verändern: Wenn man auf dem Kopf hängt, schiesst einem das Blut ins Gesicht, die Haare stehen zu Berge und die Atmung funktioniert auch komplett anders – die Betonung von Wörtern ist schwierig zu kontrollieren!

Sie nehmen wörtlich, was man von Künstlern erwartet: Konventionen auf den Kopf zu stellen.

Und es wird damit behauptet, dass die „Aspekte“-Sendung im Ganzen ein Kunstwerk ist. Anhand der anderen Beiträge wird diese Behauptung thematisch überprüft. Es gibt etwa einen Beitrag über Urheberrecht, und da wird eine Brücke geschlagen zur bildenden Kunst und zum Kunstwerk selbst. Luzia Braun nimmt etwas von der Behauptung des Kunstwerks auf in ihren Anmoderationen und schafft so Verbindungen. Sie wird etwa die Zuschauer auffordern, die Sendung aufzuzeichnen, um dann ein Kunstwerk bei sich zu Hause zu haben. Und stellt damit die Frage, ob dadurch die Arbeit in ihrem Wert gemindert wird, wenn sie von Hunderttausenden mitgeschnitten wird.

Wie ist es zur Zusammenarbeit mit dem ZDF gekommen?

Den ersten Kontakt gab es vor einem Jahr, da wollte ein „Aspekte“-Team die Produktion meiner Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart begleiten. Das klappte nicht, aber die Redaktion kam dann mit dem Einfall, dass ich in der Sendung, mit der Sendung selbst arbeiten sollte.

Gute Idee, denn wenn deutsche Kultursendungen unkonventionell sein wollen, geht das häufig daneben. Da wird dann etwa betont ironisch über einen Gegenstand geredet ...

Ich hoffe, dass wird diesmal anders ...
 
Was macht das Fernsehen als Material so interessant?

Dass sich darin soviel Interessensgruppen wiederfinden und es jede Menge Möglichkeiten hergibt. Im Fernsehen wird ein flow von Bildern kollektiv erschafft, den gilt es künstlerisch zu hinterfragen. Aber wie kann man das in so einem großen Apparat? Mich interessiert es zu sehen, wieviel Kunst Fernsehen verträgt. Man erreicht ein großes Publikum, und das ist natürlich toll, für das Fernsehen und die Kunst.

Besteht nicht eher Anlass zur Sorge, dass Kunst Fernsehen wird, als zur Hoffnung, dass Fernsehen zur Kunst wird?

Solche Zwitter interessieren mich gerade! Das Ganze soll ja kein distanzierter künstlerischer Blick auf den Fernsehjournalismus sein, keine klare, zuvor verfasste Botschaft – so ist ja keines meiner Werke aufgebaut. Es gibt doch immer verschiedene Welten, die da zusammenkommen. Der Betrachter soll sich selbst fragen, wer ist der Autor und wie genau kommt alles zustande. Es wird spannend, wenn man Sachen als Kunst behauptet und dann reflektiert. Man kommt in einen Diskurs, der auch viele Parallelen aufweist zwischen bildender Kunst und Fernsehjournalismus. Was Kunst vorantreibt, ist Kommunikation, und mit Kommunikation beschäftigt sich der Journalismus. Die Kunststars werden auch durchs Fernsehen gemacht. Nur leider auch auf sehr oberflächliche Weise. Anstelle ständig über den nächsten Auktionsrekord zu berichten, sollten das Fernsehen lieber mehr Lust an Kunst vermitteln. Die „Aspekte“-Sendung ist ein Versuch, in der Sendung selbst solche Fragen zu thematisieren, nur auf eine frische Art und im Miterleben durch die Zuschauer.

Was nervt Sie an Kulturberichterstattung?

Wenn Sachen vereinfacht werden, flachgestaucht. An Journalisten ist ja auch ein Anspruch gestellt: Er geht um eine bestimmte Art von Kritik und Stellungnahme. Aber die beeinflusst natürlich die Lesbarkeiten der Kunst. Der Journalist lenkt den Leser oder den Zuschauer und legt ihm eine bestimmte Sichtweise nahe.

Gibt es ein paar Standardsätze über Sie?

Irgendwann hat mich jemand mal Till Eulenspiegel genannt, und es kommt mir so vor, dass die meisten Journalisten, die über mich schreiben, kurz mal googeln, und sich dann wieder am Eulenspiegel festhalten. Ist natürlich ein griffiger Vergleich, aber für mich wird’s langsam langweilig. Es ist dann auch die Aufgabe der Kunst und des Journalismus', eine Wirkform zu finden und einen neuen Blick zuzulassen.

Oder zurückzuschlagen wie Sie in Ihrer „Aspekte“-Sendung ...

Ich versuche damit auch eine Gleichschaltung von Kunst und Massenmedium. Ich mache die Journalisten zu Kunst. Das ist doch der Traum eines jeden Berichterstatters: Er möchte so nah wie möglich an dem Ereignis dran sein. Hier sind sie hautnah in der Produktion dabei und berichten von der Front der Kunst. Das Aufhängen ist ein performativer Akt, aber es geht auch um die sprachliche, journalistischen Aufbereitung dessen. Über die Problematik, über etwas zu berichten, von dem man selber Teil ist.

Vielleicht müssten TV-Kunstjournalisten – wie im britischen Fernsehen manchmal – häufiger als sokratische Trottel durch die Beiträge stolpern.

Für die „Aspekte“-Redaktion ist diese Sendung ein Sprung ins kalte Wasser. Davor muss man den Hut ziehen. Auf der Waagschale liegt auch die Redaktion selbst. Wie häufig bei meinen Werken werde ich bis zur letzten Sekunde versuchen, den Verlauf der Dinge zu beeinflussen und meine Ziele weiter nach vorne zu pushen. Vieles bleibt dem Schicksal, dem Moment und dem Platz, den man mir gibt, überlassen.
 
Werden Sie die Sendung später auch in Museen ausstellen?

Mit Sicherheit. Selbst wenn es ganz trivial wird, liefert die Sendung auch Diskussionsstoff über die Chancen, die hier von mir und vom Fernsehen verspielt wurden. Aber ich bin zuversichtlich, dass es für alle - und auch einmal für den Museumsbesucher - ein Erlebnis wird.
 
Freitag, 13. November, 23.15 Uhr im ZDF. Wiederholung am Samstag um 5.30 Uhr. Mehr unter aspekte.zdf.de. Vom 14. November bis 20. Dezember stellt Christian Jankowski im Schinkel Pavillon in Berlin "Living Scultures" aus (www.schinkelpavillon.de)