Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Baden-Baden, Berlin, Bielefeld, Bonn, Lingen, London, New York, Saarbrücken, Siegen und Zürich

 

Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. In den meisten Bundesländern gelten inzwischen 2G- oder 2G+-Regeln in Museen. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Institutions-Website

 

Künstlerische Korallen in Baden-Baden

Korallen sind wundersame Gebilde, deren Aufbau irgendwie logisch zu sein scheint, wenngleich diese Logik nicht zu entschlüsseln ist. Nicht ganz Mathematik und nicht ganz Wildwuchs. "Hyperbolische Geometrie" wird diese Wachstumsstruktur genannt, für den Menschen am ähnlichsten mit der Handarbeitsmethode Häkeln nachzuvollziehen. Das Geheimnis sind nämlich die Kräuselungen. Unter Wasser haben sie die Funktion, möglichst platzsparend sehr viel Oberfläche zu generieren.

Beim Häkeln kann das durch die sogenannte Maschenzunahme ziemlich exakt nachempfunden werden. Herausgefunden haben das die Schwestern Margaret und Christine Wertheim, die 2005 am Institute For Figuring in Los Angeles begannen, mit dieser Technik Korallenriffe nachzubilden. Häkelnd können dicht bewachsene Hirnkorallen-Hügel, turmartige Säulenkorallen-Spitzen, Dolden aus Nelkenkorallen und Seetangwälder modelliert werden.

Eine Ausstellung im Museum Frieder Burda lud im Vorfeld dazu ein, am Riff mitzuarbeiten. Nach Anleitungen der Schwestern konnte man sich bis Ende November am Wachsen des Häkelriffs beteiligen. "Wir suchen gezielt nach Korallen in den folgenden Farbtönen: das ganze Spektrum an Violett-, Mauve- und Fliedertönen, mit sowohl tiefen, satten Nuancen als auch zarten Pastelltönen; auch dunkle Blautöne, Türkis und Aqua, sowie Akzente in kräftigem Pink, strahlendem Orange, leuchtendem Gelb und etwas Neon-und Lindgrün – alles außer Waldgrün", stand in der Anleitung.

"Wert und Wandel der Korallen“ Museum Frieder Burda, Baden-Baden, 29. Januar bis 26. Juni

 

Christian Dior in Berlin

Schon mit seiner ersten Kollektion gelingt Christian Dior 1947 in Paris der große Wurf. Der "New Look" ist geboren. Das Berliner Kunstgewerbemuseum konnte seine Sammlung in jüngster Zeit durch eine Reihe von Originalmodellen des berühmten Modeschöpfers bereichern. Zudem werden in der Schau noch nie gezeigte Entwürfe seiner Nachfolger Yves Saint Laurent oder John Galliano präsentiert.

"How to Dior", Kunstgewerbemuseum Berlin, bis 26. Juni

 

Dóra Maurer in Bielefeld

Abstrakte Kunst war im 20. Jahrhundert unpolitisch und ließ sich zugleich von der Öffentlichkeit unbemerkt politisch instrumentalisieren? Das ist nur die halbe Wahrheit, die das Kunstgeschehen im ehemaligen Ostblock unterschlägt. Dóra Maurer, eine bedeutende Vertreterin der ungarischen Neo-Avantgarde, steht für eine andere Geschichte der Abstraktion, die in der Diktatur politisch aufgeladen und "oppositionell" sein konnte.

Eine Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld setzt Werke der in Budapest lebenden 84-jährigen Künstlerin aus fünf Jahrzehnten und in den Medien Grafik, Film, Fotografie und Malerei in einen Dialog mit Werken der deutschen und US-amerikanischen Konzeptkunst und Minimal Art aus der Museumssammlung. Neben dem Ost-West-Vergleich soll Maurers Selbstbehauptung im männlich dominierten Feld gegenstandsloser Kunst im Fokus stehen.

