Veronica Leonis Calvin-Klein-Debüt

Wie viel Vergangenheit verträgt die Zukunft?

Calvin Klein New York Fashion Week
© Calvin Klein

Veronica Leonis Calvin-Klein-Debüt auf der New York Fashion Week 2025

Power-Suits, Trenchcoats, 90er-Vibes: Sechs Jahre nach Raf Simons' Abschied kehrt Calvin Klein unter Kreativdirektorin Veronica Leoni in New York auf den Laufsteg zurück. Aber kann Nostalgie allein die Marke in die Zukunft tragen?

Nach der Calvin-Klein-Show auf der New Yorker Modewoche zirkulierte ein Meme in den sozialen Medien: ein Bild von fünf Frauen in schwarzen und grauen Blazern, mit strengen Silhouetten und straff zurückgebundenem Haar. Jede hält ein Glas Prosecco in der Hand. Darüber steht: "Die 'Sex and the City'-Power-Lesben hätten Veronica Leonis Calvin-Klein-Debüt geliebt". Der Screenshot stammt aus einer Episode der US-Serie, in der eine Gruppe erfolgreicher Business-Frauen in breitschultrigen, einschüchternden Anzügen Charlotte Yorks Galerie besucht.

Das Meme trifft ziemlich genau den Nerv dessen, was die erste Modenschau der Designerin Veronica Leoni für die US-amerikanische Marke beim Publikum hinterließ: eine Erinnerung an den Minimalismus der 1990er-Jahre. Ein nostalgischer Blick in ein vergangenes Jahrzehnt. Etwas, das die "Sex and the City"-Protagonistin Charlotte in den frühen 2000er-Jahren hätte beeindrucken können. Aber kann dieses Stöbern im Calvin-Klein-Archiv 2025 noch überzeugen? Und wichtiger noch: den Weg in die Zukunft weisen?


Sechs Jahre nach dem Abschied von Raf Simons als Kreativdirektor von Calvin Klein und einer genauso langen Pause war die ikonische Kollektion plötzlich zurück im Zeitplan der New York Fashion Week. Einigen war die Abwesenheit der Marke in den Prêt-à-porter-Schauen vermutlich gar nicht aufgefallen – die Buchstaben CK schwirrten ja trotzdem omnipräsent durch die sozialen Medien. Niemand wird der Werbekampagne entkommen sein, die den Schauspieler Jeremy Allen White in weißen Calvin-Klein-Boxershorts über den Dächern New Yorks zeigte.

Die Sängerin Jennie der südkoreanischen Girlband Blackpink wurde in der sportlichen Unterwäsche abgelichtet, ebenso Kendall Jenner, ASAP Rocky und FKA Twigs. Calvin Klein ist, auch ohne aktuelle Modenschau, eine Kultmarke – ein Teil der Popkultur-Geschichte. Das wurde spätestens klar, als Kate Moss und Christy Turlington zu Leonis Debüt eintrafen. Die beiden Supermodels verbindet man noch heute mit der Marke. Calvin Klein hatte mit seiner minimalistischen, aber durchaus sinnlichen Mode die 1980er- und 1990er-Jahre geprägt, die Ästhetik fast schon definiert. Wie würde die neue Nachfolgerin diesem Erbe entgegentreten?

Mit monochromen Looks, schlanken Blazern, beeindruckenden Mänteln – und natürlich: Power-Suits. Mit unübersehbaren Referenzen wie einer Mini-Tasche im "One"-Flaschen-Format. Kendall Jenner, die neue Generation Supermodel, lief in einem hochgeschlitzten Blazer-Mantel und einer Tasche aus Krokodilleder über den Laufsteg. Trenchcoats, Bomberjacken und ein sportlich wirkendes Maxikleid aus abertausenden goldenen Pailletten zeigte Leoni. "Ich habe versucht, an seine ursprüngliche Energie anzuknüpfen und eine 24/7-Garderobe zu erkunden, um ihr eine filmische und greifbare Realität zu geben", erklärte die Designerin vor der Show.

Und sie hat sicher einige Elemente eingeflochten, die Calvin Kleins Mode von Anfang an ausmachten. Doch es fehlte eine relevante Komponente. Der Minimalismus Kleins entfernte Unnötiges. Er konzentrierte sich auf Essenzielles – eine perfekt sitzende Jeans und ein weißes Tanktop –, wirkte mühelos und dadurch sexy und modern. Als habe sich die tragende Person schnell etwas übergeworfen und sähe jetzt ganz zufällig großartig aus.


Aber diese Stimmung fehlte in Leonis Kollektion: Sie schien zu sichtbar inszeniert. Hier ein dreiteiliger Anzug, dort ein puristisches Kleid. Ein wenig Spontanität oder ein unerwartetes Detail hätten das Konstrukt schon aufgebrochen. Aber egal, wie oft man den Meister zitiert – wenn das Grundgefühl einer Kollektion ein ganz anderes ist, helfen auch die bekannten Silhouetten nicht.

Leoni hat bei Jil Sander, Céline und The Row gearbeitet. Marken, die sich dem Minimalismus verschrieben haben, den Calvin Klein einst perfektionierte. Wie bei dem Spiel "Stille Post" wirkte es, als habe sich seine Idee über die Jahre und Marken hinweg zu einem unverständlichen Brei entwickelt. Bei Leoni waren Einflüsse auszumachen, die aus allen vier Modehäusern hätten stammen können. Aber eine klare Linie, die sich abgrenzte und eine Zukunftsvision für die Marke definieren hätte können, fehlte.

Es muss schwierig sein, sich im aktuellen Meer der Minimalismus-Marken zu behaupten. Ob Totême oder Lemaire – sie alle folgen der schlichten Eleganz, dem zeitlosen Luxus, dem präzisen Purismus. Braucht es da die Wiederauferstehung einer weiteren? Wie viele graue Hosenanzüge kann man in einem Leben tragen? Viele, sagt das Internet.


Die Suchanfragen nach Calvin Klein sind laut der Analyseplattform Lyst nach der Show um 30 Prozent gestiegen. Und natürlich hat Veronica Leoni eine Chance verdient, ihre eigene Ära zu etablieren – auch wenn die Collection-Linie nur ein modisches Aushängeschild ist und die größten Einnahmen sicher weiterhin durch Unterwäsche und die berühmten Düfte erzielt werden.

Leicht vergisst man bei dem Trubel, den ein so reiches Modehaus wie Calvin Klein auslösen kann, die kleineren Designer und Marken der New Yorker Modewoche. Sandy Liang etwa, die ihre gleichnamige Marke im Jahr 2014 gegründet hat. Nostalgische Einflüsse ihres Aufwachsens in Chinatown, der Stil dort lebender Großmütter und eine Balance zwischen Zartheit und Robustheit inspirieren die Mode der New Yorkerin. Im letzten Jahr ist sie zum ersten Mal Mutter geworden, und ihre in dieser Saison gezeigte Kollektion spielte mit beliebten Kindheitssymbolen.

Der "Toys-R-Us"-Schriftzug, winzige Polly-Pocket-Kleider und Mini-Versionen der gezeigten Outfits waren auf die Originale gestickt. Flauschige Röcke, geblümte Leggings mit Ballerinaschuhen, verspielte Schulmädchen-Elemente und übergroße Turnierschleifen verband Liang mit edgy Büro-Klassikern. Sandy Liang kreiert ihren eigenen Kosmos – keine Marke ähnelt der ihren. Auch ein Weg, den ständigen Vergleichen zu entgehen und relevant zu bleiben: Sie spielt in einer Liga, in der sie Kollektion für Kollektion nur sich selbst übertrifft.