Valie Export in Berlin

Am Anfang war die Genitalpanik

Die österreichische Künstlerin Valie Export hat ihren Körper zur Kampfzone erklärt und damit Performance-Geschichte geschrieben. Wie analytisch, abstrakt und trotzdem kämpferisch ihr Gesamtwerk ist, zeigt eine Retrospektive in Berlin

Am Anfang steht die "Genitalpanik". Es ist das Jahr 1969. Die 29-jährige Waltraud Stockinger, die sich als Künstlerin Valie Export nennt, hat sich eine "Aktionshose" geschneidert, die das Geschlechtsteil freilegt. In dieser Hose posiert sie mit gespreizten Beinen und wilder Mähne, ein Gewehr in der Hand. Die Botschaft ist klar: Hier sagt eine dem Patriarchat den Kampf an. Das Bild wurde so ikonisch, dass auch heute noch die große Re­trospektive im C/O Berlin völlig zu Recht damit beginnt.

Es ist wirklich stark, dieses frühe Werk der Valie Export, das in der Ausstellung vor allem in Fotografien, gelegentlich auch im Video zu erleben ist. Export tätowiert sich ein Strumpfband auf den Oberschenkel als Symbol der Zwänge, denen eine Frau ausgesetzt ist. In der berühmten Aktion "Tapp- und Tastkino" lässt sie Passanten ihre nackten Brüste betatschen, die in einem Pappfernseher versteckt sind. 

Auf den Fotos lächelt sie irritierend verbindlich, genauso wie bei der Performance, bei der sie ihren damaligen Partner Peter Weibel als Hündchen an der Leine durch die Stadt führte. In dem Video „Remote Remote“ ist die Heiterkeit dahin, wenn sie sich bei der Maniküre in die Nagelhaut schneidet, bis die Finger bluten.

Körper und Landschaft fotografisch verschmelzen

Doch wie die Retrospektive sehr gut herausarbeitet, geht von diesen Anfängen im Geist des Wiener Aktionismus der Weg nur sehr bedingt weiter in Richtung selbstquälende Körperkunst à la Abramović. Stattdessen interessiert sich Export für die Struktur der Sprache, für den Körper als Bedeutungsträger, für das Verhältnis von Körper und Architektur. Sie schmiegt sich an Bordsteine und Hausecken, passt ihre Gliedmaßen in die Umgebung ein, lässt Körper und Landschaft fotografisch verschmelzen, buchstabiert mit Zeichensprache Sätze von Heidegger. 
Konzeptkunst und Strukturalismus bleiben auch bei einer Installation wie "Fragmente der Bilder einer Berührung" von 1994 präsent, die im C/O Berlin die Fotografien und Collagen ergänzt. 

18 Glühbirnen an langen Kabeln tauchen langsam in Gefäße, die mit Milchersatz oder Altöl gefüllt sind, und werden wieder herausgezogen. Den Assoziationen sind keine Grenzen gesetzt, von Freuds sprachlichem Fort-Da-Spiel bis zur Penetration. 

Mit ihren irritierenden Videoaufnahmen von Stimmritzen geht Export in den Nullerjahren noch mal tief in den Körper hinein und bleibt dabei die Ahnin aller Unerschrockenen – man darf hier beispielsweise an Marianna Simnett denken, die sich für ein Kunstwerk die Stimmbänder mit Botox lähmen ließ. Analytisch, abstrakt und trotzdem kämpferisch: Wenn Valie Export eine Marke ist, dann bleibt das ihr Markenkern.