Dóra Maurer: "So sehen und anders sehen“, Kunsthalle Bielefeld, 29. Januar bis 15. Mai

 

Kunst über das Gehirn in Bonn

Das Gehirn ist eines der größten Rätsel des menschlichen Körpers. Es ist nicht nur Gegenstand der Wissenschaft, sondern auch der Kunst. Woher kommt unsere Fantasie? Unsere Kreativität? Unsere Inspiration? In der Ausstellung "Das Gehirn. In Kunst & Wissenschaft" in der Bundeskunsthalle Bonn treffen verschiedene Disziplinen aufeinander und liefern eine Bandbreite, um sich dem Gehirn und seiner Produkte und Gespinste anzunähern. Erkenntnisse aus Hirnforschung, Neurologie, Philosophie, Religion, Medizingeschichte und Psychologie spielen genauso eine Rolle wie die Werke von Künstlerinnen und Künstlern.

"Das Gehirn. In Kunst & Wissenschaft", Bundeskunsthalle Bonn, bis 26. Juni

 

Heidi Specker in Lingen

Damme ist eine Stadt in Niedersachsen. Die Künstlerin Heidi Specker ist hier geboren, ihre 2019 entstandene, 70-teilige Fotoarbeit "Damme" reflektiert und kommentiert das Leben auf dem Land. Im Fokus stehen Jugendliche, privilegiert in ihrem Zustand zwischen Träumerei und Zukunftserwartung. Weiter ist in der Soloschau der Kunsthalle Lingen das "Cornfeld"-Projekt zu sehen, zu dem Specker andere Kunstschaffende – darunter Andrea Büttner, Antje Majewski, Olivier Guesselé-Garai oder Sunah Choi – dazu einlud, auf einen historischen Kupferstich um die Nutzpflanze Mais künstlerisch zu reagieren.

Heidi Specker "Damme", Kunsthalle Lingen, bis 6. März

 

Karibisch-britische Kunst in London

Die Schau "Life between Islands: Caribbean-British Art 1950s- Now" in der Londoner Tate Britain beleuchtet die enorme Bandbreite der karibisch-britischen Kunst über vier Generationen hinweg. Mit visionären Gemälden, Dokumentarfotografien, Filminstallationen und Mode. Die über 40 beteiligten Kunstschaffenden haben entweder Wurzeln in der Karibik oder fanden dort Inspiration, darunter Frank Bowling, Sonia Boyce, Claudette Johnson, Peter Doig, Chris Ofili oder Grace Wales Bonner.

"Life between Islands: Caribbean-British Art 1950s- Now", Tate Britain, London, bis 3. April

 

Nora Turato in New York

Die Beschäftigung mit der viel zitierten Bilderflut des digitalen Zeitalters ist ein Standardmotiv in der zeitgenössischen Kunst. Dass gleichzeitig aber auch tsunamiartige Textwellen über uns zusammenschlagen, thematisiert nur Nora Turato. In ihren eindrücklichen Performances bringt sie Textfragmente und Collagen aus den verschiedensten Bereichen der Gegenwartskultur in den Galerieraum, kombiniert Werbetexte, Auszüge aus Büchern, Medienartikel, Slogans und ihre eigenen Gedanken, es geht um Frauen, Sex, Macht, die Gegenwart. Sie säuselt, flüstert oder schreit, stößt Worte im Stakkato hervor oder verströmt sie in einem nicht enden wollenden Redefluss.

Doch die Textmassage geschieht nicht nur akustisch, sondern auch visuell. Die Ästhetik ihrer Texttafeln und Wandarbeiten leiht Turato meist von funktionalen Alltagszeichen wie den traurigen Warnhinweisen, die man in der Europäischen Union auf Zigarettenschachteln findet. Und während man beim Zuhören meist nur über den druckvollen Vortrag staunt, hat man bei den Wandarbeiten mehr Zeit für die Kontemplation über die kleinen Denkstücke.

Mittlerweile ist der Ruf der 1991 im kroatischen Zagreb geborenen Künstlerin, die seit Langem in Amsterdam lebt, bis ans Museum of Modern Art in New York gedrungen. Eine erste geplante Performance-Ausstellung machte die Pandemie dort unmöglich. Doch Ende Januar kann die neu konzipierte Schau mit dem Titel "Pool 5" hoffentlich wie geplant stattfinden. Das Projekt materialisiert sich parallel als Performanceserie und als Künstlerbuch, mit stetig wachsendem Textmaterial, das Turato aus dem erwähnten Pool von Quellen kombiniert

Nora Turato "Pool 5", MoMa, New York, 29. Januar bis 13. Februar

 

Simone Demandt in Saarbrücken

Die Fotografien der aus Dortmund stammenden Simone Demandt setzen bei den Betrachtenden Geschichten in Gang, spielen subtil mit kollektiven Erinnerungen und Ängsten. 43 ihrer Werke, die zwischen 2001 und 2014 entstanden sind, werden nun im Saarlandmuseum gezeigt. In ihrer Serie "Dunkle Labore / Labs Overnight" schildert die Künstlerin geheimnisvolle Situationen in Versuchslaboren. Die Reihe "Blamage" setzt sich aus Innenansichten von Turnhallen zusammen: In Kombination mit Texten erinnert Demandt an quälende Aspekte der Leibesertüchtigung, die vielen Schülerinnen und Schülern schon die Freude an Bewegung und Wettkampf vergällt haben.

Simone Demandt "Auf dem Rücken der Dinge", Saarlandmuseum - Moderne Galerie, Saarbrücken, bis 29. Mai

 

August Sander und seine Erben in Siegen

August Sander (1876–1964) stellte sich die Mammutaufgabe, ein Gesellschaftsbild aus vielen Einzelporträts zu zeichnen. Wirklich fertig wurde der Fotograf damit nie. Doch mit den posthum veröffentlichten "Menschen des 20. Jahrhunderts" verschiedener Berufsgruppen und Milieus schrieb Sander Fotografiegeschichte.

Im Museum für Gegenwartskunst Siegen wird das Werk neu präsentiert. Die Ausstellung basiert auf 70 Fotografien aus Sanders Serie. Hinzu kommen Arbeiten aus aktueller Produktion von Kunstschaffenden, die von Sander inspiriert sind, darunter Mohamed Bourouissa, Sharon Hayes und Tobias Zielony. Die New Yorkerin Collier Schorr, die mit Fotografien in der Schau vertreten ist, kritisiert an der deutschen Gegenwartsfotografie eine Scheu vor heiklen Themen, etwa Sanders Porträts von Wehrmachtssoldaten: "Ich habe mir die eine Kategorie in August Sanders Werk ausgesucht, die die Düsseldorfer Kids nicht angefasst haben: die Nazis. Ich dachte mir: Wow, die haben diese Soldaten wirklich ausgelassen. Merken die nicht, dass das die Eingeweide und die Geister sind, die es wert sind, zerrissen zu werden?"

In Sandra Schäfers "Kontaminierten Landschaften" aus dem Westerwald kommen drei Perspektiven auf das Landleben und die bäuerliche Gegend zusammen: die der Künstlerin, ihres Großonkels, der Amateurfotograf war, und die Perspektive August Sanders.

"Nach August Sander", Museum für Gegenwartskunst Siegen, bis 29. Mai

 

Evan Ifekoya in Zürich

Zuhören ist ein körperliches Erlebnis, Klänge vermögen heilende Kraft zu entfalten. Unter anderem davon erzählt Evan Ifekoya, ein/e in London lebende/r nonbinäre/r Künstler*in. Das Züricher Migros Museum präsentiert die erste Soloschau Ifekoyas in der Schweiz. Über die Medien Klang, Text, Video und Performance fordert Ifekoya bestehende Systeme und Institutionen der Macht heraus, um die Erfahrungen und Stimmen zuvor marginalisierter Personen ins Zentrum zu rücken und ihnen Priorität einzuräumen. Ifekoya träumt von einer Gemeinschaft ohne Festschreibungen hinsichtlich Klasse, Ethnie und Gender, die sich von "White Supremacy" befreit hat.

Even Ifekoya "Resonant Frequencies", Migros Museum, Zürich, bis 1. Mai